Welche Schuld...

grünesblau

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

es gibt diesen schleichenden antisemitismus, der sich immer dann bahn bricht, wenn position bezogen wird, wo keine gefordert ist, wenn nicht differenziert wird oder nicht differenziert werden kann oder aber auch nicht differenziert werden will, weil die eigene argumentation eine einseitige "hau-drauf-aktion" ist, da es gerade en vogue ist. meinungen werden übernommen, weil es "sich so gehört" oder die pressure group gerade keine andere deutung zulässt. ein beweis dafür ist, dass sich deutsche oder sogar die deutschen noch immer nicht ihrer selbst als nation bewusst – und den sich daraus ergebenden implikationen wie der geschichte, des wohlstands, der verantwortung. es wird dann die abgrenzung gegenüber dem fremden gesucht und da ist nichts einfacher als überkommene stereotype zu pflegen.

demokratie, pluralismus und rechtsstaat haben in der deutschen gesellschaft wurzeln geschlagen. tief verwurzelt sind sie noch nicht. denn welchen begriff von demokratie leben wir derzeit überhaupt? sind wir nicht schon in der postdemokratie von crouch angekommen?

Nach seiner Definition ist doch echte Demokratie vollkommen unrealistisch. Das politische Desinteresse der breiten Masse ist meiner Ansicht nach kein zeitgeisttypisches Problem und mithin ihre Beeinflussung durch Interessensgruppen eine Konstante in der Geschichte. Nur die Medien ändern sich. Früher war es das Flugblatt, heute sind es Zeitung, TV und Internet.

Die Abgrenzung vom Fremden ist in der Psyche des Menschen angelegt....

...ach verflixt. Würd gern weiterschreiben, aber die Pflicht ruft. :roll:
 

vzd_2.1

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

Die Abgrenzung vom Fremden ist in der Psyche des Menschen angelegt....

ich denke nicht, dass die abgrenzung vom fremden in der psyche des menschen angelegt oder der festplatte evolutionärer verhaltensresiduen abgespeichert ist, denn das würde eine abgrenzung allein dem fremden gegenüber bedeuten und hätte für jedweden forscherdrang das aus bedeutet. die abgrenzung funktioniert auch innerhalb einer gruppe, sogar innerhalb einer kleinstgruppe. die grenzziehung gegenüber einem fremden (im sinne eines feindes) wird zur stärkung der gruppendistinktion herangezogen – immer dann, wann es passt, und um argumentationslücken zu schließen. es wird das fremde zum feind stilisiert – ohne wirklich einen feind zu haben.
 

vzd_2.1

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

Nach seiner Definition ist doch echte Demokratie vollkommen unrealistisch. Das politische Desinteresse der breiten Masse ist meiner Ansicht nach kein zeitgeisttypisches Problem und mithin ihre Beeinflussung durch Interessensgruppen eine Konstante in der Geschichte. Nur die Medien ändern sich. Früher war es das Flugblatt, heute sind es Zeitung, TV und Internet.

demokratie, so wie sie crouch definiert und einschränkt, führt er selbst zu einem unrealisitischen konstrukt. wobei zu diskutieren ist, welche begriff oder begrifflichkeit von demos überhaupt gemeint ist, und ob die beweisführung, die er seinerselbst willen konstruiert, überhaupt zulässig ist.

ich denke schon, dass die derzeitige politikverdrossenheit, desinteresse, ablehnung des politischen/demokratischen systems ein zeitgeisttypisches phänomen ist. so belegt beispielsweise die wahlbeteiligung im zeitverlauf der bundestagswahlen eine weitaus höhere politische motivierung in den sechziger- und siebzigerjahren.
 

grünesblau

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

ich denke nicht, dass die abgrenzung vom fremden in der psyche des menschen angelegt oder der festplatte evolutionärer verhaltensresiduen abgespeichert ist, denn das würde eine abgrenzung allein dem fremden gegenüber bedeuten und hätte für jedweden forscherdrang das aus bedeutet. die abgrenzung funktioniert auch innerhalb einer gruppe, sogar innerhalb einer kleinstgruppe. die grenzziehung gegenüber einem fremden (im sinne eines feindes) wird zur stärkung der gruppendistinktion herangezogen – immer dann, wann es passt, und um argumentationslücken zu schließen. es wird das fremde zum feind stilisiert – ohne wirklich einen feind zu haben.

Es ist durchaus kein Widerspruch, dass die Abrenzung zum Fremden in der Psyche des Menschen veranlagt ist und er dennoch Forscherdrang entwickelt. Die Konstruktion des Fremden ist zunächst eine ganz normale Abgrenzung des Individuums zu seiner Umwelt. Nach Erdheim ist z.B. auch das Fremdeln eines Kleinkindes unter diesem Aspekt zu sehen. In der späteren Entwicklung kann es zur Projektion eigener ungeliebter Anteile auf das Fremde kommen. Wie ich finde gar nicht mal so abwegig, da man ohnehin am stärksten auf die Schwächen des Gegenübers anspringt, die zu den eigenen (so empfunden) Unzulänglichkeiten zählen.
Letzlich kommt es ganz darauf an, wie der Einzelne auf das Fremde reagiert - mit Angst oder Faszniation. Das wiederum ist von zahlreichen Faktoren abhängig, die in der Entwicklung des Individuums Einfluss nahmen.

