Menschen in hochentwickelten Ländern unglücklicher/ Psychologische Behandlung vermehrt?

maremisa

Active Member
Hallo ihr alle!

In dem Tread von 44/23 bzgl. Identitätskrise-Depression, einem Hilfeschrei, kamen viele interressante Beiträge, leider etwas OT. Zuletzt auf meinen Beitrag, indem ich öffentlich mich äußere in psychologischer Behandlung gewesen sein, von Richi dieser Post:


Ich bin echt überrascht und verblüfft wieviele Menschen hier im Forum bereits in psychologischer Behandlung waren. Wenn man es auf die Gesellschaft überträgt, ergibt das für mich ein erschreckendes Bild. Entweder ist die Hemmschwelle für den Gang zur psychologischen Hilfe gesungen, durch Bildung die Erkenntnis das man ein Problem hat gestiegen. Oder die Menschen in hochentwickelten Ländern werden immer unglücklicher.
Darauf möchte ich hier gerne Antworten und zu einer Diskussion anregen.
Lieber Richi,
ich bin schon seit langen in psychologischer Behandlung und sehr sehr glücklich darüber, dass ich so eine Möglichkeit gefunden habe mit mir Selbst aufzuräumen. Ich habe dadurch gelernt, dass ich meine Vergangenheit nicht ändern kann, diese aber inzwischen als gegeben akzeptieren konnte und nun damit im Hier und Jetzt zu sein. Ich selbst bin offen für diese Form, schlimmes erlebt zu haben, aufzuarbeiten. Sich Hilfe zu suchen heißt nicht, die Verantwortung auf andere zu übertragen, sondern das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Jeder der schon mal in psychologischer Behandlung war, weis wie schwierig es ist dazu zu stehen und es zu tun. Ein Psychologe ist nur ein Begleiter der eine andere Sicht auf die Dinge hat wie ich selbst. Mag sein, dass hochentwickelte Länder diese Art und Weise mit dem Leben umzugehen, vermehrt in Anspruch nehmen. Gut so. Das macht diese Länder aus, so empfinde ich.
Bin ich unglücklicher in diesem Land weil ich ein Schicksal teile, wie viele Frauen in einem unterentwickelten Land? Ich behaupte nein. Ich habe es hier schon mal erwähnt, dass ich ein missbrauchtes Mädchen war. Ich bin glücklich darüber, dass ich hier in Deutschland aufwachsen durfte um dieses Erlebniss in mein Leben zu integrieren, durch psychologische Behandlung! Eine Frau in meinem Alter wäre in anderen Ländern allein gelassen.
Ich freue mich auf rege Diskussion
lg maremisa
 

Lilomartha

Well-Known Member
Erstmal finde ich es gut, dass du dazu stehst, das ist nicht selbstverständlich aber das will ich jetzt nicht weiter vertiefen.

Ich nehme es viel so wahr, dass der Gang zum Psychologen oder allgemein therapeutische oder andere stützende Hilfen zur Lebensbewältigung und Co viel zu sehr tot geschwiegen wird. Das ist einerseits das fehlende Eingestehen von dem eigenen Problem. Zum anderen aber auch das Ansehen der Gesellschaft. Und das finde ich schlimm! Immer wieder habe ich von Bekannten Dinge gehört wie: «Ich geh doch nicht zum Seelenklempner!» Oder: «Ich will nicht zur Suchtberatung das schaffe ich auch alleine!»

Auch kenne ich welche, die den Gang dann schließlich gemacht haben und es nicht bereut haben dort hinzugehen. Die wenigsten davon reden aber auch in der Öffentlichkeit darüber, höchstens unter engeren Bekannten.

