AW: lange Geschichte mit gutem Ende insallah
Am nächsten Morgen stand ich auf und war fit, wie ein Turnschuh. Ich hatte jede Menge Energie und wusste schon in diesem Moment, dass ich sie gebrauchen werde. Die Familie vom Onkel war sehr gemütlich zu Gange und der Cousin, der ich begleiten sollte, war noch nicht aufgetaucht. Ich blieb erstmal ganz ruhig und machte mich fertig. Ich rechnete mit dem Schlimmsten und würde bis spät am Abend vor dem Gefängnis warten, wenn es nötig wäre. Dem entsprechend wählte ich meine Kleidung. Es war zwar relativ mild draußen, aber wenn man lange warten muss, kann es schnell kalt werden.
Ich verpackte mich, wie eine Zwiebel und ging dann auch zum Frühstück. So richtig Hunger hatte ich nicht, aber ich musste ja etwas essen. Irgendwann tauchte dann auch der Cousin auf und begann erstmal ganz gemütlich zu frühstücken. Das Ganze dauerte mir jetzt schon zu lange. Ich wusste genau, dass wir ein ganzes Stück Weg vor uns hatten. Es war ja eigentlich nicht weit weg, aber mit Dolmus und ein paar Mal Umsteigen würde schon einige Zeit ins Land gehen. Ich drängelte dann und wollte endlich los. Der Cousin beruhigte mich. Er hatte mit einem Freund telefoniert, der uns dann ab Alanya mit dem Auto zum Gefängnis bringen würde. Gut. Das würde schneller gehen, aber trotzdem hatten wir keine Zeit zu verlieren.
Nach dem ausgedehnten Frühstück des Cousins bekam ich dann endlich das Zeichen, dass wir jetzt los fahren würden. Ich hatte schneller meine Schuhe an, als er schauen konnte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite warteten wir nur ein paar Minuten auf die Dolmus und fuhren nun nach Alanya. Irgendwo in der Stadt stiegen wir aus und der Freund wurde nun angerufen. Während des Wartens wollte der Cousin unbedingt mir mit über irgendwelche weltpolitischen Dinge reden, aber ich hatte da überhaupt keinen Nerv drauf. Ich sah die Zeit ablaufen und hatte immer vor Augen, dass mein Süßer vielleicht schon entlassen worden wäre und dort jetzt ganz alleine stand.
Ich war echt beunruhigt. Ich wollte schließlich die Erste sein, die er sehen sollte. Wenn ich jetzt nicht dort wäre, was würde er tun. Er hatte kein Handy und wusste auch nicht, dass ich in der Türkei bin. Wenn er sofort in einen Bus nach Hause steigen würde? Ich machte mir wirklich viele Gedanken, aber eigentlich wusste ich, dass mich mein Schätzchen sofort anrufen würde. Es könnte passieren, was wolle, als allererstes würde er ein Telefon suchen und mich anrufen. Ich versuchte dann mich wieder etwas zu beruhigen, dieser Nervenkrieg hatte ja jetzt auch keinen Zweck.
Der Kumpel kam dann um die Ecke und wir quetschten uns zu zweit auf den Beifahrersitz. In diesem Auto gab es nur die zwei Sitze, aber was soll’s, es wird schon gehen. Der Freund war sehr nett. Er kannte meinen Süßen auch flüchtig und fragte mich nun etwas über unsere Beziehung aus. Ich war echt froh, dass ich über nichts hochtrabendes mehr reden musste und etwas in Erinnerungen schwelgen konnte. Ich erzählte ihm in Kurzfassung von unserem Kennenlernen, der schweren Zeit beim Militär, vom meinem Besuch in Ardahan und von unseren Zukunftsplänen.
Er war die ganze Zeit über sehr erstaunt und konnte kaum fassen, was wir schon zusammen erlebt hatten. Sehr beeindruckend fand er auch, dass ich türkisch sprach. Er sagte immer wieder, dass dies eine sehr große Liebe sei und dass er sowas noch nie so gesehen hatte. Er wünschte uns von ganzem Herzen alles Gute und eine glücklich Zukunft. Es tat echt gut mit ihm zu reden. Er war nicht eifersüchtig und erkannte neidlos die Beziehung zu meinem Schätzchen an. Bei anderen Leuten, beim Cousin oder beim Bruder, habe ich oft das Gefühl, dass sie eifersüchtig sind und Angst haben, dass ich ihnen meinen Mann wegnehme.
In Mahmutlar hielten wir nochmal an und kauften Wasser und Saft. Wir wussten ja nicht, wie lange wir warten würden und in der Nähe vom Gefängnis gab es keine Einkaufsmöglichkeit. Dann fuhren wir endlich den steilen Berg nach oben und ich sah schon eine große Mauer weiter oben. Die Straße führte an einem großen Schotterparkplatz vorbei direkt auf ein Tor zu. Dort stand ein Soldat mit Gewehr und hielt Wachen. Der Freund steuerte genau auf das Tor zu und wollte eigentlich durch fahren. Der Soldat hielt uns dann auf und fragte, wohin wir wollten. Wir antworteten wahrheitsgemäß, dass mein Schätzchen heute entlassen werden würde und wir auf ihn warten wollten.
Der Soldat meinte dann, dass drinnen zwar ein Warteraum sei, aber man bekommt nur Zutritt, wenn man einen Besucherschein hat. Diesen hatten wir natürlich nicht. Es gab eine kleine Diskussion und der Cousin wollte sich dann mit dem Soldaten anlegen. Er war echt sauer. Wir konnten ihn dann wieder beruhigen. Schließlich wollte ich den ganzen Tag hier warten und wir konnten nicht schon am Anfang Ärger gebrauchen. Der Freund ließ uns dann auf dem Schotterplatz raus und wollte nochmal in die Stadt fahren. Dort wollte er versuchen einen Besucherschein für uns zu bekommen und vielleicht nähere Angaben zu erfahren, wann mein Süßer raus darf. Er brauste davon und dort standen wir nun.