Der anzustrebende wirklich harmonische IDEALZUSTAND für die Menschheit

eruvaer

Well-Known Member
[...]

Was denkst Du eigentlich: hälst Du Manden nun für einen "glücklichen" Menschen oder bist Du mit der vermeintlichen Mehrheit der Ansicht, er sei ein Trottel, der sich einer sinnlosen Tätigkeit und Haltung verschrieben hat? Musst Du das überhaupt entscheiden?

[...]

Außerdem wollte ich ein wenig mit Eru plaudern, was ich zuletzt vermisst habe...
So hab ich das nun nicht gemeint.
Viel oberflächlicher, da ich selbst grade einer akuten Sisyphosarbeit nachgehe, ist mein Gehirn seit einigen Wochen im Erholungsurlaub. :)

Zum einen glaube ich, dass Manden sich sehr glücklich schätzt, diese Erleuchtung zu erleben. Zum anderen wird er diese Situation auch als tragisch empfinden, da er sie -scheinbar- nicht an den Mann bringen kann.
Der Teil den ich nun mit Sisyphos' "Arbeit" gleichsetzte, war der, unermüdlich immer genau dieselbe Tätigkeit immer auf genau dieselbe Weise zu wiederholen. Immer und immer wieder.
Der trauruge Teil (aus meiner Sicht) besteht darin, dass er scheinbar trotz der immer selben Ausführung immer wieder auf ein anderes Ergebnis hofft.
Und noch trauriger wird es, wenn man sich fragt woran er erkennen wird, dass ihn jemand verstanden hat, denn diese Fähigkeit sagt er der Menschheit scheinbar grundsätzlich ab. Nicht nur den Usern hier, nicht nur seinen Zeitgenossen, nein, allen die jemals waren und sein werden.
Und doch wiederholt er seine repetetive Tätigkeit immer und immer und immer wieder.

Er lässt sich nicht einmal darauf ein vom Weg ab zu kommen um neue Wege zu finden, seine spezielle Idee (die von aussen betrachtet auch in ihrer reduzieren Reinheit schon unendlich oft zuvor erdacht wurde) an den Mann zu bringen oder ggfs zu erkennen wie viel dieser Kernwahrheit in jedem Menschen, jedem Tier, jeder Philosophie und so auch in jeder seiner verfluchten Religionen zu finden ist.

Diesen Umstand mag ich persönlich darauf zurückführen, dass er so viele Jahrzehnte seines Lebens auf diese Erkenntnis verwandt hat, und diese Zeit nicht verschwendet sehen möchte. (Was sie ja nicht mal ist, da sie ihm etwas Neues brachte)
Das möchte ich aber gar nicht beurteilen. Ist nur eine steile These.

- Faden verloren -

Nun rollt er seinen Stein nicht nur in diesem Forum, sondern in vielen. Schreibt Flyer mit denen er die Nachbarschaft pflastert und verbreitet seinen Satz auch im privaten Umfeld.
Tut er letzteres so eintönig, wie hier, ohne Interesse an anderem Austausch mit den Unwürdigen, so würde diese ganze Geschichte noch etwas tragischer.

Seine Motivation in allen Ehren...aber einen Sinn verfolgt der rollende Stein so nicht.
Ein er seinen Satz kommunizieren möchte, verbreiten möchte, erleuchten möchte, so muss er kommunizieren. Tut er dies nicht, rollt er für immer seinen Stein.

Und hier möchte ich nicht einmal diese von vielen hier empfundene Sinnlosigkeit kritisieren, abgesehen davon, dass sie nervt ;)
Es wäre nur schön, wenn er sich diesem immer gleichen Ende bewusst wäre und er bewusst diesen Weg wählt, denn wenn er jedes mal die Hoffnung auf einen anderen Ausgang hat, so hat er auch jedes mal den Frust und die Enttäuschung über die Menschheit als Ergebnis, was jedoch nicht jedes mal bei Null anfängt und bei zehn endet, sondern sich unterschwellig aufaddiert, bis das Fass voll ist.