Ich glaube, dass liegt daran, dass in unserer Gesellschaft eine psychische Erkrankung wie z.B. posttraumatische Belastungsstörung, Depression oder Burn out, was heutzutage in unserer Wissensgesellschaft sehr verbreitet ist, einfach nicht als natürliche Krankheit angesehen wird und den wenigsten Bewusst ist, dass es jeden von heute auf morgen treffen kann, dass man in eine Depression fällt, oder mit dem Tod eines engen Menschens nicht umzugehen weiß oder oder oder...und das ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft was aber in den letzten Jahren wirklich besser geworden ist und deshalb auch immer mehr den Schritt zu einer professionellen therapeutischen Hilfe wagen ohne Angst haben zu müssen im näheren Umfeld als Irre bis hin zu nicht Lebensfähig eingestuft zu werden.

Das liegt also nicht unbedingt daran, dass unsere Gesellschaft unglücklicher ist sondern eher, dass sie teilweise schon aufgeklärter ist als beispielsweise ein Entwicklungsland die ganz andere Probleme haben, als seelische.
 

Gizelle

Well-Known Member
Welcher Mensch in einem unterentwickelten Land kann sich denn überhaupt seelische Hilfe leisten, im Sinne von bezahlen? Wie legen unsere Krankenkassenkarte hin und fertig. Da muss der Arm wahrscheinlich halb ab sein, dass man wirklich zum Arzt geht. Dort finden sicher auch weitaus mehr traumatische Erfahrungen statt als hier...
 

Lilomartha

Well-Known Member
Welcher Mensch in einem unterentwickelten Land kann sich denn überhaupt seelische Hilfe leisten, im Sinne von bezahlen? Wie legen unsere Krankenkassenkarte hin und fertig. Da muss der Arm wahrscheinlich halb ab sein, dass man wirklich zum Arzt geht. Dort finden sicher auch weitaus mehr traumatische Erfahrungen statt als hier...

In der Grundaussage hast du recht, allerdings wird hier psychologische Hilfe leider nicht immer von der Krankenkasse übernommen...gerade bei Ehe- & Familientherapien übernimmt die Krankenkasse es i.d.R. nicht.
 

Novus

Well-Known Member
In dem Tread von 44/23 bzgl. Identitätskrise-Depression, einem Hilfeschrei, kamen viele interressante Beiträge, leider etwas OT. Zuletzt auf meinen Beitrag, indem ich öffentlich mich äußere in psychologischer Behandlung gewesen sein, von Richi dieser Post:
Hi Mare,

Mein Post war gar nicht auf dich bezogen. Sollte ganz was anderes vermitteln. Hätte ich den Hintergrund deiner psychologischen Behandlung gewusst, hätte ich meinen Post unter einem anderen Post gesetzt. Ich finde mein Post dazu unpassend. Entschuldige dafür. Wie auch Lilo finde ich es Klasse, dass du für dich einen Weg für die Aufarbeitung deiner schrecklichen Erlebnisse gefunden hast und so Stark im Umgang damit bist.

Mir ging es eher um all die anderen User, die sich zu ihrer Krankheit bekannt haben. Wie haben neben 44/23 andere User, die unter Depressionen, Identitätskrisen, Burn Out, Angstzuständen und Verlustängsten leiden. Auch in meinem Umfeld höre ich von immer mehr Menschen die nach Hilfe suchen. Auch von Psychologen die Patientenwartezeiten von mehreren Monaten haben. Ich stelle mir die Frage ob Menschen immer so waren, oder doch diese Krankheit immer mehr zunimmt und ob der Virus dieser Krankheiten nicht die heutige Gesellschaft selbst ist. Gründe dafür können sein: Auffangende Elemente wie Familie, Gemeinschaft, Religion, fallen immer mehr weg. Verrorung, Vereinsamung, Ellenbogenkultur, Gier nimmt zu.

Das Ziel jedes Lebens ist Glück. Ich denke manchmal das Nomaden in der Mongolischen Steppe einwenig mehr davon haben und wir uns was in die Tasche lügen, wenn wir sie im Fernsehen sehen und denken wieviel Glück man hat nicht in so einfachen Verhätnissen leben zu müssen. Ich sehe glücklichere Augen bei ihnen.
 
