AW: Darf ich vorstellen, meine Stadt: Istanbul
In Istanbul zu sein, Istanbul zu erleben war als ob man die Augen schließt und die Heimat umarmt und den in den Urinstinkten gespeicherten Duft des Vertrauten atmet. Es war als ob man Zuhause ankommt. Alles ist anders – nicht unbedingt besser, aber trotzt der kalten Jahreszeit, des Regens und Windes – wärmer.
Vielleicht liegt es an meinem fortschreitendem Alter das ich eine noch stärkere Bindung zur Heimat entwickele, jedenfalls habe ich Istanbul noch nie in einem solch emotionalen auf und ab erlebt wie dieses mal. Um ehrlich zu sein, wollte ich nicht wieder hierher zurück kommen. Auf der Rückreise habe ich einen großen Teil von mir dort gelassen obwohl sich sehr sehr vieles für meine Begriffe zum Nachteil verändert haben.
Als Tourist erlebt man diese Stadt wie eine Reise in die Vergangenheit, einen Abstecher in eine Märchenwelt, aber wenn man in den verborgenen Gassen wandelt offenbart sich neben der Pracht die für mich einzigartig ist, auch ein anderes Gesicht, das ich nicht mag.
Es gibt Viertel, in denen international ausgezeichnete Bars stehen und keine hundert Meter weiter entfernt entstehen fundamentalistische Ghettos in denen einem die Luft, vor so viel Starrsinn, wegbleibt. Gegenden in denen man als Kind und junge Frau aufgewachsen ist und einst zu den Glanzpunkten zählten, sind von Menschen unterwandert deren Intellekt sich einzig und alleine auf die Religion beschränken. Man kann nicht mal seine Freude über das wiedersehen mit einem geliebten Menschen offen kundtun, ohne das man dafür angepöbelt wird. Ich musste mir mehr als einmal auf die Zunge beißen, damit ich Streiterein aus dem Weg gehe. Fatih einst ein florierendes Viertel mit vielen Ausländischen modernen Einwohnern ist im Laufe der Zeit zu einer Pilgerstädte von Fanatikern geworden. Es gibt Ecken in dieser Gegend, in die man sich ohne Kopftuch nicht verirren sollte. So etwas macht mich neben der Wut einfach nur traurig. Dann gibt es wieder Gegenden, in denen die Röcke der Damenwelt nicht kurz genug sein können. Modern, Weltoffen. Man sieht Frauen unter sich , die ohne Begleitung Feiern und ihren Spaß haben. Keiner beachtet den Anderen – man könnte sogar nackt umher laufen, es würde keiner den Kopf heben und nach einem schauen. Aber diese Örtlichkeiten sind nicht gerade Billig – vielleicht auch nicht ohne Grund, weil man einfach unter sich bleiben möchte. Es ist als ob sich eine Trennwand durch Istanbul zieht. Auf der einen Seite Menschen die auf dem Pfad Atatürks voranschreiten, auf der anderen Seite jene, die den Weg Richtung Iran eingeschlagen haben. Da dazwischen sind dann noch jene, die ihr Fähnchen nach dem Wind und dem derzeitigen Regierungsstand hängen. So jetzt aber genug davon kommen wir zum eigentlichen Reisebericht.
Mit Ottoman in Istanbul zu sein ist ein Erlebnis für sich. Wer über zu viel Pfunden auf den Rippen klagt, sollte mit Ottoman einfach mal für ein zwei Wochen dorthin fliegen. Ich versichere ihr nehmt ab. Mittlerweile kennt mehr als ein Taxifahrer unsere Lebensgeschichte und vermutlich waren wir ( mehr er als ich ) die ersten, die bei der Polizei protestiert haben warum man von bestimmten Gebäuden keine Fotos machen darf. Selbst ein Nachtwächter hätte beinahe das Vergnügen gehabt auf Zelluloid verewigt zu werden, wenn er nicht vorher die Laden zugeklappt hätte. In Beyoglu kam ich mir wie eine Japanerin in Istanbul vor. Unsere Laufgeschwindigkeit ähnelte sehr dem der Mehter Takimi. Wir sind zwei Schritte vor und drei wieder zurück, weil Mann ungefähr jedes zweite Gebäude auf dieser Straße ablichten wollte, dazwischen hat er sich dann in irgendwelche Geschäftseingänge gedrückt um auch sicher zu gehen, damit uns niemand folgt, weil Mann so viel Aufmerksamkeit erzeugt J.
Eigentlich ist Ottomans Orientierungssinn richtig gut, man darf nur nicht am ersten Abend losziehen – er braucht etwas Zeit um sich zu aklimatisieren. Daher haben wir die Strecke zu einem Restaurant die zu Fuß etwa 20 min dauern würde, in knapp einer Stunde bewältigt.