Hallo zusammen!
Zur Vorwarnung, diese Geschichte ist wirklich sehr lang, wenn ihr sie ganz lesen wollt, nehmt euch am besten ein wenig Zeit.
Ich bin der homer81, 24 Jahre alt und wurde bereits als Säugling adoptiert.
Es handelte sich dabei nicht um eine gewöhnliche Adoption, sondern um eine sogenannte Inkognito-Adoption, das bedeutet, dass die leiblichen Eltern bzw. die leibliche Mutter aus bestimmten Gründen anonym bleiben will. Ich kenne also weder meine leibliche Mutter noch meinen leiblichen Vater. Aber darauf werde ich später noch näher eingehen.
Erstmal der Reihe nach.
Ich wuchs also in einem sehr behüteten deutschen Elternhaus auf und mir fehlte es niemals an irgendetwas. Ich habe wirklich in dieser Hinsicht ein großes Los gezogen, meine "Adoptiveltern" sind für mich meine Eltern, ich sehe sie im Prinzip nicht als meine Adoptiveltern, da sie mich ja großgezogen haben und mir die Liebe gegeben haben, als wäre ich ihr leiblicher Sohn. Im Folgenden meine ich deshalb meine Adoptiveltern, wenn ich von meinen Eltern bzw. meiner Mutter und meinem Vater spreche.
Witzigerweise haben früher, als ich noch ein Kind war, öfters Leute gemeint, ich würde meinem Vater recht ähnlich sehen, was aus späterer Sichtweise sehr amüsant ist, denn mein Vater ist 2 Meter groß, hat blaue Augen und braunes Haar - auch meiner Mutter sehe ich nicht im Geringsten ähnlich, da diese ebenfalls brünett und blauäugig ist - ich bin 1,70 groß, habe schwarze Haare und braune Augen, um mal den optischen Vergleich herzustellen.
Diese Äußerlichkeiten sind mir jedenfalls als Kind noch nicht wirklich, oder zumindest nicht bewusst aufgefallen.
Irgendwann kam dann aber doch meinerseits die Frage auf, warum ich denn anders aussehen würde als meine Eltern und darauf haben meine Eltern mir das mit der Adoption erklärt - und es war ganz selbstverständlich für mich. Ich habe es einfach hingenommen und keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, ich war halt noch ein Kind, sorglos wie Kinder nunmal sind.
Das änderte sich jedoch auf dem Gymnasium. Angefangen hat es in der 6. oder 7. Klasse, als ich von einem Mitschüler während des Musikunterrichts plötzlich als Türke bezeichnet wurde. Ich war total konfus, ich wusste in dem Moment nicht recht was mit mir geschah. Hatte der mich tatsächlich gerade mit einem hämischen Grinsen "Türke" genannt, so dass auch andere es ohne Probleme mitbekommen hatten? - Ich war wie versteinert, ich wollte im Erdboden versinken, denn schlagartig wurde mir mein "Anderssein" vor Augen gehalten, ohne jegliche Vorwarnung. Das war es was mich so anders machte. Aber konnte das wahr sein? Ich ein Türke??
Wie es dann genau weiterging weiss ich nicht mehr im Detail, von da an wurde ich jedenfalls des öfteren mit meiner Hautfarbe bzw. Herkunft konfrontiert.
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mich anfangs erstmal so geschämt habe, dass ich mit niemandem über diese Vorkommnisse und Diffamierungen gesprochen habe, ich glaube ich konnte es nicht aus Scham, nicht einmal vor meinen Eltern.
Also "gewöhnte" ich mich im Laufe der Zeit daran, ließ es zunächst einfach über mich ergehen, da ich noch nie der Schlagfertigste war, mit der Zeit wurde ich jedoch offensiver und gab auch schonmal kontra.
Irgendwie kann ich meinen Freunden, die auch in meiner Klasse waren, nicht übel nehmen, dass sie manchmal quasi tatenlos zugesehen haben und mich auch manchmal mit dem "Anderssein" geneckt haben, ich glaube sie haben nicht wirklich nachvollziehen können, wie sehr mich das verletzt hat und ich konnte es ihnen wiederum nicht mitteilen; ich habe versucht, mir stattdessen nichts anmerken zu lassen und immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht und das ganze mit meiner Freundlichkeit überspielt.
Der wesentliche Unterschied zwischen meinen Freunden und dem Typ, der mich des öfteren beleidigte war aber auch der, dass dieser es im Gegensatz zu meinen Freunden ernst meinte mit seinen Beleidigungen, da dieser wie ich im Laufe der Zeit erfahren hatte rechtsradikal eingestellt war.
Im Laufe der Jahre auf dem Gymnasium hatte ich mich sogar irgendwie mit ihm arrangiert. Es klingt irgendwie paradox, dass man sich mit jemandem abgibt, der einen stets beleidigt hat und der dies ganz offensichtlich ernst meinte. Andererseits konnte er dann aber auch wieder freundlich zu mir sein, sein ganzes Verhalten war ein einziges Paradoxon.
Warum ich trotzdem ab und an was mit ihm zu tun hatte, kann ich mir nur mit einem bekannten Spruch erklären, der da heißt: "Halte dir deine Freunde nah, aber deine Feinde noch näher". Vielleicht war es auch einfach die in meinem Selbstverständnis verankerte Nächstenliebe, mit der ich erzogen wurde. Ich weiss es nicht. Heute jedenfalls würde ich nichts mehr mit dieser Person zu tun haben wollen, und wenn, dann nur um ihm zu sagen, was er früher bei mir mit seinen Worten angerichtet hat.
Mein großes Glück während der Zeit auf dem Gymnasium war zweifelsohne meine damalige Freundin, mit der ich über sechs Jahre zusammen war und die mich unterstützt hat wo sie nur konnte.
Mit ihr konnte ich über alls reden und kann es auch heute noch, denn unsere Partnerschaft ist zwar vorüber, aber nicht unsere Freundschaft.
Mit 17 oder 18 Jahren wollte ich dann doch endlich Klarheit darüber haben, woher ich denn nun stamme und dieser Wunsch wurde immer größer in mir.
So groß, dass ich sogar mit meiner Freundin plante, meine leibliche Mutter zu suchen.
Das haben wir dann jedoch nicht getan, da wir die Überlegung hatten, dass meine leibliche Mutter bestimmt einen guten Grund gehabt haben musste, weshalb sie mich zur Adoption freigegeben hat und dann noch ihre Identität verschwiegen hat.
Ich stelle mir das so vor, dass sie eine junge Türkin war als sie mich bekommen hat und natürlich nicht wollte, dass die Schwangerschaft auffliegt, was man ja in heutigen Zeiten mit der wieder auflodernden Rache-Thematik unter Türken durchaus nachvollziehen kann. Sie wäre vermutlich sehr gefährdet gewesen, wäre sie auf einmal mit einem unehelichen Kind bei ihren Eltern aufgekreuzt.
Wenn sich dies also tatsächlich so zugetragen hat, was sehr wahrscheinlich ist, denn jung war sie, das haben sie im Krankenhaus damals meinen Eltern gesagt, habe ich natürlich vollstes Verständnis für das Verhalten meiner leiblichen Mutter. Ich wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen, dass das Ganze doch noch auffliegt.
Im Gegenteil: Ich muss ihr eigentlich dankbar sein, und das bin ich auch, schließlich hätte sie ja auch abtreiben können.
Stattdessen habe ich dann also meinen Eltern von meinem Wunsch erzählt, woraufhin mein Vater telefonisch herausbekommen hat, dass ich tatsächlich teils türkischer Abstammung bin: meine leibliche Mutter sei eine junge Türkin gewesen und mein leiblicher Vater ein Deutscher.
Nun hatte ich also Gewissheit, und doch konnte ich mich über diese Botschaft nicht wirklich freuen, es war keine Erleichterung, wie ich vielleicht insgeheim gehofft hatte, sondern eher eine kleine Ernüchterung.
Ich hatte gehofft, ich sei einer anderen Nationalität abstämmig, vielleicht auch deshalb, weil ich sowieso schon als Türke bezeichnet wurde von einigen und diesem "Stigma" ausweichen wollte, indem ich hätte sagen können: "Hört her, ihr habt euch jahrelang in einem Irrtum befunden, ich bin Italiener, oder Spanier oder Inder", was auch schon einige vermutet hatten.
Ich konnte mich jedenfalls und kann es bis heute noch nicht ganz mit meiner Abstammug identifizieren.
Aber das ist eigentlich auch nicht weiter verwunderlich: ich hatte niemals türkische Freundschaften, nur später ein paar äußerst flüchtige Bekanntschaften und selbst da habe ich mich ihnen nicht richtig zugehörig gefühlt.
Nachdem das "Geheimnis" nun also gelüftet war, habe ich daraufhin erstmal nichts mehr dahingehend unternommen, ich habe erstmal abgewartet und alles auf mich wirken lassen.
Als ich dann irgendwann den Entschluss gefasst hatte, von nun an jedem, der mich danach fragt, meine Herkunft zu offenbaren, wurde ich wieder mal ganz schwer von einem Menschen enttäuscht, der sich von da an fast so hinterhältig wie mein "Erzfeind" über meine Herkunft lustig machte.
Von da an habe ich es also wieder gelassen, zu sagen, woher ich komme, wenn ich danach gefragt werde. Ich fürchte mich vor den Reaktionen, ich möchte so akzeptiert werden wie ich bin, als deutscher Bürger, der sich abgesehen vom Aussehen nicht unterscheidet.
Meinen Freunden habe ich es nie direkt gesagt, dass ich meine wahre Herkunft herausbekommen habe, aber ich vermute sie können es sich denken, vielleicht hatte es sich nach dem Gymnasium auch irgendwie rumgesprochen, jedenfalls spüre ich, dass sie es nicht stört, was unter Freunden natürlich eh eine Selbstverständlichkeit ist; sie bringen es auch nicht mehr zur Sprache. Mit der Zeit haben sie garantiert gemerkt, dass mich das Thema genervt hat, auch wenn ich es wie gesagt nie explizit erwähnt habe.
Nach dem Gymnasium habe ich alle etwas aus den Augen verloren, ich habe neue Leute kennengelernt, mich neu verliebt, jedoch ohne Erfolg und meine große Liebe zerbrach.
Auf neugierige Fragen nach meiner Herkunft habe ich bisher immer ausweichend geantwortet, seit ich mit der Wahrheit auf die Nase gefallen bin.
Wenn mich also nun jemand fragt, sage ich meistens: "Ich weiss nicht wo ich herkomme, ich bin adoptiert und kenne meine leiblichen Eltern nicht."
Das ist noch nicht einmal ganz gelogen, denn ich kenne sie schließlich wirklich nicht, nur meine Herkunft verleugne ich halt, manchmal entgegne ich auch, dass ich Schwede oder Holländer sei, ob man das denn nicht eindeutig sehen könne! :roll:
Ich bin die Fragerei, die gewiss häufig nur gut gemeinte Neugierde darstellt, jedenfalls manchmal leid und wünschte mir, ich würde weniger ausländisch aussehen, allein um nicht mehr der Fragerei ausgesetzt zu sein. Versteht mich nicht falsch, eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Aussehen, wäre da halt nicht die oftmalige Fragerei.
Nun bin ich in meiner Entwicklung an einem Punkt angelangt, an dem ich überlege, ob ich nicht einfach auf die Reaktionen der anderen scheißen soll und einfach sagen soll, dass ich teils türkischer Herkunft bin, falls ich gefragt werde. Irgendwie fühle ich mich mit dieser Aussage, dass ich meine Herkunft nicht kenne, auch nicht ganz wohl, vielleicht auch einfach, weil diese Aussage eine Unwahrheit birgt, eine Lüge um genau zu sein.
Ich bin hin- und hergerissen und weiss nicht, wie ich mich zukünftig verhalten soll. ich glaube eigentlich, dass es irgendwie egal ist, ob ich nun die Wahrheit bezüglich meiner Herkunft sage oder nicht - ganz wohl werde ich mich bei keinem der beiden Verhaltensmuster fühlen, da bin ich mir fast sicher.
Einerseits wäre es vielleicht zwar eine Erleichterung, die Wahrheit zu sagen und nicht mehr mit dieser Ausrede anzukommen, andererseits wäre das andere ein besserer Selbstschutz für mich, vor neuerlichen Enttäuschungen bewahrt zu werden, auch wenn ich natürlich weiss, dass ich Leute, die mich deshalb nicht mögen, in die Tonne kloppen kann.
Naja, das ist jedenfalls der aktuelle Stand der Dinge, ich kann natürlich nicht verlangen, dass sich jemand tatsächlich durch meine ganze Geschichte wühlt, aber ich würde es mir wünschen, denn ich würde gerne ein paar Meinungen zu meiner Situation hören!
Gibt bzw. gab es womöglich sogar ähnliche Situationen bei euch?
Danke fürs "Zuhören"!
