AW: Wer bin ich?
vielleicht hilft es ja sich klarzumachen, dass es eine absolute und allgemeingueltige antwort auf diese frage gar nicht gibt, sondern, je nach einstellung, denk- und lebensweise des einzelnen, viele moegliche antworten, von denen die beste die ist, die der eigenen meinung nach am besten zu einem passt, mit der man sich wohl fuehlt.
mich hat die frage auch eine zeitlang beschaeftigt, bis ich dann beschlossen, mich damit nicht unter druck zu setzen und sie beiseite zu legen. letzten endes wirkt jede konkrete antwort ja in gewisser weise beschraenkend. wieso soll ich kein badenser sein, weil ich in dieser gegend geboren und aufgewachsen bin und mit dem schoenen kraichgau auch wirklich heimatgefuehle verbinde, oder aber auch deutscher sein, weil ich hier geboren bin und lebe, eine sehr deutsche schulbildung genossen habe und in der deutschen sprache doch etwas mehr ausdruecken und formulieren kann als in der tuerkischen; und wieso soll ich auc nicht tuerke sein, wenn ich von tuerkischen eltern bin, in der tuerkei die meisten verwandten sitzen habe, waehrend der fruehkindlichen erziehung innerhalb der familie die tuerkischen denk- und lebensweise praegend war.
so ist das nun mal bei uns tuerken der zweiten und dritten generation und
ich denke, das passt so sehr gut. jede weitere festlegung waere doch einschraenkend, wuerde doch vielfalt einschraenken und fragen hervorrufen, die gar nicht noetig scheinen. es ist doch im grunde wunderbar, dass ich mit zwei sprachen und mit zwei unterschiedlichen denkweisen aufgewachsen bin und gelebt habe. das ist die antwort, die mir am besten gefaellt. ich kann mich ueber erfolge der deutschen fussballmannschaften genauso freuen wie ueber die der tuerkischen. und wenn sie einmal tatsaechlich gegeneinander spielen sollten, dann wird mein herz wohl eher fuer den underdog schlagen als fuer die favorisierte mannschaft. aber das hat wiederum nichts mit zugehoerigkeit zu tun, sondern ist vielmehr eine ganz individuelle allgemeine einstellung.
was ich in diesem ganzen zusammenhang etwas schade finde, ist, dass sich unsere leutchen mit vergleichbarem biografischem hintergund so schwer damit tun, so etwas wie eine eigene kultur hervorzubringen, die diesem biografischen hintergrund am ehesten gerecht wird. viel zu viele sind der meinung, dass sie sich nur zwischen deutsch oder tuerkisch entscheiden koennten oder muessten. aber das stimmt gar nicht. eine vollstaendige identifikation (die natuerlich auch nicht notwendig ist) wird es weder mit den tuerken geben, die in der tuerkei aufgewachsen sind, noch mit den deutschen mit deutscher herkunft. wir sind etwas neues, etwas eigenes, etwas anderes, und dieses bewusstsein setzt sich leider nur sehr schleppend durch.