N

nazdar

Guest
Richie du liegst richtig.All das,was du aufzählst sind "Symptome"unserer heutigen Gesellschaft.
Sicher,psychiatrische Erkrankungen gab es schon immer und wird es weiter geben.Es gibt jede Menge Erkrankungen,die endogener Ursache sind.
Zunehmende Zahl an Erkrankungen findest du vorwiegend im Bereich derer,die von aussen beeinflusst werden,wie die von dir aufgezählten.
Ich arbeite in einer grossen psychiatrischen Klinik und sehe das tagtäglich.
Deine Gedanken zum Glück kann ich nachempfinden.
Ich selber habe für ein Jahr im Ausland gelebt und mich ganz bewusst am dortigen Lebensstandard orientiert:einfach ausgestattete Wohnung,kein Rechner und habe auch sonst auf alllen möglichen Schnickschnack verzichtet,mit dem wir uns hier umgeben,weil wir glauben,das haben zu müssen.
Ich habe wirklich garnichts vermisst.Ich war rundum glücklich und zufrieden obwohl ich sehr sparsam leben musste,verschiedene Jobs annehmen musste, um über die Runden zu kommen.
Wenn was übrig war,habe ich mir Kleinigkeiten geleistet und mich riesig darüber freuen können.
Bevor ich dorthin ging,habe ich mich irgendwie orientierungslos gefühlt;wusste nicht so richtig,wohin mich mein Weg führen soll.Diese ganze Konsumgier hat mich irre gemacht und ich hatte nur noch das Gefühl,mit allen aus Gewohnheit mit zu hasten.
In dem Jahr konnte ich für mein Leben die Priroritäten neu setzen und habe gespürt,was mir wirklich wichtig ist.
Ich denke,viele Menschen werden durch den Druck,der in unserer Gesellschaft herrscht krank,achten nicht mehr auf sich selber,hezten durch das Leben.
Ich hatte die Möglichkeit,mal auszusteigen aber andere können das nicht und werden krank.
 

Majnomon

Well-Known Member
Über einen langen Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung kann man vielleicht feststellen, dass die modernen Lebensformen mit ihrer massiven Beschleunigung tendentiell krank machen können.

Gleichzeitig hat sich der Bereich psychotherapeutisch-psychiatrischer Behandlungsmöglichkeiten seit vielleicht 30-40 Jahren immens verbessert, nicht zuletzt wegen einer verfeinerten Psychopharmakologie (die leider immer noch allzu häufig in ungerechtfertigtem Misskredit steht).

Was in weniger entwickelten Ländern nicht behandelt wird, muss oft unter den Teppich gekehrt, also schlichtweg verdrängt werden, wenn es ums nackte Überleben geht. Andererseits findet (vielleicht auch deswegen) eine gesellschaftliche Weiterentwicklung statt, man denke nur an die sogenannten "Schwellenländer", die in den letzten Jahren in ihrer Wirtschaftskraft enorm nachgezogen haben.


Traumata werden erforschtermaßen generativ weitergegeben. Vielleicht besteht in einer globalisierten und hochentwickelten Welt erstmalig die Chance, die Wunden aus Jahrhunderte andauernden seelischen Verletzungen über einen längeren Zeitraum mehrheitlich zu heilen.
 

maremisa

Active Member
Hi Mare,

Mein Post war gar nicht auf dich bezogen. Sollte ganz was anderes vermitteln. Hätte ich den Hintergrund deiner psychologischen Behandlung gewusst, hätte ich meinen Post unter einem anderen Post gesetzt. Ich finde mein Post dazu unpassend. Entschuldige dafür. Wie auch Lilo finde ich es Klasse, dass du für dich einen Weg für die Aufarbeitung deiner schrecklichen Erlebnisse gefunden hast und so Stark im Umgang damit bist.

