ISLAM - Prof. Dr. Ali Bardakoglu

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sultansleyman

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Prof. Dr. Ali Bardakoglu


Gestern Abend wurde im türkischen Fernsehen in einer Plattformdiskussion die Stellung des Islam in der Türkei erörtert. Als Gäste waren anwesend drei Journalisten von bekannten Tagesblättern, zwei Schriftsteller und eine Marktforscherin sowie Prof. Dr. Ali Bardakcioglu, Vorsitzender und Präsiden von DIT (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion – Diyanet isleri).

In den letzten Tagen wurde auch hier im Forum über das eine oder andere Thema bezüglich des Islam’s diskutiert. Für manch einen wäre diese Debatte sicherlich sehr interessant gewesen, zumal auch unser leidiges Thema der Kopftuchpolitik sehr ausführlich behandelt wurde. Aber bevor ich auf diesen Punkt etwas näher eingehe, möchte ich einen für mich sehr bedeutenden Satz von Herrn Prof. Dr. Bardakcioglu zitieren.

Zitat von Bardakcioglu:
DIT ist eine religiöse Institution, auch, wenn wir von Rechtswegen den Beamtenstatus besitzen. Seit Gründung der Republik unter Mustafa Kemal Atatürk, ist die Türkei ein laizistischer und demokratischer Staat, in welchem dieser von erster Stunde an von der Religion getrennt wurde.

Auf die Frage zur Stellung des Islam in der türkischen Gesellschaft, als auch im Bezug auf den Standpunkt anderen Weltreligionen gegenüber, erklärte Prof. Dr. Bardakcioglu, dass es überaus wichtig sei, zuallererst einmal eine Einigung innerhalb der Islamischen Länder zu schaffen. Eine einheitliche, vor allem aber richtige Auslegung des Kuran`s sei überaus wichtig, um einen Dialog zwischen den Religionen schaffen zu können. Dies sei aber nur erreichbar, wenn man einen gesunden und gebildeten Nachwuchs schafft, die ihre Ausbildung nicht in irgendwelchen Kuranschulen von Sekten absolviert haben, sondern die Absolventen von Universitäten seien (ilahiyat Fakülteleri – Theologiestudium).
Nur ein Mensch mit demokratischen Grundsätzen, könne eine objektive Vermittlung des Glaubens vermitteln. Aus diesem Grund entstand in den letzten Jahren, verstärkt aber seit dem 11. September, eine enge Zusammenarbeit mit den Europäischen Staaten. Dieses Jahr wurde in Kooperation mit der Universität Frankfurt die Zweigstelle der Ilahiyat Fakültesi in Istanbul ins Leben gerufen. Dies ist eine Universität, an der türkische als auch deutsche Theologie Professoren dozieren. Ziel sei es, demokratisch laizistische Müftis hervorzubringen, die nicht nur den Islam in seiner reinen und richtigen Form lehren, sondern auch in der Lage sind den Dialog zwischen den Glaubensrichtungen vor Ort zu schaffen. Ein weiteres Projekt, dass vor zwei Tagen seinen Abschluss fand, waren die Arbeiten von 13 Professoren aus Europäischen Staaten, die eine Markanalyse bezüglich des Islam in ihrem jeweiligen Land durchgeführt haben. Freitag und Samstag fand hierzu die Konferenz in Istanbul statt. Mit dem Ergebnis das, über 1000 Absolventen der Universität nach Europa abgesandt werden um den türkischen Gemeinden in Europa eine gezielte Vermittlung des Islam zu vermitteln. Nun denkt man sicherlich Hilfe, jetzt überrennen uns die Moslems mit ihren Missionaren aber dem ist sicherlich nicht so. Auch zu diesem wichtigen Punkt, der in der Türkei immer wieder für Gesprächstoff sorgt, hatte Bardakcioglu einen sehr klaren Standpunkt. Die Verbreitung des eigenen Glaubens sei ein Grundrecht, welches niemandem genommen werden könne. Es sei sogar die Pflicht eines jeden Gläubigen, seine Religion anderen Menschen näher zu bringen. Jedoch sollte man auch hier Politik und Religion strickt voneinander trennen, und den Versuch unterlassen, die wirtschaftliche und soziale Stellung eines Menschen auszunutzen um ihn zum Konvertieren zu bewegen. Also auch hier ein klares Ja zur Erklärung aber ein Nein für die Überredung. Abgesandte Müftis solle man nicht als Missionare sondern als Vermittler des Glaubens sehen. Aus immer noch aktuellem Anlass wurde Prof. Dr. Bardakcioglu auch zu einem gesetzlichen Verbot im Bezug auf die Missionare in der Türkei befragt. Bardakcioglu stellte sich mit Protest gegen solch ein Gesetz, da es ja auch der Demokratie und der darin verankerten Religionsfreiheit widerspreche.

