Erdo, Emi und die Okupanten

  • Ersteller des Themas Mein_Ingomann
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Flammberg

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Was Zerd im vierten Beitrag geschrieben hat, war eindeutig ein sarkastischer Hieb gegen Mert90 und seinen Beitrag Nummer Fünf, in dem er zuvor durch seinen Rat, es wäre besser, das Maul nicht so weit aufzumachen und den man nicht nur als Aufruf zum Duckmäusertum verstehen konnte, sondern der auch ein Versuch war, die Freiheit der Rede in einem demokratischen Land wie Deutschland und die vom Internet gewährte Redefreiheit mit dem unterschwelligen Hinweis zu beschneiden, es könnte sich für den leichtfertigen Schreiber irgendwann negativ auszahlen.
Zerds Beitrag war unverkennbar beißender Spott gegen Mert90, von „Turkish Talk” als solcher verstanden und entsprechend geschätzt, von zwei anderen wohl mißgeschicklich gemocht — vielleicht, weil sie nicht schlau genug waren, zu müde oder sonstwie „versehentlich” auf den „ Like”-Schalter geklickt hatten.

Das Problem, das solchen Verspottungen, die sich des Kunstgriffes der bewußten Verzerrung der Tatsachen anhaftet (beispielsweise die, Mert90 und dessen negativer Einstellung über die hier gegen die türkische Regierung Diskutierenden spöttisch schmeichelnde Behauptung, die Politik wäre nicht unbedingt das Steckenpferd der Diskutanten — was ja so eindeutig falsch ist, daß es eigentlich jedem als Spott hätte anklingen müssen) ist, daß sie — einmal aus dem Kontext der sich in einer Diskussion immer ergebenden Reihenfolge herausgelöst — so da stehen und der Charakter der Satiere damit leicht verloren geht, von einfachen Gemütern sogar als Bekräftigung ihrer eigenen Ansicht verstanden werden.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig aufklären, ohne selbst etwas durcheinandergebracht zu haben.
 

Flammberg

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„Das Problem, das solchen Verspottungen, die sich des Kunstgriffes der bewußten Verzerrung der Tatsachen anhaftet...”

sollte heißen:

„Das Problem, das solchen Verspottungen, die sich des Kunstgriffes der bewußten Verzerrung der Tatsachen bedienen, anhaftet...”
 

Zerd

Well-Known Member
Was Zerd im vierten Beitrag geschrieben hat, war eindeutig...

Flammberg, Dein Beitrag schmeichelt mir natürlich, vielen Dank, aber ich kann beim besten Willen nicht beurteilen, ob er meinem Beitrag oder mein Beitrag Deiner Interpretation gerecht wird (insofern wäre auch Dein Beitrag eine sehr gelungene Satire, wenn es denn so gedacht war!).

In der Regel bin ich so sehr um eine klare Ausdrucksweise bemüht und nehme meine Gesprächspartner so ernst, dass ich mich sehr schwer damit tue, Ironie in Beiträgen zu erkennen oder selbst sie anzuwenden.Was ich nur mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich nicht die Absicht hatte, irgendjemandem bewusst zu nahe zu treten oder gar schlimmeres, weder Mert, noch dem AUtor der Geschichte und auch nicht den übrigen Usern.

Die Hauptthemen des Forums sind den Usern hinlänglich bekannt und weder die Politik noch die Philosophie gehören da unbedingt dazu. Dies bringt es eben mit sich, dass diese Themen sehr häufig nur ideologie- oder klischeebehaftet diskutiert werden. An dieser Feststellung, die ich schon mehrfach in den Raum gestellt habe, finde ich überhaupt nichts herabsetzendes oder vorwurfsvolles. Meine Güte, ich bin genauso unbeleckt in vielen Themen und Lebensbereichen, das ist doch völlig in Ordnung so.

Mir ist es wichtig, dass die Leute um all die diskutierten Themen herum nicht den eigentlichen Anlass vergessen, sich hier einzufinden. Und der ist gewiss nicht, sich virtuell die Köpfe einzuschlagen oder Beleidigungen auszutauschen. Davon gehe ich einfach mal aus...
 
