Ein sehr grundsätzliches Interview. Also auch mit praktischen Einsprengseln, Informationen.ZEIT: Hatten Sie den Eindruck, Ihren Gesprächspartnern mangelt es an Kompetenz?
Drosten: Auf der politischen Seite? Die Politiker können ja nicht alle bei Viruserkrankungen oder naturwissenschaftlichen Ausnahmesituationen dieser Größenordnung kompetent sein. Die kommen aus anderen Berufen, und auch aus denen sind sie häufig schon lange raus. Aber eine schon viel zitierte Ausnahme muss auch ich hervorheben: Angela Merkel. Die hat die richtigen Fragen gestellt. Sie ist superschnell in ihrer Auffassungsgabe. Sie hat ein mathematisches Verständnis, was bei diesen epidemiologischen Problemen wirklich weiterhilft.
ZEIT: Wenn ich doppelt geimpft bin, kann ich nach einer Infektion ähnlich infektiös sein wie ein vollkommen Ungeimpfter?
Drosten: Die Viruslast – und ich meine die isolierbare infektiöse Viruslast – ist in den ersten paar Tagen der Infektion durchaus vergleichbar. Dann sinkt sie bei Geimpften schneller. Das Dumme ist, diese Infektion wird gleich am Anfang übertragen. Ich bin überzeugt davon, dass wir nur einen geringen Nutzen von vollständig geimpften Erwachsenen haben, die sich nicht boostern lassen.
Und grundsätzlich hält er fest an der Idee, vorbei ist erst, wenn das Virus endemisch wird, und das geht nur über eine Booster-Infektion, nicht -Impfung:ZEIT: Wo ist der Ausweg?
Drosten: Mangels Alternativen wird man wegen der Ungeimpften wieder in kontakteinschränkende Maßnahmen gehen müssen. Ob das juristisch zu halten ist, weiß ich nicht. Übrig bleibt dann das 2G-Modell, also ein Lockdown für Ungeimpfte. Ob das noch im November die Inzidenz senkt – ich habe da meine Zweifel. In jedem Fall hoffe ich, dass man nicht wieder Schulen schließt. Das wäre eine verhältnismäßig leicht umsetzbare Maßnahme. Für die Politik ist das viel leichter, als zu sagen: Jetzt machen wir eine Homeoffice-Pflicht. Und die Folgen für Gastronomie und Handel, kurz vor Weihnachten, darüber möchte ich jetzt gar nicht nachdenken.
Und das finde ich das Fatalste an der jetzigen Situation. Die zu vielen Ungeimpften zwingen uns zur Auffrischungsimpfung, halten uns ab von der Booster-Infizierung. Heißt, nächstes Jahr, selber Plot, da zu viele immer noch nur geimpft und nicht genesen sind.ZEIT: Wie blicken Sie auf das nächste Jahr?
Drosten: Dieses Virus wird endemisch werden. Wir können es auf keinen Fall wegimpfen, weil wir nicht die ganze Weltbevölkerung impfen können. Und bald kommen auch Immun-Escape-Varianten, gegen die die Impfung nicht mehr wirkt. Darum müssen wir bewusst in die endemische Phase eintreten.
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ZEIT: Sie glauben, dass sich irgendwann jeder ansteckt?
Drosten: Ich halte das für unausweichlich. Wir werden uns alle – hoffentlich auf dem Fundament einer vollständigen Impfimmunisierung – irgendwann anstecken müssen, schon damit wir eine relevante Immunisierung kriegen.
ZEIT: Warum reicht die Impfung dazu nicht aus?
Drosten: Die Impfimmunisierung wirkt systemisch, sie schützt die Lunge, man erleidet keinen schweren Verlauf mehr. Aber die Grundimmunität schwindet allmählich, und die Schleimhaut in Nase und Rachen ist wieder ungeschützt. Das ist bei allen anderen Coronaviren auch so. Alle eineinhalb Jahre holen wir uns jedes dieser vier Coronaviren, ob wir daran erkranken oder nicht. Dadurch wird unsere Immunität immer wieder upgedatet. Bei diesem Coronavirus müssen wir auch in diesen Modus kommen.
ZEIT: Was bedeutet das konkret?
Drosten: Das heißt, auf dem Fundament einer Impfimmunität, die uns vor der Intensivstation schützt, kriegen wir irgendwann unsere erste Halsentzündung mit dem neuen Coronavirus. Manche kriegen auch Fieber. Und dann erleben wir später wahrscheinlich noch eine zweite oder dritte natürliche Infektion. Irgendwann ist auch unser Schleimhautschutz so belastbar, dass wir als Gesellschaft ganz gut immunisiert sind.
Wobei die Inzidenz dann immer noch nicht sein wird, was sie mal war; ein einigermassen grobes Abbild, was sich so tut, vor allem, in welche Richtung sich das ändert. Es gibt immer noch viel zu viel 3G, also Gelegenheiten zu wenig, uns Geimpfte zu testen. Das Infektionsgeschehen unter Geimpften bleibt immer noch weitgehend im Dunkeln.Bis Ende letzter Woche waren Corona-Tests noch kostenpflichtig für alle. Jetzt gibt es wieder Bürgertests. (Zu wenig, immer noch.) Warte einfach mal die Inzidenzzahlen Mitte/Ende nächster Woche ab. Und dann kannst Du noch mal nachdenken, ob der Anstieg wirklich real sein soll – Quatsch, der Anstieg, die Explosion –, oder nur die bisherige Dunkelziffer offenlegt.
Söder sagte, darüber könne man "im Frühjahr" reden (Tagesschau von heute, 20 Uhr).Österreich kündigt für Februar allgemeine Impfpflicht für alle an, Söder diskutiert das mal laut.
Da habe ich Besseresps Gibt es "södern" und "spahnen" eigentlich schon als Verben?