lieber Zerd

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Majnomon

Well-Known Member
In diesem Zusammenhang müssen wir also überlegen, ob die Kultur der Monogamie eher ein solcher Degenerationseffekt ist oder unser Verlangen nach ständig wehselnden Reizen oder das Bestreben, dem inneren Verlangen bei jedem Auftreten nachzugeben?

In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder auf, dass Du zwei Extreme wählst, um sie zugunsten der Monogamie gegeneinander auszuspielen.

Wenn es nun aber wie schon etliche Male beschrieben bei der Polyamorie gar nicht darum geht, ständig wechselnden Reizen oder dem Bestreben, dem inneren Verlangen bei jedem Auftreten nachzugeben, dann macht das wenig Sinn.

Wir reden dann einfach von ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen. Du sprichst von promiskuitiver Beliebigkeit, ich von polyamoröser Verbindlichkeit (inklusive seelischer Treue und füreinander Einstehen).
 
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Zerd

Well-Known Member
Das Sexualverhalten ist biologisch mit dem Revierverhalten verknüpft. MaW: Es geht um den Platz in der sozialen Hierarchie aufgrund der Stärke/Macht des Individuums.
Das entspricht auch den tradierten sozialen Gepflogenheiten, dass mächtigen/reichen Männern und Frauen weniger sexuelle Beschränkungen auferlegt waren als Armen/Mittellosen (Bsp. Harem) und das die Männer als das stärkere Geschlecht idR promiskuöser waren als die Frauen.
Sexualität ist ursprünglich immer auch Ausdruck der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.

Du weisst, dass ich solchen Erklärungsmustern nicht folgen kann und nicht folgen will. Ich bin kein Tier - Punkt! Und die Menschen sind auch nicht einfach nur willenlose Schafe, die nur darauf warten, ihrem Schäfer nachzutrotten, wenn sie darin denn keinen Sinn und keine Erfüllung sehen. So kann ich das Weltgeschehen nicht begreifen und so will ich es auch nicht begreifen.

Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Du mit Deiner Sexualität kontrollierter und kultivierter umgehst als jeder Silberrücken, den Du mir hier als Argument anführst. Also lass uns über das reden, was ist, und nicht über das, was war oder gewesen sein könnte, wenn sich in 10000 Jahren kultureller Entwicklung im Grunde nichts verändert hätte.

Der Neoliberale will uns dieses Märchen verkaufen, dass wir immer noch vom Tier in uns beherrscht und kontrolliert werden würden, weil sich damit so vieles so viel leichter verkaufen lässt. Aber glaub mir, wir sind da schon weiter, auch wenn wir gerade dieses Tal durchschreiten und solche Diskussionen führen müssen.

Ich merke schon, ich wiederhole mich da immer wieder, aber das ist nun einmal mein Ansatz und der Rahmen, aus dem heraus ich die Dinge betrachte. Ich will diesem Kulturpessimismus nicht erliegen. Ich weiss sehr wohl, wie es ist, wenn man der Lust und dem instinktiven Verlangen so weit nachgibt, bis man zuletzt von ihr dominiert wird und sich tatsächlich der Eindruck ergibt, man würde von einem inneren Tier dominiert werden, es verwischen allmählich die Grenzen zwischen Lust und Liebe, zwischen Sexualität und Leidenschaft und zwischen reiner Befriedigung und Glücksempfinden. Aber mir war es auch vergönnt, die menschliche Alternative dazu zu erfahren, diesen Instinkten nicht in diesem Maße nachzugeben, sondern sie im Zaum zu halten und zu versöhnen mit der Vernunft und der Ethik, für die man steht.

Und das macht nicht nur das Leben lebenswerter, sondern auch die Welt mitsamt der gesamten menschlichen Entwicklung, soweit sie uns bekannt ist, verständlicher und einleuchtender. Es ist wohl etwas systemimmanentes, dass unter diesen gesamtgesellschaftlichen Erklärungsansätzen individuellen menschlichen Verhaltens immer dieser im Grunde menschenverachtende Pessimismus lauert.

Ich bin frei: bis zu einem gewissen Punkt kann ich selbst mein Sein bestimmen. Meine Vernunft hilft mir dabei, Entscheidungen zu treffen, die immer wieder auf mich und mein Werden zurückwirken. Also liegt es auch in meiner Hand, ob ich einen Weg gehen will, der mich meinen tierischen Ursprüngen näherbringt, oder eher einen solchen, der unsere kulturelle Entwicklung fortsetzt und eben wegführt von jenem Tier, das vor Urzeiten einmal gewesen sein mag.

Du hast völlig recht: Sexualität ist Biologie! Und Kultur ist eben die nächsthöhere Stufe, die das Leben hervorgebracht hat und somit zu einem vertretbaren Teil auch Abkehr von der sinn- und bedeutungsfreien Biologie, die angestrebte Dominanz des Geistes über den Körper.
 

Majnomon

Well-Known Member
Vor kurzem hat ein User in einer anderen Diskussion zu den Zielen des Lebens darüber doziert, wie groß und unendlich doch das Universum sei und das menschliche Leben nicht einmal ein Wimpernschlag in diesem Rahmen. Meine Güte, war ich versucht zu antworten, das ist die Perspektive eines Gottes, der das gesamte Universum mitsamt seiner Entstehung und seinem Ende überblickt. Wir aber sind doch Menschen, unser Wimpernschlag dauert doch wenige Sekunden und unserer Leben umfasst ein Vielfaches davon. Wie sinnvoll kann es da sein, dieses Leben mir der Perspektive eines alles überblickenden Gottes anzugehen.

