Depressionen, Identitätskrise

N

nordish

Guest
Hand in Hand gehen können.

Zu dem kränkend....
Zumindest bei mir hat es nichts mit kränkend zu tun. Eine Angsterkrankungsdiagnose könnte mich dann ja auch kränken... und ich würde mich dann gegen die Diagnose wehren.
Ich wehre mich nur gegen die Depressionsdiagnose, weil ich definitiv nicht depressiv bin.
 

eruvaer

Well-Known Member
Und warum ist es dann noch immer ein weitgehendes Tabuthema? So sehr, dass die Diagnose offenbar als kränkend empfunden wird?

vllt grade weil es entweder als hippes Accessoire oder als Schwäche betrachtet wird depressiv zu sein?
besonders diese "Modeerscheinung" Depression trägt nicht garde dazu bei, dass Depressionen als ernstzunehmende Krankheit anerkannt werden...
 

Sithnoppe

Moderator
@pauline09
Ich kenne genug Leute, die kokettieren förmlich mit ihren "Depressionen". Andere wieder sind ja so voller Depressionen, dass sie natürlich nicht arbeiten können. Für mich sind die einfach nur stinkfaul!
Dass das nicht zu verallgemeinern ist, ist mir klar. Ist aber der Eindruck, den ich von den ganzen Pseudodepressiven im Bekanntenkreis habe.
 
P

pauline09

Guest

Hast du den von mir verlinkten Text gelesen? Dort steht:

Bei 70 bis 80% der Patienten tritt die Depression in Verbindung mit Angstgefühlen, zum Teil bis hin zu einer behandlungsdürftigen Angststörung auf.

Das Wörtchen "oft" schien mir durchaus geeignet, um 70 bis 80 Prozent zu umschreiben.


Zitat von nordish:
Zu dem kränkend....
Zumindest bei mir hat es nichts mit kränkend zu tun. Eine Angsterkrankungsdiagnose könnte mich dann ja auch kränken... und ich würde mich dann gegen die Diagnose wehren.
Ich wehre mich nur gegen die Depressionsdiagnose, weil ich definitiv nicht depressiv bin.

Dann gehörst du anscheinend zu den 20 bis 30 Prozent, bei denen es sich anders verhält.
Aber du weißt, dass du eine Therapie, die du als unsinnig ansiehst, nicht machen musst und ggf. auch den/die TherapeutIn wechseln kannst, oder?

Zitat von Sithnoppe:
(....)Dass das nicht zu verallgemeinern ist, ist mir klar. Ist aber der Eindruck, den ich von den ganzen Pseudodepressiven im Bekanntenkreis habe.

Okay, dann ist das aber dein persönlicher Eindruck. Und klar, gibt auch Leute, die ganz gern mal mit unterschiedlichsten Begründungen krank feiern - nach meinen Beobachtungen übrigens bevorzugt in Verbindung mit einer Stelle im Öffentlichen Dienst.
Aber das wäre ein anderes Thema und lässt sich m.E. insgesamt genau so wenig verallgemeinern wie Nordishs in subjektiven Erfahrungen begründeter Verdacht, Depressionen würden "zu schnell" und "zu oft" diagnostiziert. Wäre das der Fall, gäbe es sicherlich weniger Selbsttötungen - unter anderem mit großzügig von Hausärzten gegen Schlafstörungen verschriebenen Medikamenten.
 
S

sommersonne

Guest
Tja, bin ganz Sithnoppes Meinung. Meine ehemals beste Freundin fährt seit einigen Jahren diese Schiene. Früher hat sie aber wie ein Rohrspatz über solche "arbeitsscheuen" Leute geschimpft. Heute wird sie kaum noch auf ihrer Station gesehen. Ich frage mich seit Jahren wieso die Klinik das mitmacht.
 
N

nordish

Guest
Aber das wäre ein anderes Thema und lässt sich m.E. insgesamt genau so wenig verallgemeinern wie Nordishs in subjektiven Erfahrungen begründeter Verdacht, Depressionen würden "zu schnell" und "zu oft" diagnostiziert. Wäre das der Fall, gäbe es sicherlich weniger Selbsttötungen - unter anderem mit großzügig von Hausärzten gegen Schlafstörungen verschriebenen Medikamenten.

Auf so eier Kur hört man so allerlei. Klar, alle aus ihrer subjektiven Wahrnehmung heraus, aber dennoch.