*edit:
ich freue mich immer von dir zu lesen, wie wäre es mit einem Diskussionsthread, der quer durch alle Themen diskutiert, wie die grade kommen?
 

eruvaer

Well-Known Member
Einer, der dennoch dieselbe Arbeit wieder und wieder verrichtet, wie hier @manden1804 , oder auch die, die ihm wieder und wieder sagen: „Lass es doch einfach!“ :p,
Das ist so. ;)
Aber betrachte das einmal auf unserer alle Leben bezogen.
Ob wir nun Präsident der vereinigten Staaten (früher klang das nach ertrag mächtigen, heute eher nach einem Witz), Astronaut oder Bäcker sind.
Wir tun jeden Tag mehr oder weniger dasselbe, mit schier winzigen Ergebnissen (global und zeitlich betrachtet) und doch gibt es glückliche unter uns.
Keiner hat mehr geschafft, als ein anderer, der vielleicht nur in einer Sandburg am Strand wohnt und Bücher liest.
Und doch geben wir unseren Leben mehr oder weniger Sinn, sind glücklich oder unglücklich, mehr oder weniger frustriert auf der Suche nach dem Sinn des Lebens oder glauben gar ihn zu kennen... Und es ändert nichts. Jeder von uns ist ein Sandkorn in der Existenz der Menschheit.
Ob wir nun heute Planeten besiedeln mit unseren Kindern, ob wir aussterben, ob wir Paläste schaffen, die Natur wie wir sie kennen zerstören oder ein globales Sozialsystem entwickeln...es verläuft doch irgendwann alles im Sand.

Jeder von uns ist Sisyphos.
Keiner mehr oder weniger als der andere. Am Ende unterscheidet uns nur unsere Einstellung dazu. Und auch die ändert nichts im Sand, nur für uns und unsere Kreise.

Dem Weltall Sinn abzutrotzen, von dem er weiß, daß es ihn nie geben wird.
Das Weltall hat keinen Sinn!?
Wie kommst du darauf?
Was, wenn es wirklich wie auf einzelnen Atomen, ein Molekül, ein Zellhaufen, ein Teil des großen ganzen ist?
Vielleicht gar ein Teil des physischen Körpers von Gott?
Ist es dann sinnloser, als unsere Sisyphosexistenz?
 

Zerd

Well-Known Member
Klasse. Ich bin hier anscheinend mal wieder der Oberklugscheisser. :) :D

Alu, auch Klugscheißern will gelernt sein. Das gelingt Dir mE noch nicht so gut. Guckst Du:

Was verstehst Du unter der Forderung "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen" im Kontext? Auf keinen Fall verstehe ich es so, dass Sisyphos zwangsläufig glücklich ist (im Sinne von "von Glückseligkeit erfüllt", wie wir es bislang vornehmlich verwendet haben und wie es wohl auch Camus meint; wohl aber im Sinne von "vom Schicksal" begünstigt). Denn wenn wir, wie Du ja auch sagst, davon ausgehen, dass Sisyphos für Camus als Metapher für jegliches menschliches Leben angesehen wird, würde das ja bedeuten, alle Menschen sind glücklich! Glaubst Du wirklich, dass er mit seiner Forderung das sagen wollte.

Ich denke, der grundsätzliche Fehler, den Du begehst, ist es, aus der Ablehnung einer Absolutheit eine andere Absolutheit zu fordern. Dieser Fehler ist nicht neu und wurde auch schon zu Zeiten der Existenzialisten diskutiert. Sartre postuliert in das Sein und das Nichts etwa, dass es das Ding an sich gar nicht gibt, sondern das Ding eine unendliche sogar beliebige Aneinanderreihung von Eigenschaften ist. Schon damals folgerten einige Leute daraus, dass wenn es das Ding an sich nicht gibt, es die Dinge ja gar nicht geben dürfte, wenn es die eine Wahrheit nicht gibt, dürfte es keine Wahrheit geben, wenn es keine eine Wirklichkeit gibt, kann es gar keine Wirklichkeit geben, usw.