MfG
homer81
Zur Vorwarnung, diese Geschichte ist wirklich sehr lang, wenn ihr sie ganz lesen wollt, nehmt euch am besten ein wenig Zeit.
Ich bin der homer81, 24 Jahre alt und wurde bereits als Säugling adoptiert.
Es handelte sich dabei nicht um eine gewöhnliche Adoption, sondern um eine sogenannte Inkognito-Adoption, das bedeutet, dass die leiblichen Eltern bzw. die leibliche Mutter aus bestimmten Gründen anonym bleiben will. Ich kenne also weder meine leibliche Mutter noch meinen leiblichen Vater. Aber darauf werde ich später noch näher eingehen.
Erstmal der Reihe nach.
Ich wuchs also in einem sehr behüteten deutschen Elternhaus auf und mir fehlte es niemals an irgendetwas. Ich habe wirklich in dieser Hinsicht ein großes Los gezogen, meine "Adoptiveltern" sind für mich meine Eltern, ich sehe sie im Prinzip nicht als meine Adoptiveltern, da sie mich ja großgezogen haben und mir die Liebe gegeben haben, als wäre ich ihr leiblicher Sohn. Im Folgenden meine ich deshalb meine Adoptiveltern, wenn ich von meinen Eltern bzw. meiner Mutter und meinem Vater spreche.
Witzigerweise haben früher, als ich noch ein Kind war, öfters Leute gemeint, ich würde meinem Vater recht ähnlich sehen, was aus späterer Sichtweise sehr amüsant ist, denn mein Vater ist 2 Meter groß, hat blaue Augen und braunes Haar - auch meiner Mutter sehe ich nicht im Geringsten ähnlich, da diese ebenfalls brünett und blauäugig ist - ich bin 1,70 groß, habe schwarze Haare und braune Augen, um mal den optischen Vergleich herzustellen.
Diese Äußerlichkeiten sind mir jedenfalls als Kind noch nicht wirklich, oder zumindest nicht bewusst aufgefallen.
Irgendwann kam dann aber doch meinerseits die Frage auf, warum ich denn anders aussehen würde als meine Eltern und darauf haben meine Eltern mir das mit der Adoption erklärt - und es war ganz selbstverständlich für mich. Ich habe es einfach hingenommen und keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, ich war halt noch ein Kind, sorglos wie Kinder nunmal sind.
Das änderte sich jedoch auf dem Gymnasium. Angefangen hat es in der 6. oder 7. Klasse, als ich von einem Mitschüler während des Musikunterrichts plötzlich als Türke bezeichnet wurde. Ich war total konfus, ich wusste in dem Moment nicht recht was mit mir geschah. Hatte der mich tatsächlich gerade mit einem hämischen Grinsen "Türke" genannt, so dass auch andere es ohne Probleme mitbekommen hatten? - Ich war wie versteinert, ich wollte im Erdboden versinken, denn schlagartig wurde mir mein "Anderssein" vor Augen gehalten, ohne jegliche Vorwarnung. Das war es was mich so anders machte. Aber konnte das wahr sein? Ich ein Türke??
Wie es dann genau weiterging weiss ich nicht mehr im Detail, von da an wurde ich jedenfalls des öfteren mit meiner Hautfarbe bzw. Herkunft konfrontiert.
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mich anfangs erstmal so geschämt habe, dass ich mit niemandem über diese Vorkommnisse und Diffamierungen gesprochen habe, ich glaube ich konnte es nicht aus Scham, nicht einmal vor meinen Eltern.
Also "gewöhnte" ich mich im Laufe der Zeit daran, ließ es zunächst einfach über mich ergehen, da ich noch nie der Schlagfertigste war, mit der Zeit wurde ich jedoch offensiver und gab auch schonmal kontra.
Irgendwie kann ich meinen Freunden, die auch in meiner Klasse waren, nicht übel nehmen, dass sie manchmal quasi tatenlos zugesehen haben und mich auch manchmal mit dem "Anderssein" geneckt haben, ich glaube sie haben nicht wirklich nachvollziehen können, wie sehr mich das verletzt hat und ich konnte es ihnen wiederum nicht mitteilen; ich habe versucht, mir stattdessen nichts anmerken zu lassen und immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht und das ganze mit meiner Freundlichkeit überspielt.
