Es ist ein physikalisches Naturgesetz und auch historisch etliche Male belegt: da wo Spannungen und Drücke herrschen und ungleich verteilt sind, kommt es früher oder später unweigerlich zu Ausgleichsvorgängen. Und zwar je länger diese Ungleichheit herrscht, je mehr sich die Gegensätze verschärfen, umso heftiger der Knall, der mit diesen Ausgleichsbewegungen verbunden ist. Unsere Geschichte ist eine Geschichte der Völkerwanderungen, der Revolutionen, der Kriege. Das sind die heftigsten Ausgleichsvorgänge. Aber auch jede kleinste Entwicklung und jeder kleine Fortschritt kann als eine solche Ausgleichsbewegungen interpretiert werden, durch die Spannungen und Drücke und Unterschiede entschärft werden.
Wir leben derzeit deshalb in einem dunklen Zeitalter und durchschreiten ein Tal in der menschlich-kulturellen Entwicklung, weil es gerade so trendy ist, mit Scheuklappen herumzulaufen, die gerade einmal den Blick bis zur eigenen Nasenspitze freigeben, und jeder so tut, als ob es diese Gesetzmässigkeiten gar nicht gebe und sie gar nicht bekannt seien. Darum wird in jeder Krise gerufen "jetzt erst recht" und es ist unglaublich, selbst 25 Jahre nach dem Mauerfall (noch so eine unvermeidbare Ausgleichsbewegung) gibt es immer noch Leute, die mit höheren Mauern und Stacheldrahtzäunen diesem Naturgesetz zu entfliehen trachten. Klar, ein paar Jahre oder Jahrzehnte zusätzlich könnte das bringen, aber eben nur auf Kosten noch schärferer Gegensätze und größerer Spannungen, die dann umso heftigere Ausgleichsbewegungen verursachen werden. Und dass man einen Turm bis zum Himmel hochbauen will, das gab es schon in Babylon und damals ging es auch schon schief.
Der kulturelle Fortschritt hat uns schon weit gebracht, wenn auch derzeit nur innerhalb einiger nationaler Grenzen. Der nächste Schritt ist doch wohl ganz offensichtlich, dass das, was innerhalb nationaler Grenzen einigermaßen gut funktioniert, nun auch international bewerkstelligt wird, damit auch hier die Ausgleichsbewegungen weniger heftig ausfallen.
Keine Frage, wie haben die letzten 50 Jahre gelebt wie die sprichwörtliche Made im Speck, während der größere Teil der Menschheit um sein täglich Brot kämpfen musste. Und wenn wir nicht das meiste davon, was wir in 10000 Jahren Kulturgeschichte errungen haben, über Bord werfen wollen (mit Haltungen und Ideologien wie etwa im dritten Reich), können wir kaum davon ausgehen, dass dieser Zustand noch allzu lange anhält.
Sobald dieser Trend mit den Scheuklappen überwunden ist, wird sich diese Erkenntnis wohl flächendeckend durchsetzen. Solange bleibt es uns nicht erspart, den Unbelehrbaren dabei zuzusehen, wie sie an ihren Mauern und Stacheldrahtzäunen basteln, um uns alle vor dem unvermeidbaren zu bewahren.