Warum ist das Konvertieren so ein Problem?

Lumiukko

Well-Known Member
Der Fakt, ob dieses "Problem" in einer Partnerschaft diskutiert wird, scheint hier geradezu ein Maßstab für die Gesundheit einer Beziehung zu sein: Nur, wenn die Religion (die eigene und die des anderen) beiden möglichst egal ist, kann die Beziehung dauerhaft sein.

Ich glaube es geht dabei nicht darum, ob einem Religion egal ist. Es geht darum, dass einige Menschen einen nicht akzeptieren, wenn man nicht der gleichen Religion angehört. Zu Konvertieren löst hierbei nicht das Problem. Die Religion ist dabei oft nicht das tatsächliche Problem, sondern häufig geht es dabei um die Erziehung der Kinder. Zudem könnte man vermuten, dass wenn die Menschen eine Konvertierung voraussetzen, wird es in Zukunft noch andere Dinge geben, wo es nicht nach ihrem Willen läuft... und du durch die Konvertierung bereits gezeigt hast, dass du dich anpasst. Das kann dir unter Umständen um die Ohren fliegen und dann ist das schon zu spät.

Da müssen doch überall Kompromisse geschlossen, bzw. von einer Seite auf bestimmte Aspekte verzichtet werden.

Das ist doch überall so. Nur bei der Religionszugehörigkeit sind Menschen sehr sensibel. Meistens sind es nicht einmal die beteiligten Menschen selbst, sondern deren Eltern.

Mir ist Religion unglaublich schnuppe, zumindest der praktische Teil. Meinem Freund ist der Islam aber sehr wichtig und von mir aus kann ich da auch gerne konvertieren, das macht für mich keinen Unterschied.

Sehe nur ich den Fehler? Dir ist Religion nicht wichtig, also würdest du auf dem Papier zum Islam konvertieren, der deinem Freund sehr wichtig ist? Ich halte das gewissermaßen für Heuchelei. Wenn mir Religion wichtig wäre, wäre es mir wichtig, dass mein Partner meine Religion im Falle einer Konvertierung auch sehr ernst nimmt.

Wenn wir also tatsächlich heiraten sollten, geht das nur mit Jobzusage für ihn in Deutschland und dann konvertiere ich für ihn auch. Ist das nicht eigentlich eine faire Geschichte?

Wenn ich deinen Beitrag so lese, lebst du den Pragmatismus etwas sehr willkürlich. Fair ist es in einigen Teilen schon, aber als ehrlich würde ich es nicht gerade bezeichnen. Wenn dir das egal ist, ist das natürlich gut für euch (oder die jeweils Beteiligten). Ich fürchte aber immer, dass so etwas irgendwann auf einen zurück kommt und es dann keinen Handlungsspielraum mehr gibt.
 

Msane

Well-Known Member
Konvertieren nur weil man hofft dadurch gegebenenfalls einer religiös intoleranten Verwandtschaft zu gefallen ist keine gute Idee.
 

sigute

Active Member
Es wundert mich im Grunde dessen, weil es doch auch ganz andere Entscheidungen in einer multinationalen Bezihung gibt, die einen mindestens ebenso grundsätzlichen Effekt auf die persönliche Entwicklung haben als die Wahl der Religionszugehörigkeit: In welchem Land leben wir? Wollen wir nahe anderer Familienmitglieder leben oder eher entfernt? Städtisch oder ländlich? Wie lassen sich Arbeit und evtl. Kinder vereinbaren, arbeiten beide und wenn ja wie viel? Welche Sprache wird zuhause gesprochen oder beide gleichermaßen oder eine weitere, gemeinsame? Da müssen doch überall Kompromisse geschlossen, bzw. von einer Seite auf bestimmte Aspekte verzichtet werden.

Ganz einfach ausgedrückt:

Der Wohnort, die Erziehung etc.... sind Dinge die auf partnerschaftlicher Ebene besprochen werden müssen, da es beide Partner betrifft.

Die Religionszugehörigkeit, egal ob man sich für eine oder gegen eine entscheidet, ist ein sehr persönliches Gut, und geht nur einen selber etwas an. Diese Freiheit seinen Glauben selbst definieren zu können, ist für mich ein großer Bestandteil eines autonomen Lebens.