M

Mein_Ingomann

Guest
Elegant setzte die Turk Force One auf der Landebahn des (noch) Atatürk Flughafens auf. Als die Maschine ausgerollt ist treten der Pilot, der Copilot und die gesamte Crew in den Gang und applaudieren. Der Kapitän bedankt sich bei Erdo für die gelungene Landung und löst dabei mit sanfter Gewalt dessen Finger von dem Steuerknüppel, der an seinem Sitz montiert ist. Bereits seit 10 Jahren war es ein wohlgehütetes Geheimnis unter den Flugbereitschaften aller Turkish Airline Crews, dass Erdo die Maschine "flog" wenn er an Bord war. Anders war es kaum möglich ihn aus dem Cockpit herauszuhalten, wo er an den Instrumenten herumdrehte, in den Funkverkehr eingriff oder verlangte, das man einen Looping flog, weil er Geburtstag hatte.

Schon der Start war schwierig gewesen. Nachdem der marokkanische König ihn nicht zum Tee eingeladen hatte war Erdos Laune in den Keller gesackt. Unverzüglich hatte er eine Leitung zum NATO Hauptquartier verlangt, aber Rasmussen, dieses Weichei, hatte es schlichtweg verweigert den Bündnisfall auszurufen und diesem Aristokraten - Azubi zu zeigen wo der Hammer hängt. Auf Schlagzeilen wie "Erdo nicht bei Mohammed willkommen" konnte er wirklich verzichten. Selbst Angela hatte ihn ihm Stich gelassen. "Was? Die Patriot Raketen umdrehen? Nee, nee mein Guddster, das geht nicht. Aber ich kann dir Guido als unbemannte Drohne zur Aufklärung schicken, den vermisst hier sowieso keiner. hihihi."

Wozu hatte man NATO Basen und deutsche Wehrtechnik im Land, wenn man sie nicht benutzen durfte?! Aber die würden sich noch umgucken, wenn erst die glorreiche osmanische Armee wieder in Lohn und Brot war. König von Marokko? Pah! Er war Herrscher, Kaiser, König aller Türken. Na ja, vielleicht nicht aller Türken. Aber doch der meisten. Oder zumindest von 50% , also fast 2/3 und der Rest zählte sowieso nicht. In dieser Stimmungslage hatte die Crew einiges zu ertragen gehabt, aber nun waren sie sicher gelandet und alle lächelten sich zu.

Nur Emi lächelte nicht. Ihre Visagistiin war gerade dabei ihr den Lippenstift und das dezente Make Up aufzutragen, auf das die First Lady während der Flüge verzichten musste. Anfangs hatte sie sich gegen diese Auflagen gewehrt: Keine Schminke, keinen kurzen Rock -nicht mal auf Langstreckenflügen. Doch es diente der Flugsicherheit. Erdo hatte ihr die Studie des Qatar United Airline Trust of Securitie & Health (Q.U.A.T.S.C.H) gezeigt aus der glasklar hervorging, dass Maschinen mit weiblichen Crewmitgliedern, die geschminkt waren oder kurze Röcke trugen, ein 20% höheres Risiko hatten entführt zu werden, abzustürzen oder in Hochhäuser zu fliegen als andere. Fakten waren eben Fakten. Im Ausgleich hatte sie dafür gesorgt, dass das weibliche Flugpersonal der Turk Force One den Charme von russischen Kugelstosserinnen verströmte.

Flinke Hände hatten derweil die Gangway heran- und den roten Teppich ausgerollt an dessen Ende tausende begeisterte Erdo Fans auf die Rückkehr ihres Idols warteten. Mit einem zufrieden Lächeln blickte Erdo auf die Szene. Die Trennung hatte ihnen gutgetan. Wenn man mal rauskam, die Dinge von Oben und aus einer anderen Perspektive betrachte, kam man zu neuen Einsichten. Er hatte über die Dinge nachgedacht und war nach vielem Abwägen zu dem Schluss gekommen, dass seine Politik künftig von 3 klaren Prämissen getragen würde.
1) Er hatte recht.
2) Er hatte nichts falsch gemacht.
3) Proteste sind generell erlaubt, aber nicht jetzt und nicht gegen ihn.