Das nur in Kürze.. komme schon wieder nicht zum Weitertippen. Bleibe aber am Ball. :wink:
 
M

Mein_Ingomann

Guest
AW: Welche Schuld...

Ja. Es ist nicht so, dass die Deutschen keine Anschübe von außen gebraucht hätten, um mit militaristischer und nationalsozialistischer Vergangenheit zu brechen. Aber genau das was du beschreibst war eine unglaubliche Leistung. Und ja, wirklich Leistung. Ich denke, niemand wird gern mit den dunklen Flecken der Vergangenheit des eigenen Volkes konfrontiert. Auch wenn jedem bewusst sein wird, dass man dazu nichts beigetragen hat. Aber dann noch ganz konkret in der Familie nachzubohren, Eltern, Großeltern damit zu konfrontieren, auch zwischenmenschliche Brüche innerhalb der Familie zu riskieren.



Ich habe nicht den Eindruck, dass es das wird.:) Ich denke schon, dass sich die deutsche Gesellschaft als eine etabliert hat, in der Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaat usw. recht tief sich verwurzeln konnten. Was nicht bedeutet, dass Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus nicht vorhanden wären oder auch problematisiert gehören.

Dieser Generationenkonflikt barg auch einiges Spaltmaterial, nicht nur für die einzelnen Familien auch für die Gesellschaft insgesamt. Brüche, die erst eine Generation später wieder zusammenwuchsen.
Die Aufarbeitung dieser Zeit ist auch immer noch nicht gänzlich abgeschlossen.

Heute müssen wir darauf achtgeben, dass Thesen wie die eines Herrn Sarrazin nicht zur allgemeinen Wahrheit werden und sich Gedankengut von ganz rechts aussen wieder in der Mitte der Gesellschaft breitmacht. Gefährlich sind nicht nur die, die offen ihren Hass zur Schau tragen, sondern vor allem die, die ihnen heimlich Beifall klatschen.
 

vzd_2.1

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

Ja. Es ist nicht so, dass die Deutschen keine Anschübe von außen gebraucht hätten, um mit militaristischer und nationalsozialistischer Vergangenheit zu brechen. Aber genau das was du beschreibst war eine unglaubliche Leistung. Und ja, wirklich Leistung. Ich denke, niemand wird gern mit den dunklen Flecken der Vergangenheit des eigenen Volkes konfrontiert. Auch wenn jedem bewusst sein wird, dass man dazu nichts beigetragen hat. Aber dann noch ganz konkret in der Familie nachzubohren, Eltern, Großeltern damit zu konfrontieren, auch zwischenmenschliche Brüche innerhalb der Familie zu riskieren.

es brauchte jedoch mehr als zwanzig jahre nach ende der nazidiktatur, nahezu eine ganze generation, bis die gesellschaft der brd die konfrontation begann sich mit den verbrechen der nazis auseinanderzusetzen, die elterngeneration zu fragen, die traditionen und das erbe der elterngeneration infrage zu stellen. dies wurde zu einem großen momentum der achtundsechziger und wurde beispielsweise von gudrun ensslin und silke maier-witt und anderen mitglieder der ersten und zweiten raf-generation als erklärung für die eigene radikalisierung und den persönlichen weg in den extremismus herangezogen. was später zur erkenntnis und zur lösung der persönlichen schuldfrage führte, dass extremismus (rechts) nicht durch extremismus (links) bekämpft werden kann, da beide sich der gleichen mittel bedienten und muster lebten.
 

vzd_2.1

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

Es ist durchaus kein Widerspruch, dass die Abrenzung zum Fremden in der Psyche des Menschen veranlagt ist und er dennoch Forscherdrang entwickelt. Die Konstruktion des Fremden ist zunächst eine ganz normale Abgrenzung des Individuums zu seiner Umwelt. Nach Erdheim ist z.B. auch das Fremdeln eines Kleinkindes unter diesem Aspekt zu sehen. In der späteren Entwicklung kann es zur Projektion eigener ungeliebter Anteile auf das Fremde kommen. Wie ich finde gar nicht mal so abwegig, da man ohnehin am stärksten auf die Schwächen des Gegenübers anspringt, die zu den eigenen (so empfunden) Unzulänglichkeiten zählen.
Letzlich kommt es ganz darauf an, wie der Einzelne auf das Fremde reagiert - mit Angst oder Faszniation. Das wiederum ist von zahlreichen Faktoren abhängig, die in der Entwicklung des Individuums Einfluss nahmen.

