AW: lange Geschichte mit gutem Ende insallah
Der Onkel begrüßte mich überschwänglich und stellte mich den Nachbarn vor. Diese kannte ich noch nicht, da sie erst neu hier her gezogen waren. Ich wurde dann gleich auf einen Kaffee eingeladen und musste sofort erzählen, wie meine Reise war. Der Cousin hatte sich ohne weitere Worte verdünnisiert. Ich saß eine ganze Zeit lang beim Onkel und den Nachbarn. Wir redeten über dies und das.
Ich wurde dann ausgefragt, wie lange ich bleiben werde und wie ich mir so den Urlaub hier vorstelle. Wahrheitsgemäß sagte ich, dass ich selber noch nicht genau weiß, wie das alles so wird. Ich war ja auch gar nicht überzeugt davon, dass morgen wirklich mein Schätzchen aus dem Gefängnis kommen würde. Der Onkel war sehr überzeugt von der Entlassung meines Mannes und wollte ganz genau wissen, wie unsere nahe Zukunft verlaufen soll.
Ich erzählte ihm dann, dass ich in Deutschland alles vorbereitet hatte, damit wir heiraten konnten. Ich hatte alle Papiere besorgt, alles übersetzen lassen, viel Zeit und Geld aufgewendet. Jetzt hoffte ich, dass alles gut gehen wird und wir wirklich unseren Traum verwirklichen konnten. Ich erzählte ihm auch ganz stolz, dass ich extra für die Hochzeit einen Pass beantragt hatte. Der Onkel war sehr neugierig und wollte ihn unbedingt sehen.
In dem Pass stand natürlich noch nicht viel drin, da er ja fast neu war. Nun ja, mein Pass wurde genauestens studiert und plötzlich sah mich der Onkel mit großen Augen an. Mein Mädchen. Wenn ich gewusst hätte, dass heute dein Geburtstag ist, hätte ich dich selber abgeholt. Naja, war ja alles nicht so schlimm. Ich würde es überleben und außerdem gab es Dinge, die wichtiger waren als mein Geburtstag.
Nach der Unterhaltung mit den Nachbarn zogen der Onkel und ich in seinen Laden um. Er hatte Kundschaft bekommen und danach gesellten sich noch ein paar Freunde zu uns. Ich fühlte mich wieder wie im Juni. Hier in meiner Ecke auf der Bank hatte ich so viele Stunden verbrachte und sehnsüchtig auf eine Neuigkeit von meinem Süßen wartete. Es kam mir vor, als wenn keine 5 Monate und 5 Tage vergangen wären. Es kam mir vor, wie wenn es gestern gewesen wäre. Diese Wartezeit war eigentlich sehr lang und auch recht hart gewesen, aber jetzt war alles, wie weg gewischt.
Dann kam die Tante vollbepackt mit tausend Tüten vom Bazar. Wir rannten schnell auf die andere Straßenseite und nahmen ihr die ganzen Tüten ab. Sie kam dann auch erstmal mit in den Laden und erholte sich von der ganzen Schlepperei. Sie war auch glücklich, dass ich endlich da war und war sehr zuversichtlich, dass alles gut werden wir. Wir gingen dann zusammen in die Wohnung und ich begrüßte erstmal den Rest der Familie.
Die Frau des mittleren Cousins hatte vor 4 Monaten ihr Baby bekommen und der Kleine schrie die ganze Zeit, wie am Spieß. Am Anfang fand ich das ja noch ganz süß, aber irgendwann reichte es wirklich. Er wollte einfach nicht aufhören. Sogar das Abendessen erfolgte in mehreren Etappen. Irgendjemand musste immer den Kleinen in der Wiege schaukeln, damit er auf einer annehmbaren Lautstärke blieb.
Als er dann endlich eingeschlafen war, machten wir es uns etwas gemütlich und besprachen den Plan für den nächsten Tag. Alle waren sehr entspannt und meinten, dass es reichen würde, wenn ich nach dem Ausschlafen zusammen mit dem Cousin losfahren würde. Nein. Ausschlafen gibt es nicht. Ich will dort um 8 Uhr sein. Es kann ja sein, dass mein Süßer schon ganz früh raus kommt. Zuerst stieß ich auf Unverständnis. Man musste doch nicht so einen Stress machen. Mit der türkischen Gemütlichkeit könnten wir das doch auch regeln.
Aber als ich ihnen erklärt hatte, dass ich auch ohne den Cousin zum Gefängnis fahren werde, waren sie doch für diese frühe Zeit. Sie wollte schließlich nicht, dass ich mich mutterseelenalleine auf den Weg nach Mahmutlar machen. Aber ehrlich, das wäre mir gerade egal gewesen.
Danach wurden die Schlaflager verteilt. Die 3-Zimmerwohnung war eh schon sehr überfüllt mit 7 Personen und jetzt war ich auch noch da. Es musste ein guter Plan her, damit auch „der gute Ton“ gewahrt bleibt. Nach etwas hin und her waren wir uns einig. Ich schlief zusammen mit der Tante im Ehebett. Der kleine Cousin zusammen mit dem Onkel im Ehebett des mittleren Cousins, der mittlere Cousin mit Frau und Baby im Wohnzimmer und der große Cousin zog für diese Nacht zu seiner Tante in das Nachbarhaus. Was ein Durcheinander.
Im Bett dachte ich dann, dass ich bestimmt nicht schlafen könne. Ich war so aufgeregt wegen morgen. Außerdem hatte ich so viele Gedanken über die Familie im Kopf. Ich war froh, dass ich so herzlich aufgenommen und unterstützt wurde, aber ein bisschen traurig war ich auch. In den letzten Monaten hatte sich fast niemand um uns bzw. meinen Süßen gekümmert. An diesem Abend musste ich mir aber von allen anhören, wie sehr sie sich Sorgen gemacht hatten und meinen Mann auch ständig besuchen wollten. Nur leider kam immer wieder was dazwischen. Schade, wenn es vorbei ist, kann man viel sagen. Ganz in Gedanken schlief ich dann doch ein und ließ diesen anstrengenden Tag hinter mir.