Und auch hier fällt auf, dass Du zwei unterschiedliche Sichtweisen gegeneinander auspielst, um einer den Vorzug zu geben, als könnten nicht beide nebeneinander bestehen und einander sogar durchdringen....
 
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Zerd

Well-Known Member
Wir reden dann einfach von ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen. Du sprichst von promiskuitiver Beliebigkeit, ich von polyamoröser Verbindlichkeit (inklusive seelischer Treue und füreinander Einstehen).

Sehr schön, führe bitte weiter aus. "Polyamouröse Verbindlichkeit", siehst Du darin nicht zumindest ansatzweise einen inneren Widerspruch? Oder weiter gefragt: warum sollte das, was Du in Klammern stehen hast, bei einem polyamourösen Ansatz besser funktionieren können als beim starken und verbindlichen Bezug zu einem bestimmten Menschen?

Natürlich sprechen wir von ganz anderen Lebensentwürfen: in der Polyamourie fehlt mE völlig die Bereitschaft sich mit letzter Konsequenz auf einen Menschen einzulassen, mit ihm sein Leben zu teilen, was in meinem Lebensentwurf und meiner Vorstellung von der Liebesfähigkeit eines Menschen und der Beziehung als Bindeglied zwischen privatem und öffentlichem Raum eine ganz entscheidende Rolle spielt.
 

Majnomon

Well-Known Member
Natürlich sprechen wir von ganz anderen Lebensentwürfen: in der Polyamourie fehlt mE völlig die Bereitschaft sich mit letzter Konsequenz auf einen Menschen einzulassen, mit ihm sein Leben zu teilen, was in meinem Lebensentwurf und meiner Vorstellung von der Liebesfähigkeit eines Menschen und der Beziehung als Bindeglied zwischen privatem und öffentlichem Raum eine ganz entscheidende Rolle spielt.

"Mit der letzten Konsequenz" ist der Mensch allein dem Leben a.k.a Gott/dem Tod ausgeliefert... alles andere ist eine (romantisch verklärte) Selbsttäuschung, die vom Wesentlichen (der Liebe an sich) nur ablenkt.
 

Zerd

Well-Known Member
Und auch hier fällt auf, dass Du zwei unterschiedliche Sichtweisen gegeneinander auspielst, um einer den Vorzug zu geben, als könnten nicht beide nebeneinander bestehen und sogar einander durchdringen....

Ich weiss ja nicht, was Du mit Ausspielen meinst, aber jedem steht es frei, ein sinnfreies Leben zu führen oder mich auf einen Sinn hinzuweisen, der mir entgangen sein mag. Ich weiss gar nicht, was Du mit dieser wiederholten Bemerkungen bezweckst? Sind wir denn nicht hier, um unterschiedliche Ansichten zu diskutieren und unsere Argumente Für und Wider auszutauschen. Warum wechselst Du plötzlich auf diese Metaebene?
 

Zerd

Well-Known Member
"Mit der letzten Konsequenz" ist der Mensch allein dem Leben a.k.a Gott/dem Tod ausgeliefert... alles andere ist eine (romantisch verklärte) Selbsttäuschung, die vom Wesentlichen (der Liebe an sich) nur ablenkt.

Siehst Du, genau diesen Pessimismus meinte ich in meinem beitrag an Pit: wenn Du diesen Gedanken konsequent zu Ende denkst, wird das Leben selbst zu einer romantisch verklärten Selbsttäuschung, der man nur noch durch einen Gott oder blankem Hedonismus begegnen kann. Das ist für mich nicht annehmbar, eine ganz bewusste Prämisse, eine axiomatische Setzung in meinem Denken...
 

Majnomon

Well-Known Member
Siehst Du, genau diesen Pessimismus meinte ich in meinem beitrag an Pit: wenn Du diesen Gedanken konsequent zu Ende denkst, wird das Leben selbst zu einer romantisch verklärten Selbsttäuschung, der man nur noch durch einen Gott oder blankem Hedonismus begegnen kann. Das ist für mich nicht annehmbar, eine ganz bewusste Prämisse, eine axiomatische Setzung in meinem Denken...

Für mich ist das kein Pessimismus, sondern beinhaltet die sukzessive Befreiung des Geistes im Sinne einer universell verstandenen und gelebten Liebe, die sowohl mit sich selbst zufrieden ist als auch ständig in Beziehung tritt, in mannigfaltiger Weise, sei es erotisch, sei es agapisch.

Ich habe jedenfalls kein Problem mit dem, was gemeinhin Gott, Tao, Allah, JHWH, ICH BIN, Manitu etc. genannt wird. Im Gegenteil... ich halte es (vielleicht ähnlich wie Kant) für vernünftig, an Gott zu "glauben", das heißt gewissermaßen ES zu erkennen und ins eigene Weltbild zu integrieren.
 
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Zerd

Well-Known Member
...die sukzessive Befreiung des Geistes im Sinne einer universell verstandenen und gelebten Liebe, ...

Sorry, aber das ist mir zu abgehoben, zu abstrakt, damit kann ich in meinem Alltag nicht das geringste anfangen. Hast Du schon einmal probiert, den folgenden Relativsatz durch etwas für dich völlig abwegiges zu ersetzen? Deine Aussage wäre semantisch genau dieselbe, obwohl Du möglicherweise von einer ganz anderen Lebensweise sprichst.

Es ist schade, dass für Dich Liebe etwas so welt- und lebensfremdes zu sein scheint, aber das macht Deine Folgerungen daraus für mich etwas verständlicher. Und auch Deine Empfindlichkeit gegenüber etwas lebensnäheren Gegenargumenten. Ich werde versuchen, mich in Zukunft diesbezüglich bei Dir etwas zurückzuhalten
 
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