Genau das Gegenteil ist aber der Fall: wenn es das Ding an sich nicht gibt, werden aus dem einen Ding viele verschiedene Dinge, je nachdem welche Eigenschaften in welcher Reihenfolge der Mensch aneinanderreiht. Wenn es die eine Wahrheit nicht gibt, gibt es dennoch die Wahrheit(en) des Einzelnen. Genauso bei der Wirklichkeit und der Welt.

Der Mensch erkennt, dass das Leben keinen absoluten Sinn an sich hat. Er nimmt diese Erkenntnis an und gibt seinem Leben gerade dadurch seinen eigenen Sinn, dass er sich sein Schicksal aneignet, es zu seinem eigenen macht. Darin besteht gerade seine Revolte gegen die absolute Sinnlosigkeit, in seinem ganz eigenen Sinn, seiner eigenen Freiheit, das zu tun.

Die Überwindung absoluter Ansprüche war das Kernthema der Philosophie des 20. Jhds, seien es die Phänomenologen, die Existenzialisten, die Anhänger der Kritischen Theorie, die Strukturalisten oder erst recht die postmodernen Denker. Viele Menschen, deren Denken noch modern geprägt ist, haben Schwierigkeiten mit diesem Konzept, weil sie, selbst wenn sie die Ablehnung des Absoluten zunächst einmal mitgehen, gleich darauf wieder bei einer absoluten Aussage landen, zBsp wie Du es bei Sisyphos tust: wenn es den absoluten Sinn nicht geben kann, dann kann es auch keinen Sinn geben, den der Mensch seinem Leben gibt.

Für mich ist Camus' Forderung vergleichbar mit Nietzsches Forderung nach dem Amor Fati: es ist unser einziges Leben, sodass uns gar keine andere Wahl bleibt, als es zu lieben. Das bedeutet auch nicht, dass jeder Mensch sein Leben liebt, sondern nur, dass er dazu fähig ist und es sollte. Auch Sisyphos ist nicht zwangsläufig glücklich, sondern erst dadurch, dass er sein Schicksal, was es auch sein mag, annimmt und es zu seinem eigenen macht, zu seinem ganz eigenen Sinn oder dem Sinn seines eigenen Lebens. Das widerspricht in keinster Weise der Ablehnung eines absoluten Sinns eines jeden Lebens.

Für mich wäre Camus' Sisyphos-Konzept ohne diesen Sinnaspekt in keinster Weise nachvollziehbar, es wäre nicht vollständig: was bewirkt denn die Annahme und Aneignung des eigenen Schicksals, wenn nicht die Schöpfung eines eigenen Sinns? Was wäre denn die einzig denkbare Revolte gegen die absolute Sinnlosigkeit, wenn nicht der eigene Sinn? Wenn der Mensch mit der Sinnlosigkeit zurecht käme, dann bräuchte er sich ja schon an der absoluten Sinnlosigkeit nicht zu stören und darauf durch Annahme und Aneignung des eigenen Schicksals zu reagieren. Welche Veranlassung hätte er?!
 

Zerd

Well-Known Member
*edit:
ich freue mich immer von dir zu lesen, wie wäre es mit einem Diskussionsthread, der quer durch alle Themen diskutiert, wie die grade kommen?

Das tue ich doch immer, liebe Eru, soweit mir die Zeit dazu bleibt. Auch hier geht es mir ja nicht vornehmlich um Manden und seine Thesen, sondern eher um Dich und Deine Verwendung der Sisyphos Metapher. Wie wäre es zBsp, wenn Du Manden und seine Texte als Deinen Felsen betrachtest. Überleg Dir doch mal, iwe Du mit ihm umgehen würdest oder könntest, wenn er und seine Texte das Einzige wären, mit dem Du zu tun hättest bzw. das Du zu tun hättest.

Ich vermisse das Plaudern wirklich, aber es fehlt mir leider die Zeit, das regelmässig zu tun. Selbst heute müsste ich die ganze Nacht eigentlich durcharbeiten und vor allem dieser erhöhte Stress führt mich in diese Gefilde.

Wenn ich Manden als meinen Fels ansehen wollte, würde ich mich zunächst einmal fragen, ob ich es besser fände, dass ein Mensch sich überhaupt keine Gedanken über das Leben und Zusammenleben, das Denken und die Moral macht, und stattdessen einfach nur seinem Hedonismus frönt und konsumiert und nachplappert; oder dass es sich Gedanken macht und verhält wie Manden? Meine Antwort wäre eindeutig.

Dann würde ich mich fragen, ob und unter welchen Umständen ich auch (oder meinetwegen auch "selbst") Manden schätzen könnte. Und da fiele mir dann sofort ein, dass ich dank ihm und seiner Texte gerade eine ganz angenehme Unterhaltung mit Alu oder Eru führe.

Ich denke, das ist gar nicht so schwer und dafür muss ich mir auch nicht das geringste Urteil über die Person hinter Manden bilden, es passt doch auch so schon alles.

Seit über vier Wochen springt mein Auto nicht mehr an. Es liegt wohl am Anlasser, der trotz voller Batterie nicht genügend Saft erhält. Ich bin hin und hergerissen zwischen den Überlegungen, vielleicht ganz ohne Auto auszukommen, es reparieren zu lassen oder vielleicht mir sogar ein ganz Neues anzuschaffen. Und da ich nicht allzu viel Zeit habe, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, könnte dieser Zustand noch ein halbes Jahr andauern. Das könnte durchaus noch zu mancher Diskussion auf TT führen.

Verstehst Du eigentlich Türkisch, Eru. Ich frage deshalb, weil mit beim Schreiben immer wieder mal ein türkischer Spruch einfällt, den ich zum Besten geben würde (jetzt nicht gerade!), ich dafür aber wissen müsste, ob der Empfänger das auch versteht.

Wo soll das nur hinführen, liebe Eru? Die Menschen werden immer mehr, die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander, der Konsum und der Raubbau an den Rohstoffen geht unvermindert weiter und nirgendwo ist ein Konzept in Sicht, wo das wohl alles hinführen könnte. Wie reagiert man auf so eine Situation, sowohl gedanklich als auch menschlich? Was würde Sisyphos tun, das alles anzunehmen und ihm einen Sinn zu geben?
 

Alubehütet

Well-Known Member
Hallo, lieber @Zerd !

Wie Du ersiehst, bin auch ich derzeit wieder Nachtarbeiter. Und ziemlich überrascht, ungewohnt so gefordert zu werden. Und das hier ;) – Hm, Sartre, Camus, das ist nun schon so lange her, wann habe ich die roten rororos zuletzt in den Fingern gehabt? Und dabei hatte ich die Franzosen immer sehr geschätzt, weil sie nichts schwieriger machten, als unbedingt nötig, anders als oft etwa Jaspers, wo mir Aufwand und möglicher Ertrag doch oft in keinem günstigen Verhältnis schien. Aber Camus, verschiedenes ließ sich im Sommer ja durchaus auch im Park lesen und verstehen. :)

Leider hätte ich ja jetzt doch gerne eine gescheite Tastatur; ein Tablet ist für mich mehr zum konsumieren, mich da noch mal umzuschulen auf Produktivität, flinkes Zweifingertippen, wie die Teenies im Bus heute schneller können als jede Sekretärin ... Aber Zeit, die finde ich gerade! :)


*

Ich kann kein französisch, aber mit „glücklich“ wird Camus wohl kaum gemeint haben, was uns vor einiger Zeit im Radio als „I'm so happy“ vorgeplärrt wurde. Wird schon eher gehen um ein „zufrieden“, um eine Befriedigung über ein irgendwie dann doch gelingendes Leben. Und, nein, wenn das alle Menschen auch noch so erlebten, da müßte er kein Buch drüber schreiben, dann hätten wir kein Problem. Vielmehr ist ja die Ausgangsfrage, ob, wenn man sich erkennt in der Situation des Sisyphos, man sich nicht auch gleich die Kugel geben könne, ja, sogar müsse. Die einzig philosophische Frage sei der Selbstmord; alles andere käme hinterher, oder sei Ausflucht.

Gemeinsam ist uns Menschen die Situation des Sisyphos. Müssen wir uns jetzt die Kugel geben? Auch sinnbildlich: Indem wir fliehen vor dieser Möglichkeit, Ausflüchte suchen, Zuflucht nehmen? Indem wir etwa wieder zurück springen in den Kinderglauben, den „Sprung“ Kierkegaards wagen, den Camus aber den „intellektuellen Selbstmord“ nennt? Wir glauben wieder, weil wir nicht die Situation glauben wollen, von der wir wissen oder wissen müssten, weil wir sie nicht aushalten können – auszuhalten zu können vermeinen. Oder doch? Gibt es einen Gedanken, der uns am Ende Sisyphos doch als glücklichen Menschen vorstellen läßt?

Und da habe ich Camus nicht so im Sinn: Die Alternative zur absoluten Sinnlosigkeit menschlichen Tuns sei der relative Sinn; gäbe es nicht „die“ Wahrheit des Lebens, so könnte ich doch „meine“ Wahrheit oder die Wahrheit meines Lebens zumindest sei es finden, sei es erschaffen. Natürlich. Der Sinn des Lebens eines Jimi Hendrix war es, Gitarre zu spielen; der Sinn eines anderen mag es sein, einen Beruf zu erlernen, ein Mädchen zu finden; wieder ein anderer widmet sein Leben dem Gott, an dem er glaubt, wird Priester oder Mönch. Wieder ein anderer findet im Laufe seines Lebens mehrere Wahrheiten; wird Manager, später Wohltäter, irgendwann Großvater, wie er seinem Sohn ein Vater zu sein die Zeit nicht für fand. Einer wird eine verkrachte Existenz im Mühen, ein großer Künstler zu werden, der er nicht ist; wird Boheme, wird Trinker, kriegt aber doch noch eine Kurve und wird ein leidlich zufriedener Nachtwächter. Dann mag man natürlich dem Leben die Zunge rausstrecken dürfen: Ha! Du hast mir keinen Sinn geboten! Nicht nicht geben wollen oder nicht geben können, Du hast nie einen gehabt! Ich habe ihn mir aber trotzdem genommen, den Sinn meines Lebens deiner Sinnlosigkeit abgetrotzt!

Das mag gelingen. Das aber steht nicht in unserem Vermögen, steht nicht in unserer Macht. Und dafür steht Sisyphos ja auch nicht.

Sisyphos steht, so wie ich das verstehe, doch vielmehr für die Möglichkeit, die zu Beginn eines jeden Lebens steht, nämlich daß nichts gelingt. Einer gar nichts auf die Kette kriegt. Nicht, weil er etwa nicht lebensfähig wäre; der wäre Gegenstand nicht der Philosophie, sondern der Psychologie.

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.

Warum, sei jetzt dahingestellt, denn die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Das ist ja doch mehr Sartre: Ich dreh jetzt mein Ding, ich ziehe mein Ding jetzt durch, come what may, die können mich mal, ich kann ja gar nicht anders, und wenn ich bei drauf gehe, dann ist dem eben so. Soldaten wie Gefangene in Tote ohne Begräbnis, die gleichermaßen konfrontiert sind mit der vielleicht völligen Sinnlosigkeit ihres Handelns durch das möglicherweise bevorstehende Ende ihres Lebens, das nicht sie entscheiden, und die sich je auf ihre Weise ihre Freiheit erhalten, ertrotzen.

Camus ist dagegen doch der, der in der Pest bemerkt, daß das eben auch gar nicht möglich ist: Den Liebenden, die durch die Quarantänemauer der Stadt Oran getrennt werden. Und die selbstverständlich versuchen, ihre Liebe durchzuhalten. Briefe schreiben. Aneinander Anteil nehmen. Was die wirkliche, physische Präsenz ersetzt. Aber irgendwann erfahren sie, wie das Ritual des Briefeschreibens längst die Anteilnahme durch das Briefeschreiben ersetzt hat. Dann merken sie, daß sie auch gar keine Briefe mehr schreiben, sondern Tagebücher zur Kenntnisnahme einander übersenden. (Wie mir überhaupt die Existenzialisten Bühne und Roman das Labor der Soziologen ersetzen: Man spielt durch, ob eine Theorie glaubhaft an Personen in Situationen durchgehalten kann. Noch anders als das didaktische Lehrtheater Brechts.)

Hm, Camus und Brecht: Ich assoziierte gerade Sisyphos mit der Mutter Courage. Die wieder und wieder ihren Karren aufnimmt und zieht, und wieder aufnimmt und wieder zieht. (Was ja ein gigantisches, unvermeidliches Missverständnis ist. Brecht meinte ja das Gegenteil: Warum lehnt die Frau sich denn nicht auf? Warum macht sie immer nur weiter? Tut, als wäre nichts geschehen? Sie kommt doch überhaupt nicht von der Stelle! Da, auf der Drehbühne! Die Brecht ja eigens für sie erfunden hat! Um allen anschaulich zu zeigen: Die kommt doch keinen Meter weiter! Trotz all ihren Mühens! – Das Publikum aber versteht nicht Brecht, sondern Muttchen Sisyphos :) Was Brecht ja meinte: Hätte sie von Anfang an aufbegehrt gegen den Krieg, sie hätte ja nicht mehr verlieren können, als sie durch ihr mitlaufendes Mittun am Ende verloren hat.)

Sisyphos: Es ist ja kein trotz allen widrigen und auch leidvollen Umständen gelingendes Leben. Und nicht einmal ein grandioses, großes, heroisches Scheitern. Es ist ein klägliches, jammervolles, schmähliches Scheitern. Und das wieder und wieder. In dem Wissen: Und ich werde noch einmal scheitern. Und immer wieder. Nicht das Scheitern des neurotischen Jammerlappens, eines für das Leben zu weichen Menschen. Das Scheitern eines Heros.

Ob @manden1804 ein solcher Heros ist? o_O
 

Alubehütet

Well-Known Member
@eruvaer Daß das Weltall keinen Sinn habe, das ist nicht meine These. Da hoffe ich, Camus richtig wiederzugeben.

Allerdings ist damit zu rechnen, daß er Recht haben könnte. Wir können es nicht besser wissen, anders, als @manden1804 glaubt. Wir dürfen das glauben. Aber wir können es nicht wissen, gegenwärtig.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Ich weiß jetzt gerade nicht mehr, wie Camus das sieht.

Aber eine Pointe ist ja, daß Sisyphos sein Schicksal eben nicht annimmt. Auf sich nimmt. Sich irgendwie hineinfügt, es lieben lernt.

Er findet sein Schicksal ja nicht vor, als unveränderlich gegebenes. Wie ein Ödipus.

Mit seinen bewussten Frevel gegen die Götter, gar gegen Thanatos (dem Tod), SCHAFFT er sich sein Schicksal willentlich. Bei Camus ist ja immer auch schon der Gedanke der Revolte mitgedacht.

Und jedes Mal, wenn er seinen Berg wieder heruntergeht, seinem Stein folgend, denkt er sich: Gut so! Richtig so!
 
Zuletzt bearbeitet:

Alubehütet

Well-Known Member
Und da ist @manden1804 ihm schon näher, als mir klar war.

Es ist ja nicht so, daß er das tragische Schicksal hat, daß er nach langem Mühen eine grandiose, für die Menschheit ungeheuer wichtige Erkenntnis gewonnen habe, und die Menschen hören ihm nicht zu. Nicht mal, weil sie zu doof sind, sondern weil sie zu unwillig sind, zu desinteressiert, zu sehr dem Alltag verfallen.

