lieber Zerd

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Pit 63

Guest
@Pit 63: Deine berechtigte Skepsis bezüglich der gegenwärtigen Umsetzbarkeit polyamoröser Beziehungen ist m.E. ein Hinweis darauf, dass es nicht damit getan ist, die Schuld/Verantwortung allein auf Diedaoben zu schieben.

Wir sitzen alle mit drin in der Scheiße. Und können den Karren nur gemeinsam aus dem Dreck ziehen. Mit einem entsprechenden kollektiven Bewusstseinswandel auf allen Ebenen kann es gelingen - inshallah!
Diedaoben sind keinesfalls an allem schuld- ebensowenig wie die Kaiser, Fürsten und Kirchenoberen im Mittelalter. Sie sind ja auch "nur" konditionierte Menschen.
Das sie vorzugsweise genannt werden, liegt aber zurecht daran, dass sie mehr Macht innehaben und ausüben und weil sich an das Mass der Macht nun mal das Mass der Verantwortung knüpft.
MaW: Es geht halt nicht darum, wer konditionierungsbedint sonst noch dieselbe shice bauen würde, sondern darum wer sie baut und wer sie nicht baut.

Und Konflikte und Katstrophen als irgendwie positiv zu werten, unterschiedliche Menschen und Ebenen zwanghaft zusammenbringen zu wollen und gleichzeitig einen Bewusstseinswechsel (durch reinigende Gewalt?) für alle zu wollen, das halte ich für widersprüchlich und realitätsfremd.
 

Majnomon

Well-Known Member
Und wenn man aus der Not eine Tugend macht, kann sie auch im weitesten Sinne machen...
Das sie vorzugsweise genannt werden, liegt aber zurecht daran, dass sie mehr Macht innehaben und ausüben und weil sich an das Mass der Macht nun mal das Mass der Verantwortung knüpft.

Möglicherweise haben sie nur soviel Macht, wie Du oder ich ihnen zuschreiben, projektiv... wäre zumindest eine Sichtweise.
 

Majnomon

Well-Known Member
Wende Dich der Liebe selbst zu und sie wird Dich durch jede Wüstenei Deines Herzens tragen - allein, zu zweit oder mit einem ganzen Harem.

Hängst Du sie jedoch an einen einzigen Menschen oder an eine einzige Sache ausschließlich, verfehlst Du ihre Absicht, sich stets neu und überall neu verschenken und verfällst einer Obsession, auch Anhaftung genannt.
 

Zerd

Well-Known Member
Es ist ein physikalisches Naturgesetz und auch historisch etliche Male belegt: da wo Spannungen und Drücke herrschen und ungleich verteilt sind, kommt es früher oder später unweigerlich zu Ausgleichsvorgängen. Und zwar je länger diese Ungleichheit herrscht, je mehr sich die Gegensätze verschärfen, umso heftiger der Knall, der mit diesen Ausgleichsbewegungen verbunden ist. Unsere Geschichte ist eine Geschichte der Völkerwanderungen, der Revolutionen, der Kriege. Das sind die heftigsten Ausgleichsvorgänge. Aber auch jede kleinste Entwicklung und jeder kleine Fortschritt kann als eine solche Ausgleichsbewegungen interpretiert werden, durch die Spannungen und Drücke und Unterschiede entschärft werden.

Wir leben derzeit deshalb in einem dunklen Zeitalter und durchschreiten ein Tal in der menschlich-kulturellen Entwicklung, weil es gerade so trendy ist, mit Scheuklappen herumzulaufen, die gerade einmal den Blick bis zur eigenen Nasenspitze freigeben, und jeder so tut, als ob es diese Gesetzmässigkeiten gar nicht gebe und sie gar nicht bekannt seien. Darum wird in jeder Krise gerufen "jetzt erst recht" und es ist unglaublich, selbst 25 Jahre nach dem Mauerfall (noch so eine unvermeidbare Ausgleichsbewegung) gibt es immer noch Leute, die mit höheren Mauern und Stacheldrahtzäunen diesem Naturgesetz zu entfliehen trachten. Klar, ein paar Jahre oder Jahrzehnte zusätzlich könnte das bringen, aber eben nur auf Kosten noch schärferer Gegensätze und größerer Spannungen, die dann umso heftigere Ausgleichsbewegungen verursachen werden. Und dass man einen Turm bis zum Himmel hochbauen will, das gab es schon in Babylon und damals ging es auch schon schief.