Bezüglich der Geste des Papstes in der Sultan Ahmet Mosche ( Die Ausrichtung gegen Mekka) erklärte Bardakcioglu, dass er persönlich dies als wichtige Geste für einen Dialog empfunden hat. Auf die Frage ob er denn die Hände in einer Kirche falten würde erklärte Bardakcioglu:“ für Moslems sind Gebetsstätten jeder Religionsrichtungen eben Gotteshäuser. Egal ob es ein Tempel, eine Synagoge, eine Kirche oder eine Moschee sei. Jeder gläubige Moslem könne in jedem Gotteshaus beten.“ Für das Beten zu Gott, gäbe es im Islam keine fest vorgeschriebene Räumlichkeit. Ebenso die Bücher Gottes, die er auf die Welt gesandt hat. Jeder Moslem könne in jedem Buch lesen, denn Riten einer Religion seien nicht ausschlaggebend für die Religion an sich. Alle würden letztendlich zu ein und dem selben Gott beten. Und der Islam zeigt eben diese Toleranz, hierzu folgte auch eine für mich sehr schöne und wahre Erklärung.

Zitat von Bardakcioglu:
Toleranz einem anderen Glauben gegenüber erfolge nicht in Gesten, sondern im Herzen von jedem einzelnen. Es bedeute nicht, Gebetsrituale nachzuahmen, sondern sie gewähren zu lassen. Ohne vieler Worte oder Handlungen – sondern im Stillen. Toleranz dem Anderen gegenüber sei, wenn man dem Anderen den Freiraum lasse sich in seiner Religion zu entfalten, und diese nicht kritisiere sondern respektiere.

So jetzt komme ich zu meinem Lieblingsthema die Kopftuchpolitik ! Denn genau so und zwar als Politik wurde es sogar gestern von Prof. Dr. Bardakcioglu bewertet. Zwar sei das Kopftuch ein wichtiger Bestandteil des Islam und solle nach Möglichkeit auch getragen werden aber dies in der einfachen Form. Diese heutigen Erscheinungen in Form der Türbans sei einfach nur Politik und hätte nichts mehr mit der Religion zu tun. Auch sei ein Kopftuch nicht Maasstab für die Wertigkeit eines guten Moslems, sondern einfach nur ein Relikt.
Auf die Frage bezüglich des Kopftuchverbotes in diversen staatlichen Einrichtungen, äußerte sich der Prof. sehr positiv. Wenn es der Umstand oder der Beruf erfordere, so stehe der Ablegung des Kopftuches auch nichts im Wege. Seine eigene Tochter sei Beamtin und würde jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit gehe ihr Kopftuch abnehmen. Dies entspreche ganz dem Koran, der ja schon sagt, gehet mit der Zeit und passet euch an.
Es sei verwerflich, wie sich manche Menschen die Unwissenheit anderer, zur Erfüllung ihrer eigenen Ideale zu nutzen machen, und diese schamlos ausnutzen würden.
Die Religion hätte nichts in der Politik verloren und umgekehrt ebenso. Dafür sei man ja ein laizistischer Staat.

Zum Ende der Sendung wurde Prof. Dr. Bardakcioglu noch auf das Gerücht angesprochen, dass er vorhabe von seinem Amt als Vorsitzender und Präsident des DIT zurückzutreten, um sich der Präsidentschaftswahl zu stellen. Bardakcioglu lächelte nur und das war glaube ich eine ungesprochene Antwort, der so mancher mit einem beruhigendem Gefühl zustimmen würde.




 

alteglucke

Moderator
AW: ISLAM - Prof. Dr. Ali Bardakcioglu

Vielen Dank, sultansleyman, das ist wirklich sehr informativ. Aber für mich ergeben sich natürlich trotzdem noch einige Fragen.

Auf die Frage zur Stellung des Islam in der türkischen Gesellschaft, als auch im Bezug auf den Standpunkt anderen Weltreligionen gegenüber, erklärte Prof. Dr. Bardakcioglu, dass es überaus wichtig sei, zuallererst einmal eine Einigung innerhalb der Islamischen Länder zu schaffen. Eine einheitliche, vor allem aber richtige Auslegung des Kuran`s sei überaus wichtig, um einen Dialog zwischen den Religionen schaffen zu können.

Eine einheitliche Auslegung? Dass er sich das wünscht, kann ich ja verstehen, aber wenn er glaubt, dass es zu so etwas tatsächlich kommen könnte, erscheint mir das für einen Wissenschaftler doch sehr naiv. Und wer soll denn abschließend beurteilen, welche Auslegung "richtig" ist?

Nur ein Mensch mit demokratischen Grundsätzen, könne eine objektive Vermittlung des Glaubens vermitteln.

Was hat denn Religion mit Demokratie zu tun?

Mir erscheint seine Auslegung sehr türkisch, sehr von Atatürk geprägt – und auch sehr beruhigend und eingängig für westliche Denkweisen. Aber ich denke, das zeigt auch deutlich, dass die Türkei in religiösen Fragen ebenso wie in politischen auf einem schmalen Grad zwischen Ost und West balanciert. Das ist nicht gerade eine beneidenswerte Position.

Andrea






 
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