Dieser Entschluss war nicht leicht gewesen, aber man musste als Landesvater auch mal Abstriche machen. Nachdem sich die Crew bei ihnen verabschiedet hatte, schritten sie die Front ihrer Anhänger ab, Erdo hielt eine kurze Rede und dann zogen sie im Triumphzug durch die Stadt Richtung Regierungsviertel. Seltsamerweise dauerte die Fahrt erheblich länger als sonst, weil sie etliche Umwege nehmen mussten. Sein Polizeichef erklärte ihm, das läge an den üblichen Baustellen und begeisterten Kundgebungen, die aus Anlass seiner Rückkehr überall stattfänden. Immer wenn sie an einigen Gruppen begeisterter Menschen vorbeikamen drückten die Fahrer aufs Gas und machten Tempo. Man könne sich jetzt nicht damit aufhalten, wichtige Regierungsgeschäfte warteten, erklärte ihm sein Berater.

Trotzdem fiel ihm eine Gruppe von Leuten auf. Sie schienen hier und dort hinzuwuseln und immer wieder das gleiche Transparent hochzuhalten. Was darauf stand konnte er so schnell nicht erfassen. Erst als der Konvoi in das Regierungsviertel einbog tauchte die bunte Gruppe schon wieder auf und entrollte ihr Transparent. Jetzt konnte er es deutlich sehen:
"Lasst uns in Liebe leben. Niemand überlebt die Welt." stand darauf.

Das kam ihm bekannt vor. Wo hatte er das zuletzt gelesen?
 
M

Mein_Ingomann

Guest
Nur in eine grosse türkische Fahne gehüllt stand er wieder vor dem Doppelspiegel und übte seine Ansprache. "Ausländische Marodeure, unpatriotische Agenten und ..." Nein. Das war nicht dramatisch genug. Er straffte sich, nahm eine Banane aus der Silberschale vom Nachttisch, reckte sie in die Höhe und wollte gerade von neuem ansetzen als er vor seinem Spiegelbild erstarrte: DAS war es! Der endgültge Entwurf. Eine Vision, eine Eingebung. Eine Insel, eine künstliche Insel mitten im Bosporus, darauf seine Statue. Gewandet in die türkische Flagge, eine Krone auf dem Kopf und die leuchtende Fackel des Osmanentums in der hochgereckten Faust. Den einlaufenden Schiffen heimleuchtend und den auslaufenden Schiffen ein Licht hinterherwerfend. Einmalig. So etwas gab es noch nicht. Der Gedanke erregte ihn, langsam hob sich der Fahnenmast.

"Errrdo... Erdoooo!" Oh, nein... Nicht jetzt! Hastig tauschte er die Flagge gegen einen Bademantel und die Banane gegen einen Aktenordner. Da stürmte Emi auch schon herein:
"Schnell, ein Anruf. ER ist dran!" Um diese Zeit? Dann musste es dringend sein. Gemeinsam rannten sie in sein Büro. Er holte tief Luft, dann nahm er den Hörer. "Mr. President?"
"Hi, Erdo - Babe. How are you? We dislike your troubles on Taksim Place. We wollen kein second fu**ing Syrien da unten bei euch. Und Michelle want's do some shopping nächste Woche in the new Gezi - Shopping Mall. Hast du die Lage under control oder must I send some Militärberaters?!"
"No ääh yes! Mr. President, everything is under control. " Mit der freien Hand bedeutete er Emi ihm seine Beruhigungstabletten zu reichen.

"Fine... aber if not: Do you know PRISM...?"
"P-p -prison...?" Fahrig schluckte er eine handvoll Tabletten und würgte sie trocken herunter. Bilder aus Guantanamo zogen durch seinen Kopf.
"No. P-R-I-S-M. It's a very effectiv Program. We have all your emails and personal pictures. Do you remember the EU Beitrittsgespräche in Rome? Is it you neben Silvio and all the naked girls in the Bunga - Bunga Pool?" Hastig schaltete er den Lautsprecher aus, aber es war bereits zu spät. Emi blitzte ihn wütend an. Das würde ein Nachspiel haben.
"Mr. President...das waren only the Synchrondolmetscherinnen. "
"Guido and Angela told me aber was anderes. How ever. Clean up the mess and bring Ruhe ins Land. We don't need an other Democracy movement in der Region."
"Aber mit Democracy hat das nothing to do, das sind alles foreign agents and..."
"Shut up! Wenn das alles foreign agents wären - I would know it. Michelle liegt mir seit days in the ears mit she wants Shopping in Istanbul. So, hurry up! It's a matter of nationale Sicherheit. "

Damit war das Gespräch beendet. Noch bevor Emi etwas sagen konnte, hatte er de Nummer des Polizeichefs gewählt und die umgehende Räumung des Taksim Platzes angeordnet. Mit allen Mitteln und so schnell wie möglich. Es ging um die nationale Sicherheit! Aus den Augenwinkeln sah er wie Emi nach dem Kerzenständer aus massivem Messing griff. "EU Beitrittsgespräche, so so. Silvio. Bunga- BUNGA" zischte sie, während sie zum ersten Schlag ausholte.

