AW: Das Gehirn lernt mehrere Sprachen gleichzeitig
Kindern wird nachgesagt, dass sie Sprachen schneller und besser erlernen können. Im Gegensatz zu früher fängt ja schon z.B. der Englischunterricht (nicht nur Vokabeln) früh in der Grundschule an.
Sicherlich hat dies auch biologische Gründe. Erwachsene, die Probleme beim Erlernen einer Sprache haben, wälzen die Beschwerlickeit nur zu gerne auf das Alter ab. Hierbei finde ich ein paar Punkte interessant:
- Kinder sind naturgemäß in vielen Belangen in einer sehr, sehr großen Abhängigkeit zur Umwelt. Es existiert in ihrer Welt ein Leidensdruck, mit der Umwelt kommunizieren zu können, um die eigenen Bedürfnisse befriedigt zu sehen. Ein Grundschüler z.B. konnte wenige Jahre zuvor nur durch Laute auf die eigenen Grundbedürfnisse aufmerksam machen.
- Andererseits haben Erwachsene sehr viele Dinge um die Ohren. Statt nur einfach ausgedrückt aufstehen, anziehen, Zähne putzen, frühstücken, spielen sind es nach/während der Arbeit viele alltägliche Sorgen. => Konzentrationsfähigkeit zu einem Thema über einen bestimmten Zeitraum.
- Zeitfaktor: Das aufwachsende Kind, zuerst ohne richtige Sprache in unserem Sinne, strebt/kämpft (auch Stichwort Leidensdruck) um das Erlernen der Sprache etliche Stunden am Tag.
Ein Erwachsener ist ja schon stolz darauf, täglich vielleicht 60 Minuten eine Sprache zu üben. Das oben erwähnte Kind kommt auf das Mehrfache. Das Pensum entspricht dem Unterschied zwischen einem trainierenden Amateur und einem Profisportler.
- Praktisches Lernen: Eine Sprache, gut Fußball spielen etc. lernt man nicht primär mit einem Buch und einer beigelegten Tschaka-Du-schaffst-es-CD mit Bunti-Klicki-Klicki-Benutzeroberfläche.
Da muss man halt z.B. auf den Fußballplatz bzw. bei der Sprache hören/sprechen/Dialog mit realen Personen.
- Gerechtigkeit Da denken sich auch einige Studierende: Ich habe jetzt in einer Woche zehn Stunden zum Thema gelernt. Wenn das Ergebnis ausbleibt, ist es halt das Schicksal. Mehr kann man nicht tun. Alles unfair...
Es gibt aber einen Riesenunterschied, ob ich "gerechtigkeitserwartend" zehn Stunden in einem Grammatikbuch mit Aufgaben-CD büffel, oder ob ich z.B. zehn Stunden lang voller Lust:
- zwei Episoden einer Lieblingsserie zuerst in der Wunschsprache mit Untertiteln anhöre
- danach ohne Untertitel
- anschließend die Untertitel im z.B. srt-Format auf Papier ausdrucke und versuche, die Texte durchzugehen, zu verstehen und fremde Vokabel auswendig zu lernen
- danach wieder z.B. die zwei Episoden ohne Untertitel in der Wunschsprache anhöre
Es gibt natürlich hunderte verschiedene Methoden.
Nur ohne Leidenschaft, nur 60 Minuten Pflichtprogramm mit Trockenübungen usw. wird das am Ende nichts. Wäre ja auch unfair den kleinen Kindern gegenüber, die mit Leidenschaft stundenlang ihren praktischen Übungen nachgehen. Häufig mit Konzentration, ohne z.B. an die bevorstehende Einkommenssteuererklärung oder dem Besuch beim Steuerberater nachzudenken.
Was das Gehirn imstande ist, zeigte auch mal Giovanni Trapattoni, der in einem etwas höheren Alter Deutsche lernte und neue Wortschöpfungen in der Alltagssprache einführte:lol: