Nein, ich kann nichts quantifizieren. Ich habe viel gehört und in Betroffenenforen gelesen. Ausserdem schrieb ich ja auch, dass dies mMn der Fall sei.
Okay, aber damit ist deine ursprüngliche, sehr apodiktische Aussage ja eigentlich nicht haltbar. Es sei denn, du hältst das, was du gehört und in Foren gelesen hast, für repräsentativ.
Ich sehe es eben anders. Und zwar, dass Befindlichkeitsstörungen als Depression eingestuft werden, diese schnell und einfach zu heilen ist, und tatsächlich Depressive eben nur schnell und einfach behandelt werden.
Ich denke, da greift das eine ins andere: man weiß, dass Depressionen relativ gut zu behandeln sind und vollständig ausheilen können, je rascher sie erkannt und angemessen therapiert werden. Umgekehrt können sie auch chronisch werden, wenn sie unbehandelt bleiben oder bis zur Diagnose und Behandlung viel Zeit verstreicht. Auch vor diesem Hintergrund finde ich sehr nachvollziehbar, wenn Ärzte bei irgendeinem diffusen Mischmasch aus anhaltenden Schlafstörungen, Rücken- und/oder Kopfschmerzen und weiteren Zipperlein ohne organische Ursache auch eine sog. larvierte Depression in Betracht ziehen. Täten sie das nicht, wäre das m.E. ein Fehler.
Falls du im zweiten Teil deiner Überlegung darauf hinaus willst, dass die Erkrankung häufiger nicht als solches erkannt und als Antellerei, Simulantentum usw. eingestuft wird: jep, das kommt durchaus vor - und zwar auch wegen der unterschiedlichen Erscheinungsformen von Depressionen. Es gibt beispielsweise Erkrankte, die den ganzen Tag unruhig sind, jammern und nölen (da ist es dann offensichtlich); andere, die auf ein einschneidendes Lebensereignis wie den Tod oder Verlust eines geliebten Menschen zum Beispiel vorübergehend oder längerfristig depressiv reagieren oder auch Leute, die ihren Zustand lange quasi manisch durch Überaktivität und aufgesetzte Munterkeit zu überspielen versuchen, bis es ins Gegenteil umkippt und sie zusammenklappen. Und schließlich natürlich auch welche, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, zum Arzt zu gehen oder, wenn sie's doch tun, eine Show abziehen - nach dem Motto:
ich bin doch nicht krank! Alle anderen, ich nicht!
Und Hausärzte, in der Regel Allgemeinärzte, haben zwar Ahnung von mehreren Fachbereichen, sind aber normalerweise keine psychiatrischen Fachärzte. Sie tun dann halt, was sie aus ihrer Erfahrung heraus können - aber wenn ein Patient sich in den Kopf gesetzt hat, "seinem" Doc binnen fünf oder sieben oder maximal zehn Minuten Sprechzeit vorzugaukeln, es gehe ihm eigentlich ganz gut bis auf Schlafmangel o.ä., kann er damit eine ganze Weile durchflutschen. Und geht dann im Zweifel mit einem weiteren Rezept für Schlaftabletten heim.
Das ist dieses Husch-husch, was du wahrscheinlich auch meinst. Liegt mMn aber auch daran, dass Praxen Kleinunternehmen sind und Kassenärzte für "sprechende" Medizin eine geradezu jämmerliche Pauschalvergütung bekommen.