Notdürftig schützte er seinen Kopf mit dem Bademantel und rannte die langen Gänge zurück zu seinem Doppelspiegel. Mit Sodbrennen im Hals von den Tabletten, den Bademantel wie einen Turban um den Kopf geschlungen, verzweifelt ihren Attacken ausweichend, war selbst der Fahnenhalter unter Halbmast gesunken. Dem besten Regierungschef aller Zeiten nicht würdig trat er fluchtartig den Rückzug an. Jetzt ging es wirklich um seine nationale Sicherheit.
Das würden ihm diese Okupanten büssen!
 
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Mein_Ingomann

Guest
Vor ihm wogte die Menge, nur mit Mühe gelang es einer Sondereinheit der Polizei einen schmalen Gang vor der Bühne freizuhalten. Der Gezi Park war gesteckt voll mit begeisterten Menschen. Bis über den Taksim Platz und die angrenzenden Strassen erstreckten sich die Massen. Der Verkehr war bereits am Vormittag zusammen gebrochen. Jetzt ging in der Innenstadt gar nichts mehr. Zwischen den Menschen standen Wasserwerfer und einige Dutzend Hundertschaften Bereitschaftspolizei.

"Freunde, Bürger, Schwestern und Brüder," begann er. Unbeschreiblicher Jubel brandete auf. Erdo Plakate und Transparente wurden gereckt. Ernst schauten die Polizisten in die Menge.Langsam ebbte die Begeisterung ab.

"Angst, Krawall, Provokation -dafür stand A.K.P. Doch das ist Geschichte." Frenetischer Beifall. "Ihr wisst, dass ich nie die Absicht hatte hier in diesem herrlichen Park ein Einkaufzentrum in einer alten Kaserne zu bauen. Doch diese List war nötig, um die radikalen und undemokratischen Kräfte in der Regierung zu entlarven." Rasende Begeisterung schlug ihm entgegen. Emi trat an seine Seite, sie trug ein kurzes Sommerkleid und ihr offenes Haar viel in dichten Locken über ihre Schultern.Sie sah hinreissend aus.

"Erdo for President" skandierte die Menge. Potraits von ihm und Emi schwebten über den Platz, Transparente verkündeten "CSD 2014 in Ankara" "Demokratie lebt" "Taksim ist überall"! Eine bunte Mischung aus allen Teilen der türkischen Bevölkerung war hier versammelt, keine einheitlichen Parteisoldaten.
Mit einer Handbewegung beruhigte er die Menschen.

"Jetzt, wo die radikalen Kräfte hinter Schloss und Riegel sitzen und zur Verantwortung gezogen werden, können wir die moderne Türkei aufbauen. Nächsten Monat sind Neuwahlen angesetzt. Alle zum Schein verhafteten Demonstranten werden umgehend freigelassen und alle Verletzten entschädigt. Die Mörder der getöteten Protestler erwartet ein ordentliches Gerichtsverfahren. " Dem betroffenen Schweigen folgte langanhaltender Applaus. Dann wurden die Namen derer verlesen, die während der Demonstrationen ums Leben kamen.

Nach einer Schweigeminute fuhr er fort: "Frauen, Männer, Imame und Imaminnen, Schwestern und Brüder -wir brauchen euch alle!" Er wandte sich zu den Kameras von Reuters, BBC, diversen Online Portalen und freien Radiosendern:
"Seht auf diesen Platz: Hier seht ihr die wahre Türkei!" Diesen Satz wiederholte er dann noch einmal auf kurdisch.

Jetzt kannte der Jubel keine Grenzen mehr, Menschen fielen sich in die Arme, Polizisten liessen Helme und Gummiknüppel fallen, kleine Kinder streuten Blumen und aus den Wasserwerfern sprudelten Bier und Sekt. Eine gänzlich durchfeuchtete Menge tanzte und lachte vor den Augen der ganzen Welt.

"Errrdo....Erdooo! Du klaust mir die Bettdecke!"

Schweisnass erwachte er. Was für ein Alptraum!
 
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