Der wesentliche Unterschied zwischen meinen Freunden und dem Typ, der mich des öfteren beleidigte war aber auch der, dass dieser es im Gegensatz zu meinen Freunden ernst meinte mit seinen Beleidigungen, da dieser wie ich im Laufe der Zeit erfahren hatte rechtsradikal eingestellt war.
Im Laufe der Jahre auf dem Gymnasium hatte ich mich sogar irgendwie mit ihm arrangiert. Es klingt irgendwie paradox, dass man sich mit jemandem abgibt, der einen stets beleidigt hat und der dies ganz offensichtlich ernst meinte. Andererseits konnte er dann aber auch wieder freundlich zu mir sein, sein ganzes Verhalten war ein einziges Paradoxon.
Warum ich trotzdem ab und an was mit ihm zu tun hatte, kann ich mir nur mit einem bekannten Spruch erklären, der da heißt: "Halte dir deine Freunde nah, aber deine Feinde noch näher". Vielleicht war es auch einfach die in meinem Selbstverständnis verankerte Nächstenliebe, mit der ich erzogen wurde. Ich weiss es nicht. Heute jedenfalls würde ich nichts mehr mit dieser Person zu tun haben wollen, und wenn, dann nur um ihm zu sagen, was er früher bei mir mit seinen Worten angerichtet hat.
Mein großes Glück während der Zeit auf dem Gymnasium war zweifelsohne meine damalige Freundin, mit der ich über sechs Jahre zusammen war und die mich unterstützt hat wo sie nur konnte.
Mit ihr konnte ich über alls reden und kann es auch heute noch, denn unsere Partnerschaft ist zwar vorüber, aber nicht unsere Freundschaft.
Mit 17 oder 18 Jahren wollte ich dann doch endlich Klarheit darüber haben, woher ich denn nun stamme und dieser Wunsch wurde immer größer in mir.
So groß, dass ich sogar mit meiner Freundin plante, meine leibliche Mutter zu suchen.
Das haben wir dann jedoch nicht getan, da wir die Überlegung hatten, dass meine leibliche Mutter bestimmt einen guten Grund gehabt haben musste, weshalb sie mich zur Adoption freigegeben hat und dann noch ihre Identität verschwiegen hat.
Ich stelle mir das so vor, dass sie eine junge Türkin war als sie mich bekommen hat und natürlich nicht wollte, dass die Schwangerschaft auffliegt, was man ja in heutigen Zeiten mit der wieder auflodernden Rache-Thematik unter Türken durchaus nachvollziehen kann. Sie wäre vermutlich sehr gefährdet gewesen, wäre sie auf einmal mit einem unehelichen Kind bei ihren Eltern aufgekreuzt.
Wenn sich dies also tatsächlich so zugetragen hat, was sehr wahrscheinlich ist, denn jung war sie, das haben sie im Krankenhaus damals meinen Eltern gesagt, habe ich natürlich vollstes Verständnis für das Verhalten meiner leiblichen Mutter. Ich wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen, dass das Ganze doch noch auffliegt.
Im Gegenteil: Ich muss ihr eigentlich dankbar sein, und das bin ich auch, schließlich hätte sie ja auch abtreiben können.
Stattdessen habe ich dann also meinen Eltern von meinem Wunsch erzählt, woraufhin mein Vater telefonisch herausbekommen hat, dass ich tatsächlich teils türkischer Abstammung bin: meine leibliche Mutter sei eine junge Türkin gewesen und mein leiblicher Vater ein Deutscher.
Nun hatte ich also Gewissheit, und doch konnte ich mich über diese Botschaft nicht wirklich freuen, es war keine Erleichterung, wie ich vielleicht insgeheim gehofft hatte, sondern eher eine kleine Ernüchterung.
Ich hatte gehofft, ich sei einer anderen Nationalität abstämmig, vielleicht auch deshalb, weil ich sowieso schon als Türke bezeichnet wurde von einigen und diesem "Stigma" ausweichen wollte, indem ich hätte sagen können: "Hört her, ihr habt euch jahrelang in einem Irrtum befunden, ich bin Italiener, oder Spanier oder Inder", was auch schon einige vermutet hatten.
Ich konnte mich jedenfalls und kann es bis heute noch nicht ganz mit meiner Abstammug identifizieren.
Aber das ist eigentlich auch nicht weiter verwunderlich: ich hatte niemals türkische Freundschaften, nur später ein paar äußerst flüchtige Bekanntschaften und selbst da habe ich mich ihnen nicht richtig zugehörig gefühlt.