Dein Zukünftiger wird ja jetzt in ein vorwiegend christliches Land einwandern, wäre es dann nicht viel sinnvoller wenn er zum Christentum konvertieren würde? Also nur so zum Schein, er darf ja weiterhin an "seinen" Gott glauben, aber dieser Schritt würde einen enormen Integrationswillen zeigen und wäre demnach sehr förderlich.

Findest du das überzogen? Für mich ist es das gleiche...
 
Y

Yaso1982

Guest
Dein Zukünftiger wird ja jetzt in ein vorwiegend christliches Land einwandern, wäre es dann nicht viel sinnvoller wenn er zum Christentum konvertieren würde? Also nur so zum Schein, er darf ja weiterhin an "seinen" Gott glauben, aber dieser Schritt würde einen enormen Integrationswillen zeigen und wäre demnach sehr förderlich.

Findest du das überzogen? Für mich ist es das gleiche...

Integrationswillen??
Hier geboren und aufgewachsen, perfekte Beherrschung der Sprache, Schule und Ausbildung beendet, Deutsche Staatsbürgerschaft erlangt, bei einem riesen Deutschen Arbeitgeber in guter Position unbefristet tätig und trotzdem bin ich immer die Ausländerin.. Die auf der Straße mit "du mich verstehen" angesprochen wird, die gefragt wird "hast du dir deinen Ehemann selber ausgesucht oder wurdest du zwangsverheiratet", "haben deine Eltern Geld bekommen, als du geheiratet hast", "du bist doch Muslimin - was sagst du zum Terrorismus"

In Deutschland kannst du schon alles erreicht haben und trotzdem bleibst du immer der Ausländer..

@Jeanne: konvertieren sollte man dann, wenn man von einer Religion überzeugt ist und tief den Drang verspürt ihr anzugehören. Da du geschrieben hast, dass dir Religion relativ egal ist, solltest du das Thema konvertieren auch sein lassen. Ich finde es heuchlerisch, zu konvertieren, nur um es der Familie des Freundes recht zu machen und den Schein zu wahren, aber innerlich keine Bindung zu der Religion zu haben.
In dem Thread "heiraten und konvertieren" haben wir vor kurzem das Thema schon ziemlich ausführlich erläutert.
Falls du es nicht schon getan hast, lies ihn dir mal bitte durch, dort wirst du vieles nachlesen können!
 

sigute

Active Member
Integrationswillen??
Hier geboren und aufgewachsen, perfekte Beherrschung der Sprache, Schule und Ausbildung beendet, Deutsche Staatsbürgerschaft erlangt, bei einem riesen Deutschen Arbeitgeber in guter Position unbefristet tätig und trotzdem bin ich immer die Ausländerin.. Die auf der Straße mit "du mich verstehen" angesprochen wird, die gefragt wird "hast du dir deinen Ehemann selber ausgesucht oder wurdest du zwangsverheiratet", "haben deine Eltern Geld bekommen, als du geheiratet hast", "du bist doch Muslimin - was sagst du zum Terrorismus"

Also erstens war das natürlich nicht ernst gemeint von mir...
Und zweitens: Was ist so schlimm daran wenn man nach kulturellen Unterschieden gefragt wird? Wenn ich jemanden aus dem Osten treffe, frage ich ihn auch wie er die DDR damals empfunden hat, und wenn gerade mal wieder das Thema (sorry) Rechtsradikalismus im Osten auf dem Plan steht, würde ich ihn auch nach seinem empfinden befragen.
Im Gegenzug habe ich kein Problem damit wenn man mich befragt ob man den Österreichern während des Laufens tatsächlich die Schuhe besohlen kann...

Und mein Mann lebt seit 5 Jahren in Deutschland und wurde noch nie mit "du mich verstehen" angesprochen, er wird nicht regelmäßig durch die Polizei kontrolliert oder ähnliches. Tatsächlich wird er ganz normal behandelt, ob freundlich oder ablehnend, wie ich auch.
 

Jeanne

Member
Vielen Dank für eure Antworten und ich glaube, ich muss noch ein paar Dinge erklären:

1. Mir ist (jedwede) religiöse Praxis zwar egal, aber ich kenne mich sehr gut aus in der Theorie. Im Gegensatz etwa zu meinem Freund habe ich die wichtigen Schriften des Islams gelesen, jetzt fragt er mich schon immer nach der Legitimität bestimmter Handlungen. Will sagen: Ich habe mich bereits sehr eingehend damit beschäftigt und habe auch nach wie vor großes Interesse an dieser religion als kulturellem Gut und trotzdem mein Seelenheil nicht bei Allah gefunden. Deshalb würde ich auch nie aus eigener Überzeugung konvertieren.

