Das Sexualverhalten ist biologisch mit dem Revierverhalten verknüpft. MaW: Es geht um den Platz in der sozialen Hierarchie aufgrund der Stärke/Macht des Individuums.
Das entspricht auch den tradierten sozialen Gepflogenheiten, dass mächtigen/reichen Männern und Frauen weniger sexuelle Beschränkungen auferlegt waren als Armen/Mittellosen (Bsp. Harem) und das die Männer als das stärkere Geschlecht idR promiskuöser waren als die Frauen.
Sexualität ist ursprünglich immer auch Ausdruck der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.
Du weisst, dass ich solchen Erklärungsmustern nicht folgen kann und nicht folgen will. Ich bin kein Tier - Punkt! Und die Menschen sind auch nicht einfach nur willenlose Schafe, die nur darauf warten, ihrem Schäfer nachzutrotten, wenn sie darin denn keinen Sinn und keine Erfüllung sehen. So kann ich das Weltgeschehen nicht begreifen und so will ich es auch nicht begreifen.
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Du mit Deiner Sexualität kontrollierter und kultivierter umgehst als jeder Silberrücken, den Du mir hier als Argument anführst. Also lass uns über das reden, was ist, und nicht über das, was war oder gewesen sein könnte, wenn sich in 10000 Jahren kultureller Entwicklung im Grunde nichts verändert hätte.
Der Neoliberale will uns dieses Märchen verkaufen, dass wir immer noch vom Tier in uns beherrscht und kontrolliert werden würden, weil sich damit so vieles so viel leichter verkaufen lässt. Aber glaub mir, wir sind da schon weiter, auch wenn wir gerade dieses Tal durchschreiten und solche Diskussionen führen müssen.
Ich merke schon, ich wiederhole mich da immer wieder, aber das ist nun einmal mein Ansatz und der Rahmen, aus dem heraus ich die Dinge betrachte. Ich will diesem Kulturpessimismus nicht erliegen. Ich weiss sehr wohl, wie es ist, wenn man der Lust und dem instinktiven Verlangen so weit nachgibt, bis man zuletzt von ihr dominiert wird und sich tatsächlich der Eindruck ergibt, man würde von einem inneren Tier dominiert werden, es verwischen allmählich die Grenzen zwischen Lust und Liebe, zwischen Sexualität und Leidenschaft und zwischen reiner Befriedigung und Glücksempfinden. Aber mir war es auch vergönnt, die menschliche Alternative dazu zu erfahren, diesen Instinkten nicht in diesem Maße nachzugeben, sondern sie im Zaum zu halten und zu versöhnen mit der Vernunft und der Ethik, für die man steht.
Und das macht nicht nur das Leben lebenswerter, sondern auch die Welt mitsamt der gesamten menschlichen Entwicklung, soweit sie uns bekannt ist, verständlicher und einleuchtender. Es ist wohl etwas systemimmanentes, dass unter diesen gesamtgesellschaftlichen Erklärungsansätzen individuellen menschlichen Verhaltens immer dieser im Grunde menschenverachtende Pessimismus lauert.
Ich bin frei: bis zu einem gewissen Punkt kann ich selbst mein Sein bestimmen. Meine Vernunft hilft mir dabei, Entscheidungen zu treffen, die immer wieder auf mich und mein Werden zurückwirken. Also liegt es auch in meiner Hand, ob ich einen Weg gehen will, der mich meinen tierischen Ursprüngen näherbringt, oder eher einen solchen, der unsere kulturelle Entwicklung fortsetzt und eben wegführt von jenem Tier, das vor Urzeiten einmal gewesen sein mag.
Du hast völlig recht: Sexualität ist Biologie! Und Kultur ist eben die nächsthöhere Stufe, die das Leben hervorgebracht hat und somit zu einem vertretbaren Teil auch Abkehr von der sinn- und bedeutungsfreien Biologie, die angestrebte Dominanz des Geistes über den Körper.