Mir ging es eher um all die anderen User, die sich zu ihrer Krankheit bekannt haben. Wie haben neben 44/23 andere User, die unter Depressionen, Identitätskrisen, Burn Out, Angstzuständen und Verlustängsten leiden. Auch in meinem Umfeld höre ich von immer mehr Menschen die nach Hilfe suchen. Auch von Psychologen die Patientenwartezeiten von mehreren Monaten haben. Ich stelle mir die Frage ob Menschen immer so waren, oder doch diese Krankheit immer mehr zunimmt und ob der Virus dieser Krankheiten nicht die heutige Gesellschaft selbst ist. Gründe dafür können sein: Auffangende Elemente wie Familie, Gemeinschaft, Religion, fallen immer mehr weg. Verrorung, Vereinsamung, Ellenbogenkultur, Gier nimmt zu.

Das Ziel jedes Lebens ist Glück. Ich denke manchmal das Nomaden in der Mongolischen Steppe einwenig mehr davon haben und wir uns was in die Tasche lügen, wenn wir sie im Fernsehen sehen und denken wieviel Glück man hat nicht in so einfachen Verhätnissen leben zu müssen. Ich sehe glücklichere Augen bei ihnen.


Lieber Richie,

es gibt nichts zu entschuldigen, ich weiß dass du nicht mich angesprochen hast. Dennoch wollte ich gerne deinen Post aufgreifen und ihn zur Diskussion anbieten. Also alles gut ;-)

Ja auch ich sehe Menschen die von einem Termin zum anderen hetzen, scheinbar alles haben und es nicht sehen können. Währenddessen in scheinbar ärmeren Ländern die Augen noch lächeln, wobei ich persönlich Nomaden nicht zu den armen Menschen zählen. Sie wissen noch mit der Natur zu leben und alles so zu nehmen wie es kommt, währenddessen bei uns die Leute entweder gegen die Sonne (zu heiß!) oder gegen den Regen (zu nass) schimpfen und sowieso über alles und jeden. Doch uns geht es im Grunde sooo gut, scheinbar hat unsere Gesellschaft verlernt auf die 98 % zu blicken die super laufen und sehen nur noch die 2% die schlecht sind. Viele sind deshalb müde, ausgelaugt, misstrauisch usw. einige wenige die wirklich genug davon haben, gehen eben zum Therapeuten und ich finde es sehr gut wenn jemand dazu steht.

lg maremisa
 

Msane

Well-Known Member
Ich finde die Zunahme an psychologischen Erkrankungen hängt tätsächlich mit den Lebensumständen in hochentwickelten Ländern zusammen.
Immer mehr Menschen leben dichtgedrängt in Städten.
Und der Mensch neigt dazu sich mit anderen Menschen zu vergleichen, da man in großen Städten lebt kann man dem vergleichen nicht mehr ausweichen und befindet sich dauerhaft in einer "Konkurrenzsituation".
Im Alltag wird das als solches nicht wahrgenommen, es ist aber permanent vorhanden.
Immer mehr Menschen studieren, normale Ausbildungsberufe haben heute schon ein "Loserimage".
Das Aussehen wird immer wichtiger um soziale Anerkennung zu finden, Fitnessstudios, Sonnenstudios und Schönheitschirurgen haben Hochkonjonktur, selbst minderjährige Schülerinnen machen sich heute schon wie Models zurecht.
Wer da nicht mithalten kann, oder zumindest meint das es so ist landet schnell in der Depression.
Viele werden heute ja schon depressiv wenn sie weniger als hundert Facebookfreunde haben.


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S

sommersonne

Guest
Dazu kommt dann noch das viele, die nicht mithalten können, sich ausgegrenzt fühlen oder sogar tatsächlich ausgegrenzt werden. Das kann auch zu Depressionen führen.
Anderes Beispiel. Alt sein wird abgewertet, fast verachtet. Das war früher ganz und garnicht so. Da wurden die Alten geachtet, auf ihr Wort wurde Wert gelegt. Hat sich total gewandelt.
Generell, wenn jemand anders ist, dicker als die Norm, kleiner als der Durchschnitt, kann das schon dazu führen, das man ausgegrenzt wird. Kein Wunder, das diese Menschen sich dann schlecht fühlen. Der Druck ist enorm gewachsen.
 
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