2. Für meinen Freund hat das aber eine gewisse Wichtigkeit. Und wenn ich damit ihn und gleich seine ganze Familie beruhigen kann, anstatt bei einer Religion zu beharren, der ich zufällig seit Geburt an angehöre und die mir (ebenfalls) nichts bedeutet - warum denn nicht? Über eine Religionszugehörigkeit auf dem Papier wird der ganze Humbug natürlich nicht hinausgehen. Aber so ist es ja jetzt auch schon. Im Grunde würde sich also nichts verändern. Zumindest nicht für mich.

3. Dass er nach Deutschland käme, würde er genauso wenig aus eigenem Antrieb, aus eigener Überzeugung tun. Sondern für mich. Weil ich das gerne so hätte. Weil ich mich dort wohlfühle und mein Leben dort mit ihm verbringen möchte. Von selbst hätte er nie vorgehabt, aus seinem Heimatland fortzugehen. Ich finde das eigentllich auch egoistisch von mir, einfach weil ich mir die Alternative Türkei überhaupt nicht vorstellen kann. Geächtet werde ich hier trotzdem nicht. Warum eigentlich nicht? Ach ja - dass er irgendwann zu mir kommt und sagt: Ich habe diesen Traum und bin nun auf einmal selbst total überzeugt davon, nach Deutschland zu gehen und selbst wenn du nicht wärst, würde ich gehen! - sollte ich das jetzt ebenfalls von ihm erwarten?

Was ich aber verstehe, ist der Einwand, dass man sich mit dem Konvertieren natürlich einem gewissen Anspruch und dem Willen des anderen beugt. Aber wie kann ich denn von ihm in diesem so wichtigen Punkt Toleranz einfordern, wenn ich in einem anderen, mir wichtigen Punkt ebenfalls nicht mit mir diskutieren lasse? Ist das nicht eigentlich so ein Geben und Nehmen wie es sein sollte?
 
C

CrazyWoman

Guest
Dass ihr im gleichen Land lebt ist Grundvoraussetzung für das Weiterbestehen der Beziehung.
Dass man die gleiche Religion hat, nicht.

Das ist für mich der Unterschied.
 
Y

Yaso1982

Guest
Deshalb würde ich auch nie aus eigener Überzeugung konvertieren.

2. Für meinen Freund hat das aber eine gewisse Wichtigkeit. Und wenn ich damit ihn und gleich seine ganze Familie beruhigen kann, anstatt bei einer Religion zu beharren, der ich zufällig seit Geburt an angehöre und die mir (ebenfalls) nichts bedeutet - warum denn nicht? Über eine Religionszugehörigkeit auf dem Papier wird der ganze Humbug natürlich nicht hinausgehen. Aber so ist es ja jetzt auch schon. Im Grunde würde sich also nichts verändern. Zumindest nicht für mich.

Wenn du es deinem Freund so offen dargelegt hast, wie du es hier beschreibst, dann kann ich ihn allerdings auch nicht verstehen. Wieso möchte er dann von dir, dass du konvertierst, wenn du es nicht aus Überzeugung tun würdest?
Er würde damit doch alle nur belügen und zu aller erst sich selbst! Was hat das mit Islam zu tun?

Wenn ihm seine Religion so wichtig ist, weiß er auch, dass er eine anders gläubige heiraten darf und sie nicht zum konvertieren zwingen bzw. überreden muss. Aber anscheinend ist es ihm wichtiger, seine Eltern zu beruhigen und sich den Stress nicht an zu tun, den er evtl. bekommen würde.
Das ist doch schon ein Zeichen dafür, dass er bei der geringsten Kleinigkeit gleich den Schwanz einzieht.
Wenn er sich schon bei den Grundsätzlichen Unterschieden eures Lebens nicht bei den Eltern durchsetzen kann, na dann viel Spaß!!

Mein Bruder ist auch mit einer Katholikin verheiratet, sie lebt ihren Glauben und er seinen. Beide binden ihre Traditionen in die Kindererziehung mit ein. Natürlich gibts es ab und an auch mal Punkte in denen sich beide uneinig sind, vorallem beim Thema Religion. Aber immerhin haben sie uns nicht belogen und uns vorgemacht, dass sie konvertiert wäre. Das fände ich viel schlimmer, als das sie jetzt weiterhin mit ihrer Religion lebt.
 
Top