Einen Zusammenhang aus der Zahl der vermeintlich an Depressionen Erkrankten und den Zahl der Selbsstötungen kann ich nicht erkennen.
Es bleiben ja noch die tatsächlich Erkrankten, die trotz Behandlung den Weg des Suizids wählen.

Das ist auch so ein Problem, welches ich sehe....
Dadurch dass die Diagnose Depression zu schnell gestellt wird, und in vielen Fällen auch komplett unberechtigt, wird den tatsächlich Erkrankten nicht die nötige Behandlung zukommen, da der Eindruck entsteht, dass eine Depression eben ganz leicht zu behandeln ist.
Ich hoffe irgnedjemand versteht diesen Satz, besser kann ich es nicht erklären.
 
P

Pit 63

Guest
Bist du sicher, dass das Folgen sind? Oder handelt es sich um Ursachen? Bindungsverluste beispielsweise können auch Folge hoher beruflicher Mobilität sein; Reizüberflutung die Folge von Stress (Disstress, nicht Eustress). Damit meine ich nicht nur sog. Globalisierungsnomaden, die ungeachtet sozialer Bindungen ihrer Karriere hinterherziehen, sondern auch Pendler, die teilweise mehrere Stunden pro Tag damit beschäftigt sind, zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu fahren. Schon da wird es schwierig, regelmäßig Freundschaften und Kontakte zu pflegen.

Eine ausgeprägte Individualisierung ergibt sich m.E. auch als Folge eines Lebensstils, in dem die Unabhängigkeit des Individuums gesellschaftlich höher bewertet und als 'stärker' angesehen wird als die Zugehörigkeit zu einem - wie auch immer definierten - Kollektiv. Ich werte das nicht ausschließlich als negativ. Es hat seine Schattenseiten, das ist klar, aber vielleicht ist das der rationalste Weg, auf die Realität zu reagieren?

Ich bin alles andere als sicher. # 252 gibt nur meinen Eindruck wieder bzw. eine Perspektive, die mir geeignet erscheint, die Entwicklungen auf der Erde bis hin zu den modernen Gesellschaften in einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu stellen.

Der aus der Physik stammende Begriff der Entropie besagt vereinfacht, dass sich das Universum in einem unumkehrbaren Prozess wachsender Unordnung befindet. Es verändert sich demnach vom Urknall an zunehmend von geordneteren Zuständen mit niedriger Entropie in ungeordnetere Zustände mit hoher Entropie usw. Anders formuliert: Es gibt immer mehr Möglichkeiten bei immer weniger Ordnung/Zusammenhang.
Persönlich habe ich den Eindruck, dass dementsprechende Prozesse (streng wissenschaftlich lässt sich das freilich nicht übertragen, zumal die physikalische Grösse der Entropie nur in geschlossenen Systemen messbar ist) auch im kollektiven Seelen- und Geistesleben ablaufen.
Bindungsverluste als innere Trennungen und zeitlich- räumliche äussere Trennungen stehen vordergründig je und je in einem wechselseitigen Zusammenhang, so wie Form und Inhalt oder Sein und Bewusstsein. Nach meiner Theorie wären sie ausserdem beide eine Folge der Entropie, der wachsenden Unordnung, der Erweiterung von Möglichkeiten bei gleichzeitigem Verlust von Ordnung/Zusammenhang.
So führt die Informationsgesellschaft letztlich zu einem stets wachsenden Datenvolumen bei zunehmender Unübersichtlichkeit/Komplizierung. Eine Hülle und Fülle von Lebensanschauungen, Gefühlen und seelisch geistigen Konzepten konkurrieren miteinander, stossen aufeinander und formen immer neue, kompliziertere Muster.
Die gesellschaftliche Polarisierung und Auflösung von Zusammenhängen und Relationen (Ordnung) könnte man in dem Sinne vielleicht als seelisch-geistiges Kaleidoskop beschreiben, das sich in immer verschachtelteren Bildern ergeht, die immer mehr Möglichkeiten eröffnen und es immer schwieriger machen, die Zusammenhänge zu sehen.

Dieser Prozess verläuft natürlich nicht von Gesellschaft zu Gesellschaft oder Person zu Person gleichmässig aber unterm Strich kommt es mir so vor.
Und der Prozess macht bei der Individualisierung von Personen an sich auch nicht halt- selbst die Einzelpersonen werden sozusagen immer chaotischer.
Mit Reizüberflutung als Folge meinte ich ganz allgemein, dass die Menschen einer zunehmenden Menge an Reizen ausgesetzt sind, was grundsätzlich zu mehr Stress führt.