Nachdem das "Geheimnis" nun also gelüftet war, habe ich daraufhin erstmal nichts mehr dahingehend unternommen, ich habe erstmal abgewartet und alles auf mich wirken lassen.
Als ich dann irgendwann den Entschluss gefasst hatte, von nun an jedem, der mich danach fragt, meine Herkunft zu offenbaren, wurde ich wieder mal ganz schwer von einem Menschen enttäuscht, der sich von da an fast so hinterhältig wie mein "Erzfeind" über meine Herkunft lustig machte.
Von da an habe ich es also wieder gelassen, zu sagen, woher ich komme, wenn ich danach gefragt werde. Ich fürchte mich vor den Reaktionen, ich möchte so akzeptiert werden wie ich bin, als deutscher Bürger, der sich abgesehen vom Aussehen nicht unterscheidet.
Meinen Freunden habe ich es nie direkt gesagt, dass ich meine wahre Herkunft herausbekommen habe, aber ich vermute sie können es sich denken, vielleicht hatte es sich nach dem Gymnasium auch irgendwie rumgesprochen, jedenfalls spüre ich, dass sie es nicht stört, was unter Freunden natürlich eh eine Selbstverständlichkeit ist; sie bringen es auch nicht mehr zur Sprache. Mit der Zeit haben sie garantiert gemerkt, dass mich das Thema genervt hat, auch wenn ich es wie gesagt nie explizit erwähnt habe.
Nach dem Gymnasium habe ich alle etwas aus den Augen verloren, ich habe neue Leute kennengelernt, mich neu verliebt, jedoch ohne Erfolg und meine große Liebe zerbrach.
Auf neugierige Fragen nach meiner Herkunft habe ich bisher immer ausweichend geantwortet, seit ich mit der Wahrheit auf die Nase gefallen bin.
Wenn mich also nun jemand fragt, sage ich meistens: "Ich weiss nicht wo ich herkomme, ich bin adoptiert und kenne meine leiblichen Eltern nicht."
Das ist noch nicht einmal ganz gelogen, denn ich kenne sie schließlich wirklich nicht, nur meine Herkunft verleugne ich halt, manchmal entgegne ich auch, dass ich Schwede oder Holländer sei, ob man das denn nicht eindeutig sehen könne! :roll:
Ich bin die Fragerei, die gewiss häufig nur gut gemeinte Neugierde darstellt, jedenfalls manchmal leid und wünschte mir, ich würde weniger ausländisch aussehen, allein um nicht mehr der Fragerei ausgesetzt zu sein. Versteht mich nicht falsch, eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Aussehen, wäre da halt nicht die oftmalige Fragerei.
Nun bin ich in meiner Entwicklung an einem Punkt angelangt, an dem ich überlege, ob ich nicht einfach auf die Reaktionen der anderen scheißen soll und einfach sagen soll, dass ich teils türkischer Herkunft bin, falls ich gefragt werde. Irgendwie fühle ich mich mit dieser Aussage, dass ich meine Herkunft nicht kenne, auch nicht ganz wohl, vielleicht auch einfach, weil diese Aussage eine Unwahrheit birgt, eine Lüge um genau zu sein.
Ich bin hin- und hergerissen und weiss nicht, wie ich mich zukünftig verhalten soll. ich glaube eigentlich, dass es irgendwie egal ist, ob ich nun die Wahrheit bezüglich meiner Herkunft sage oder nicht - ganz wohl werde ich mich bei keinem der beiden Verhaltensmuster fühlen, da bin ich mir fast sicher.
Einerseits wäre es vielleicht zwar eine Erleichterung, die Wahrheit zu sagen und nicht mehr mit dieser Ausrede anzukommen, andererseits wäre das andere ein besserer Selbstschutz für mich, vor neuerlichen Enttäuschungen bewahrt zu werden, auch wenn ich natürlich weiss, dass ich Leute, die mich deshalb nicht mögen, in die Tonne kloppen kann.
Naja, das ist jedenfalls der aktuelle Stand der Dinge, ich kann natürlich nicht verlangen, dass sich jemand tatsächlich durch meine ganze Geschichte wühlt, aber ich würde es mir wünschen, denn ich würde gerne ein paar Meinungen zu meiner Situation hören!
Gibt bzw. gab es womöglich sogar ähnliche Situationen bei euch?
Danke fürs "Zuhören"!
MfG
homer81