Das nur in Kürze.. komme schon wieder nicht zum Weitertippen. Bleibe aber am Ball. :wink:

ich sehe einen unterschied zwischen dem konkreten fremden und dem generellen fremden. die frühkindliche entwicklung beginnt mit der beantwortung der frage "wo bin ich?" bevor es an die frage "wer bin ich?" geht, die durch wahrnehmung des anderen ab etwa dem achten lebensmonat für sich beantwortet wird und mit der erkenntnis von "gut" und "böse" einhergeht.
im der späteren genese ist die wahrnehmung des fremden stets über neugierde oder furcht geleitet, was sich m.e. eher durch prägung/erziehung manifestiert, denn durch evolutionäre handlungsresiduen. dass sich darin dann eine übertragung eigener schwächen, wünsche, befürchtungen ergibt, sehe ich wie du. beim konkreten fremden.
der generelle fremde ist jedoch ein konstrukt, das geschaffen wird (religion, staat, o.ä.), um herrschaft zu manifestieren.
 

grünesblau

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

ich sehe einen unterschied zwischen dem konkreten fremden und dem generellen fremden. die frühkindliche entwicklung beginnt mit der beantwortung der frage "wo bin ich?" bevor es an die frage "wer bin ich?" geht, die durch wahrnehmung des anderen ab etwa dem achten lebensmonat für sich beantwortet wird und mit der erkenntnis von "gut" und "böse" einhergeht.
im der späteren genese ist die wahrnehmung des fremden stets über neugierde oder furcht geleitet, was sich m.e. eher durch prägung/erziehung manifestiert, denn durch evolutionäre handlungsresiduen. dass sich darin dann eine übertragung eigener schwächen, wünsche, befürchtungen ergibt, sehe ich wie du. beim konkreten fremden.
der generelle fremde ist jedoch ein konstrukt, das geschaffen wird (religion, staat, o.ä.), um herrschaft zu manifestieren.

Ich meinte auch nicht, dass die Wahrnehmung des Fremden genetisch festgelegt ist, sondern Entwicklungsschritte (u.a. Prägung/ Erziehung, wie Du schon sagst) darauf Einfluss nehmen, ob nun mit Faszination oder Angst auf das Fremde reagiert wird. Die Ambivalenz des Fremden indes sehe ich schon als "naturgegeben" und der Umgang mit ihr als Bestandteil psychischer Entwicklung. Ich kann allerdings keinen Unterschied zwischen "konkreter" und "genereller" Fremdheit entdecken, da ich sie grundsätzlich als Konstruktion betrachte. Erst einmal ist etwas ja nur anders. Etwas wird als anders wahrgenommen. Dass es als "das Fremde" indentifiziert wird, ist das Ergebnis eines Prozesses der Selbstverortung.

Mich würde dennoch interessieren, wie Du das konkret meinst, dass generell Fremdes geschaffen wird, um Herrschaft zu manifestieren.
 

vzd_2.1

Well-Known Member
AW: Welche Schuld...

Ich meinte auch nicht, dass die Wahrnehmung des Fremden genetisch festgelegt ist, sondern Entwicklungsschritte (u.a. Prägung/ Erziehung, wie Du schon sagst) darauf Einfluss nehmen, ob nun mit Faszination oder Angst auf das Fremde reagiert wird. Die Ambivalenz des Fremden indes sehe ich schon als "naturgegeben" und der Umgang mit ihr als Bestandteil psychischer Entwicklung. Ich kann allerdings keinen Unterschied zwischen "konkreter" und "genereller" Fremdheit entdecken, da ich sie grundsätzlich als Konstruktion betrachte. Erst einmal ist etwas ja nur anders. Etwas wird als anders wahrgenommen. Dass es als "das Fremde" indentifiziert wird, ist das Ergebnis eines Prozesses der Selbstverortung.

Mich würde dennoch interessieren, wie Du das konkret meinst, dass generell Fremdes geschaffen wird, um Herrschaft zu manifestieren.

der konkrete fremde ist der fremde mensch, mit dem man sich persönlich auseinandersetzt, dem man begegnet und den man kennenlernt – oder ihn ablehnt. die motivation dazu resultiert aus eigener erfahren. der generelle fremde ist ein konstrukt, das mit stigmatisierung arbeiet, klischees betont, vorurteile schürt. in der euro-krise: der grieche, den wir persönlich kennen, lebt sein leben, für das wir sympathie oder antipathie empfinden, je nach persönlichem lebensentwurf. griechen an sich gelten als – ich möchte an dieser stelle keines der pauschalen urteile bedienen und zitieren, die derzeit umeinandergeistern.
die propaganda der nationalsozialisten hat konstrukte von fremdheit geschaffen (antiziganismus, antisemitismus), um ihre macht zu festigen. religion setzt auf ein von der norm abweichendes fremdheitsbild (sieh at, koran), um macht zu instalieren.
 
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