Der kulturelle Fortschritt hat uns schon weit gebracht, wenn auch derzeit nur innerhalb einiger nationaler Grenzen. Der nächste Schritt ist doch wohl ganz offensichtlich, dass das, was innerhalb nationaler Grenzen einigermaßen gut funktioniert, nun auch international bewerkstelligt wird, damit auch hier die Ausgleichsbewegungen weniger heftig ausfallen.

Keine Frage, wie haben die letzten 50 Jahre gelebt wie die sprichwörtliche Made im Speck, während der größere Teil der Menschheit um sein täglich Brot kämpfen musste. Und wenn wir nicht das meiste davon, was wir in 10000 Jahren Kulturgeschichte errungen haben, über Bord werfen wollen (mit Haltungen und Ideologien wie etwa im dritten Reich), können wir kaum davon ausgehen, dass dieser Zustand noch allzu lange anhält.

Sobald dieser Trend mit den Scheuklappen überwunden ist, wird sich diese Erkenntnis wohl flächendeckend durchsetzen. Solange bleibt es uns nicht erspart, den Unbelehrbaren dabei zuzusehen, wie sie an ihren Mauern und Stacheldrahtzäunen basteln, um uns alle vor dem unvermeidbaren zu bewahren.
 

Zerd

Well-Known Member
Heute war im Radio bei Koschwitz ein deutscher Autor zu Gast, der wohl gerade ein Buch darüber veröffentlicht hat, dass die dt. Einheit vor 25 Jahren gar nicht stattgefunden hätte. In der Geschichte kommt offenbar ein weiterer Autor vor, der darüber schreibt, wie es gewesen wäre, wenn vor 25 Jahren tatsächlich die Vereinigung der zwei dt. Staaten stattgefunden hätte. Eine wie ich finde sehr schöne Idee (ich weiss natürlich nicht, wie sie umgesetzt ist), die der Autor etwa so kommentierte: im Grunde ist die eingetretene Wirklichkeit in vielen Fällen eine sehr unwahrscheinliche Option, aber sie hat eben kein Rechtfertigungsproblem, weil sie wirklich passiert ist. Manche Geschichten und Vorstellungen sind eigentlich sehr viel wahrscheinlicher als die Wirklichkeit, haben aber dieses Rechtfertigungsproblem.

Ich denke auch, dass wir uns durch die Dominanz der Tatsachen viel zu sehr beeinflussen lassen.

Dann habe ich mir gestern noch eine BT-Rede vom Gysi im Netz reingezogen, in der folgender Witz vorkam: ein Jude kommt verärgert von der Synagoge heim. Als der Bruder ihn fragt, was denn passiert sei, erzählt er, dass er den Rabbi gefragt hätte, ob er denn beim Beten auch rauchen dürfe. Dieser hätte es es ihm untersagt. Der Bruder antwortet: 'Du Trottel, so darfst Du die Frage natürlich auch nicht stellen. Hättest Du ihn gefragt, ob Du beim Rauchen beten darfst, hätte er sicher zugestimmt.'
 