Sondern wie Eru ja richtig erfasst: Er schafft sich ja selber diese Nicht-Kommunikations-Situation.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Was denkst Du eigentlich: hälst Du Manden nun für einen "glücklichen" Menschen oder bist Du mit der vermeintlichen Mehrheit der Ansicht, er sei ein Trottel, der sich einer sinnlosen Tätigkeit und Haltung verschrieben hat? Musst Du das überhaupt entscheiden?
Ich habe zu @manden1804 immer weniger eine Meinung. Muß aber zugeben, daß ich auch das Interesse verliere, weil zumindest ich ihn nicht einmal verstehen kann, geschweige denn, daß er mich oder ich ihn ein wenig weiterbrächte.
Mich interessieren allgemeine Assoziationen und Mehrheitsmeinungen nicht allzu sehr. Erst gestern habe ich darüber gesprochen, dass das Denken in unserer Zeit aus der Mode gekommen ist. Ein Grund dafür ist meiner Meinung auch, dass in einer immer komplexer werdenden Welt die Menschen immer mehr dazu neigen, gesellschaftlich verdichtete Meinungen und Haltungen einfach zu übernehmen, ohne sich ihre eigenen Gedanken darüber zu machen.
Ich habe gegen das Argument, das mir in verschiedensten Zusammenhängen wiederbegegnet, inzwischen einen grundlegenden Einwand: Wir leben nun einmal in einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft. Und haben über unsere gesellschaftlichen und familiären Verpflichtungen hinaus nur begrenzte Ressourcen. Wenn ich meinen Job einigermaßen ordentlich mache, dann habe ich den Anspruch, daß andere auch den ihren ordentlich machen, und mich ordentlich beliefern. Ich kann mich nicht um alles kümmern.

Ich find das so unfair von der FDP, wenn sie sagt, wer sich nicht um seine Altersversorgung selbstständig kümmert, der drücke sich vor seiner Eigenverantwortung. Nix. Da eine für mich passende Altersversorgung auszubldowern, das ist ein Ausbildungsberuf für sich. Wenn ich eine ordentliche Ausbildung mache, mit der dann eine ordentliche Arbeit abliefere, inzwischen auch noch Weiterbildungen machen und mir auch noch immer wieder mal neue Anstellungen suchen muß – nicht wie mein Vater, der von 16 bis 63 in einer Firma war –, dann ist es der Job der Politik, sich um meine Rente zu bekümmern. Was DIE machen, das ist Leistungsverweigerung, SO sieht das aus.

Genau so habe ich auch den Anspruch, daß Journalisten ihre Arbeit ordentlich machen und mir, natürlich sehr vereinfacht, von der Welt erklären, was ich wissen muß, um einigermaßen orientiert zu sein. Da habe ich Anspruch drauf, mich Meinungen „meiner“ Leute anschließen zu dürfen: Der Bundestagsabgeordnete im Sozialausschuss verlässt sich ja auch darauf, daß sein Kollege aus seiner Partei im Verteidigungsausschuss einen guten Job macht sowohl in seiner Urteilsbildung wie auch im Aushandeln verschiedener Interessen. Genauso möchte ich erwarten dürfen, daß ich von den Profis der Zeitung meines Vertrauens und oft meiner Meinung ordentlich in meinem Sinne und Interesse informiert werde, ja, und auch meinungsbildende Angebote, Argumente erhalte. Was ja nicht heißt, daß ich alles nachbete, oder auch nur alles glaube.

Ich finde das nicht nett, den Menschen immer gleich Denkfaulheit zu unterstellen. So geht Ökonomie in einer Welt, wo nicht mehr jeder seinen Subsistenzbauernhof betreibt.

Und wir machen gegenwärtig ja eine gegenteilige Erfahrung: Immer mehr Menschen haben den Eindruck, daß sie nicht mehr ordentlich unterrichtet werden; können das fallweise im Internet inzwischen überprüfen, und trauen niemanden mehr. Naja, momentan landen sie in Echokammern, sich rückkoppelnden und selbstverstärkenden Facebook-Haßgruppen.
 
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