AW: Der neue deutsche Nationalstolz
Weisskirchen fordert mehr Engagement gegen Antisemitismus
Thierse sieht „ostdeutsche Schlagseite“ bei Rechtsextremismus
AP
27.01.2007 17:26
Frankfurt/Main – Anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages hat der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und persönliche Beauftragte des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus, Gert Weisskirchen, die Bundesregierung zu mehr Engagement aufgefordert.
Es gebe in Deutschland vielfältige zivilgesellschaftliche Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus, sagte Weisskirchen am Samstag im Deutschlandradio Kultur. „Das muss deutlich stärker beispielsweise durch die Projekte und Finanzleistungen der Bundesregierung unterstützt und gestärkt werden.“
In manchen Landstrichen Deutschlands sei es leider so, dass Rechtsextreme versuchten, die Mitte der Gesellschaft zu erobern. „Und manche reagieren schweigsam darauf, lassen das zu, wehren sich nicht dagegen.“ Wahrheit könne man nur begrenzt mit Gesetzen schützen. „Das wichtigste ist, dass die Mitte der Gesellschaft gewonnen wird für zivilgesellschaftliches Engagement, Zivilcourage. Dass Menschen mutig sind und sagen: Hier muss ich persönlich einschreiten.“
Weisskirchen betonte, dass einige europäische Länder „zu nachlässig“ im Umgang mit Geschichtsleugnern seien. „Manchmal ist es auch so, dass die öffentliche Debatte leider gegenüber denjenigen, die den Holocaust als geschichtliche Tatsache verweigern, vernachlässigt.“
Ein erneutes NPD-Verbotsverfahren könne seiner Ansicht nach gelingen. „Das muss so sorgfältig vorbereitet werden, dass wir nicht erneut vor einem Scherbenhaufen stehen. Wenn das richtig vorbereitet wird und wenn versucht wird, die staatlichen Mittel, die im ersten Verfahren eingesetzt worden sind zu verändern, dann kann das gelingen“, erklärte der SPD-Politiker.
Nach Ansicht von Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse ist der zunehmende Rechtsradikalismus in Deutschland zwar kein ostdeutsches Problem, hat aber eine „ostdeutsche Schlagseite“. Thierse sagte dem Südwestrundfunk, dies habe mit der Verunsicherung der Menschen und mit deren Zukunftsängsten zu tun. Es gebe nun mal in der gegenwärtigen Phase schwierigster Veränderungen keine schnellen, einfachen Antworten und Wunderlösungen. Aber vor allem jüngere Menschen hätten das Bedürfnis danach und seien daher empfänglicher und auch bedürftiger nach einfachen und zugleich gefährlichen Antworten.
Zum Holocaust-Gedenktag würdigte Thierse das zentrale Holocaust-Mahnmal in Berlin. Die Reaktionen vieler Menschen bewiesen, dass das 2005 eingeweihte Stelenfeld des Künstlers Peter Eisenman Anteilnahme und Emotionen hervorrufe. Zusammen mit dem „Ort der Information“ vergegenwärtige das bereits von mehreren Millionen Menschen besuchte Mahnmahl, was der Holocaust für die Betroffenen bedeutet habe: „Wir entfernen uns zeitlich, aber die Verbrechen sind uns immer noch gegenwärtig.“
(AP)