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Pit 63

Guest
Es ist ein physikalisches Naturgesetz und auch historisch etliche Male belegt: da wo Spannungen und Drücke herrschen und ungleich verteilt sind, kommt es früher oder später unweigerlich zu Ausgleichsvorgängen. Und zwar je länger diese Ungleichheit herrscht, je mehr sich die Gegensätze verschärfen, umso heftiger der Knall, der mit diesen Ausgleichsbewegungen verbunden ist. Unsere Geschichte ist eine Geschichte der Völkerwanderungen, der Revolutionen, der Kriege. Das sind die heftigsten Ausgleichsvorgänge. Aber auch jede kleinste Entwicklung und jeder kleine Fortschritt kann als eine solche Ausgleichsbewegungen interpretiert werden, durch die Spannungen und Drücke und Unterschiede entschärft werden.
So wie ich das wahrnehme, werden die Menschen persönlich und kollektiv zu stark vom Konkurrenz- und Hierarchiedenken beherrscht. Das führt zu den ewigen materiellen und seelisch-geistigen Herrschafts- und Verteilungskämpfen und zu ungleichen gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen Wenige das meiste besitzen und über die Anderen herrschen. Bis vor zwanzig Jahren oder so habe ich noch geglaubt, wir im Westen wären schon weiter aber da habe ich mich getäuscht. Der falsche Eindruck war aus heutiger Sicht das Ergebnis einer ganz bestimmten Machtkonstellation (beginnender Konjunkturuzyklus, Ost-West-Konflikt), die in den westlichen Ländern relativ viel Demokratie, Pluralismus und Verteilung generierte.
 

Zerd

Well-Known Member
So wie ich das wahrnehme, werden die Menschen persönlich und kollektiv zu stark vom Konkurrenz- und Hierarchiedenken beherrscht. ...

Etwas mehr Geduld, lieber Pit. Denk doch bitte hin und wieder daran, dass etwa erst 400 Generationen (also Reproduktionszyklen) vergangen sind, seit unsere kulturelle Entwicklung in der großen Zäsur während des Neolithikums eingesetzt hat. Und davor haben unsere tierischen Vorfahren zigtaus3nde von Generationen in der Wildnis ums Überleben kämpfen müssen. Natürlich sind da noch gewisse Restbestände in unserer genetischen Disposition vorhanden. Aber wir sollten auch nicht übersehen, wie weit wir in diesem verhältnismässig kurzen Zeitabschnitt schon gekommen sind. Es wird sicher noch einige Generationen dauern, bis sich auch das heute schon stellenweise bekannte und bewährte verbreitet und durchsetzt. Denn zum Glück sind wir keine intelligenten Automaten, die nur einen Gedanken denken müssen, um ihn dann auch sofort umzusetzen, und sei es mit genetischem Design oder Züchtung. Es wird zweifellos noch einige Rückschritte geben, aber auch das ist gut so und verschafft uns Zeit und hilft uns, reine Modetrends oder Hedonismus von tatsächlichen menschlichen Fortschritten zu unterscheiden, die es zweifellos auch gibt.
 

Majnomon

Well-Known Member
Meine Vermutung ist ja, dass der vermeintlich so fortschrittliche Westen die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat und gerade eines besseren belehrt wird.

Was nicht bedeutet, dass ich mir hier Zustände wie in Indien, China oder gar Saudi Arabien wünsche, aber viele Errungenschaften der Aufklärung gingen auf Kosten einer Verbundenheit mit der Natur, dem Numinosen der Mystik und dem, was ich einfach mal als "Magie der Seele" bezeichnen würde.

Alles zu seiner Zeit. Der Lauf der Dinge lässt sich nicht aufhalten. Und Allah hat einen Plan.
 

Majnomon

Well-Known Member
König Dschuang von Tschu fragte den Dschan Ho und sprach:

“Was muss man tun, um den Staat in Ordnung zu bringen?”

Dschan Ho erwiderte und sprach:
“Ich verstehe nur, das eigene Selbst in Ordnung zu bringen;
einen Staat in Ordnung zu bringen, verstehe ich nicht.”

Dschan Ho sprach weiter:
“Ich habe noch nie gehört, dass, wenn das eigene Selbst in Ordnung ist, der Staat in Verwirrung käme,
und habe auch noch nie gehört, dass, wenn das eigene Selbst in Verwirrung ist, der Staat sich ordnen ließe.

Die Ursache der Ordnung liegt also im eigenen Selbst, und deshalb wage ich nicht, über ihre Wirkung etwas zu sagen.”

Der König von Tschu sprach: “Gut!”

(aus: Liä Dsï, “Das wahre Buch vom quellenden Urgrund”)
 
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