Elegant setzte die Turk Force One auf der Landebahn des (noch) Atatürk Flughafens auf. Als die Maschine ausgerollt ist treten der Pilot, der Copilot und die gesamte Crew in den Gang und applaudieren. Der Kapitän bedankt sich bei Erdo für die gelungene Landung und löst dabei mit sanfter Gewalt dessen Finger von dem Steuerknüppel, der an seinem Sitz montiert ist. Bereits seit 10 Jahren war es ein wohlgehütetes Geheimnis unter den Flugbereitschaften aller Turkish Airline Crews, dass Erdo die Maschine "flog" wenn er an Bord war. Anders war es kaum möglich ihn aus dem Cockpit herauszuhalten, wo er an den Instrumenten herumdrehte, in den Funkverkehr eingriff oder verlangte, das man einen Looping flog, weil er Geburtstag hatte.
Schon der Start war schwierig gewesen. Nachdem der marokkanische König ihn nicht zum Tee eingeladen hatte war Erdos Laune in den Keller gesackt. Unverzüglich hatte er eine Leitung zum NATO Hauptquartier verlangt, aber Rasmussen, dieses Weichei, hatte es schlichtweg verweigert den Bündnisfall auszurufen und diesem Aristokraten - Azubi zu zeigen wo der Hammer hängt. Auf Schlagzeilen wie "Erdo nicht bei Mohammed willkommen" konnte er wirklich verzichten. Selbst Angela hatte ihn ihm Stich gelassen. "Was? Die Patriot Raketen umdrehen? Nee, nee mein Guddster, das geht nicht. Aber ich kann dir Guido als unbemannte Drohne zur Aufklärung schicken, den vermisst hier sowieso keiner. hihihi."
Wozu hatte man NATO Basen und deutsche Wehrtechnik im Land, wenn man sie nicht benutzen durfte?! Aber die würden sich noch umgucken, wenn erst die glorreiche osmanische Armee wieder in Lohn und Brot war. König von Marokko? Pah! Er war Herrscher, Kaiser, König aller Türken. Na ja, vielleicht nicht aller Türken. Aber doch der meisten. Oder zumindest von 50% , also fast 2/3 und der Rest zählte sowieso nicht. In dieser Stimmungslage hatte die Crew einiges zu ertragen gehabt, aber nun waren sie sicher gelandet und alle lächelten sich zu.
Nur Emi lächelte nicht. Ihre Visagistiin war gerade dabei ihr den Lippenstift und das dezente Make Up aufzutragen, auf das die First Lady während der Flüge verzichten musste. Anfangs hatte sie sich gegen diese Auflagen gewehrt: Keine Schminke, keinen kurzen Rock -nicht mal auf Langstreckenflügen. Doch es diente der Flugsicherheit. Erdo hatte ihr die Studie des Qatar United Airline Trust of Securitie & Health (Q.U.A.T.S.C.H) gezeigt aus der glasklar hervorging, dass Maschinen mit weiblichen Crewmitgliedern, die geschminkt waren oder kurze Röcke trugen, ein 20% höheres Risiko hatten entführt zu werden, abzustürzen oder in Hochhäuser zu fliegen als andere. Fakten waren eben Fakten. Im Ausgleich hatte sie dafür gesorgt, dass das weibliche Flugpersonal der Turk Force One den Charme von russischen Kugelstosserinnen verströmte.
Flinke Hände hatten derweil die Gangway heran- und den roten Teppich ausgerollt an dessen Ende tausende begeisterte Erdo Fans auf die Rückkehr ihres Idols warteten. Mit einem zufrieden Lächeln blickte Erdo auf die Szene. Die Trennung hatte ihnen gutgetan. Wenn man mal rauskam, die Dinge von Oben und aus einer anderen Perspektive betrachte, kam man zu neuen Einsichten. Er hatte über die Dinge nachgedacht und war nach vielem Abwägen zu dem Schluss gekommen, dass seine Politik künftig von 3 klaren Prämissen getragen würde.
1) Er hatte recht.
2) Er hatte nichts falsch gemacht.
3) Proteste sind generell erlaubt, aber nicht jetzt und nicht gegen ihn.
Dieser Entschluss war nicht leicht gewesen, aber man musste als Landesvater auch mal Abstriche machen. Nachdem sich die Crew bei ihnen verabschiedet hatte, schritten sie die Front ihrer Anhänger ab, Erdo hielt eine kurze Rede und dann zogen sie im Triumphzug durch die Stadt Richtung Regierungsviertel. Seltsamerweise dauerte die Fahrt erheblich länger als sonst, weil sie etliche Umwege nehmen mussten. Sein Polizeichef erklärte ihm, das läge an den üblichen Baustellen und begeisterten Kundgebungen, die aus Anlass seiner Rückkehr überall stattfänden. Immer wenn sie an einigen Gruppen begeisterter Menschen vorbeikamen drückten die Fahrer aufs Gas und machten Tempo. Man könne sich jetzt nicht damit aufhalten, wichtige Regierungsgeschäfte warteten, erklärte ihm sein Berater.
Trotzdem fiel ihm eine Gruppe von Leuten auf. Sie schienen hier und dort hinzuwuseln und immer wieder das gleiche Transparent hochzuhalten. Was darauf stand konnte er so schnell nicht erfassen. Erst als der Konvoi in das Regierungsviertel einbog tauchte die bunte Gruppe schon wieder auf und entrollte ihr Transparent. Jetzt konnte er es deutlich sehen:
"Lasst uns in Liebe leben. Niemand überlebt die Welt." stand darauf.
Das kam ihm bekannt vor. Wo hatte er das zuletzt gelesen?