Der Freispruch war aufgehoben worden:
Das türkische Revisionsgericht in Ankara hat den Freispruch von Dogan Akhanli im Februar 2013 “kassiert” (s. Presseerklärung vom 17.4. 2013)
In einem Schnellverfahren hat das Gericht – gegen das Votum des obersten Staatsanwalts – verkündet, das Verfahren gegen Dogan müsse neu aufgerollt werden und habe mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft zu enden. Die Tatsache, dass in der mündlichen Verhandlung im Dezember 2010 alle angeblichen Belastungszeugen Dogans Unschuld beteuert und die Strafverfolgungsbehörden, besonders die Polizei, der Folter und der Manipulation von Aussagen angeklagt haben, sei – so das Gericht – nicht von Belang. Ausschließlich die Polizeiprotokolle von 1989/1992 und die z.T. unter Folter zustande gekommenen Aussagen darin seien zur Grundlage des künftigen Urteils zu machen. Das vom Revisionsgericht erzwungene Verfahren ist mittlerweile terminiert, vor derselben Kammer in Istanbul, die Dogan im Dezember 2010 freigelassen und ein knappes Jahr später freigesprochen hat.
Ausführlicher:
Das Istanbuler Strafgericht hatte in seiner ersten Verhandlung am 8. Dezember 2010 die von der Staatsanwaltschaft ins Feld geführten Belastungszeugen mündlich vernommen und sich nicht auf die polizeilichen Vernehmungsprotokolle von 1989 verlassen. Ein Grundsatz jeder demokratischen Rechtsfindung, für die die mündliche Zeugenaussage vor Gericht ausschlaggebend ist. In dieser Gerichtsverhandlung wurden zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten in den damaligen Vernehmungsprotokollen aufgedeckt. Das Gericht akzeptierte schließlich die Aussagen sämtlicher Zeugen, ihnen seien frühere Beschuldigungen gegen Dogan Akhanli in den Mund gelegt, untergeschoben oder durch Folter abgepresst worden.
Das Revisionsgericht verkündet nun, für seine “Rechtsfindung” seien allein die polizeilichen Vernehmungsprotokolle von Belang. Die entlastenden mündlichen Zeugenaussagen vor dem Istanbuler Strafgericht wischten die Revisionsrichter vom Tisch: Sie hätten “kein Gewicht” und würden “im Kern nicht greifen”. Warum, das bleibt ihr Geheimnis. Denn zu einer konkreten Begründung für ihre Missachtung der Akhanli entlastenden Zeugenaussagen vom 8.12. 2010 ließen sie sich in ihrem nur sechsseitigen Urteilsspruch nicht herab.
Es sei denn, man würde als hinreichend erachten, was sie über Dogan Akhanli selbst schreiben. Weil er dem Untergrund-Widerstand während der türkischen Militärdiktatur angehört habe, sei ihm auch die Tat am 20. Oktober 1989 zuzutrauen. Diesen Umstand habe das Istanbuler Strafgericht nicht genügend “gewürdigt”.
http://gerechtigkeit-fuer-dogan-akhanli.de/blog/?page_id=1875