P.S.: Klingt alles etwas bizarr, ich weiss...
 
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P

Pit 63

Guest
@pauline09
Ich kenne genug Leute, die kokettieren förmlich mit ihren "Depressionen". Andere wieder sind ja so voller Depressionen, dass sie natürlich nicht arbeiten können. Für mich sind die einfach nur stinkfaul!
Dass das nicht zu verallgemeinern ist, ist mir klar. Ist aber der Eindruck, den ich von den ganzen Pseudodepressiven im Bekanntenkreis habe.

Antriebsarmut, Egoismus, Hedonismus, vorsätzliche Verweigerung, mangelnde Moral?

Lust und Unlust sind emotionale Grundzustände, die das Verhalten steuern. Lust motiviert, Unlust demotiviert. Offensichtlich wird die Arbeit von Deinen Bekannten zunehmend als unlustig wahrgenommen. Wer das Leben zunehmend als unlustig wahrnimmt, den bezeichnet man ab einem gewissen Punkt als depressiv. Dabei geht es erst einmal nicht um Schuldfragen oder moralische Kategorien.
Kann natürlich auch Schau sein, was Deine Kollegen abziehen, während sie es sich zuhause oder wo auch immer gutgehen lassen.
 
P

pauline09

Guest
Einen Zusammenhang aus der Zahl der vermeintlich an Depressionen Erkrankten und den Zahl der Selbsstötungen kann ich nicht erkennen.

Den habe ich auch nicht konstruiert, ganz im Gegenteil. Das Phänomen "vermeintlich" Erkrankter wird hier von anderen Usern ins Spiel gebracht, u.a. auch dir. ;)

Zitat von nordish:
Dadurch dass die Diagnose Depression zu schnell gestellt wird, und in vielen Fällen auch komplett unberechtigt, wird den tatsächlich Erkrankten nicht die nötige Behandlung zukommen, da der Eindruck entsteht, dass eine Depression eben ganz leicht zu behandeln ist.

Kannst du das quantifizieren?, gibt es seriöse Statistiken, die deine Annahmen untermauern?
Ich frage deshalb, weil du sehr bestimmt schreibst, Diagnosen würden "in vielen Fällen auch komplett unberechtigt" gestellt - da frage ich mich, wo das herkommt und wüsste gern Genaues.

Ich stütze mich auf Angaben der WHO, des Statistischen Bundesamtes und des Bundesgesundheitsministeriums. Demnach gibt es 3,1 Millionen an Depressionen Erkrankte allein in Deutschland; es betrifft rund fünf Prozent der Bevölkerung im Alter von 18 bis 65 Jahren. Zusammen mit Menschen unter 18 und über 65 ergibt das nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums rund vier Mio. Betroffene. Der Sender 3SAT berichtete dazu:

Dabei ist die Dunkelziffer hoch: Nach den Ergebnissen einer WHO-Studie werden depressive Erkrankungen in etwa der Hälfte der Fälle nicht diagnostiziert, und selbst die diagnostizierten Fälle werden oft nicht adäquat behandelt.

http://www.3sat.de/page/?source=/nano/news/119271/index.html

Etwa die Hälfte der Erkrankten begeht einen Suizidversuch, und bis zu 15 Prozent sterben dadurch. Insgesamt nehmen sich bundesweit rund 9000 Menschen jährlich das Leben; die Dunkelziffer liegt noch darüber.
Die Zahl der Suizide, schreibt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe, übersteigt die der jährlichen Verkehrstoten.

Wie kommt denn das zustande, wenn es wirklich so sein sollte, dass Depressionen, wie du glaubst, "zu schnell" diagnostiziert werden? Oder anders gefragt: Könnte es sein, dass die hohe Zahl der Selbsttötungen damit zusammenhängt, dass die Krankheit von der Umgebung bis hin zu Hausärzten im Gegenteil unterschätzt und als "Befindlichkeitsstörung" abgetan wird?
 
P

pauline09

Guest
(...)

P.S.: Klingt alles etwas bizarr, ich weiss...

Nö, klingt nicht bizarr; im Gegenteil, ich finde das nachvollziehbar. Es setzt halt ein ganzheitliches Bild voraus, nach dem sich im Kleinen spiegelt, was im Großen vor sich geht. Das finde ich logisch. Wobei ich eine zunehmende Ausdifferenzierung jetzt nicht per se als "chaotisch" bezeichnen würde; den Ausdruck würde ich zunächst einmal wertneutral und deskriptiv verwenden.
 
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