Deutscher oder Türke? Meine Geschichte!

homer81

New Member
Hallo zusammen!

Zur Vorwarnung, diese Geschichte ist wirklich sehr lang, wenn ihr sie ganz lesen wollt, nehmt euch am besten ein wenig Zeit. :)

Ich bin der homer81, 24 Jahre alt und wurde bereits als Säugling adoptiert.
Es handelte sich dabei nicht um eine gewöhnliche Adoption, sondern um eine sogenannte Inkognito-Adoption, das bedeutet, dass die leiblichen Eltern bzw. die leibliche Mutter aus bestimmten Gründen anonym bleiben will. Ich kenne also weder meine leibliche Mutter noch meinen leiblichen Vater. Aber darauf werde ich später noch näher eingehen.

Erstmal der Reihe nach.
Ich wuchs also in einem sehr behüteten deutschen Elternhaus auf und mir fehlte es niemals an irgendetwas. Ich habe wirklich in dieser Hinsicht ein großes Los gezogen, meine "Adoptiveltern" sind für mich meine Eltern, ich sehe sie im Prinzip nicht als meine Adoptiveltern, da sie mich ja großgezogen haben und mir die Liebe gegeben haben, als wäre ich ihr leiblicher Sohn. Im Folgenden meine ich deshalb meine Adoptiveltern, wenn ich von meinen Eltern bzw. meiner Mutter und meinem Vater spreche.

Witzigerweise haben früher, als ich noch ein Kind war, öfters Leute gemeint, ich würde meinem Vater recht ähnlich sehen, was aus späterer Sichtweise sehr amüsant ist, denn mein Vater ist 2 Meter groß, hat blaue Augen und braunes Haar - auch meiner Mutter sehe ich nicht im Geringsten ähnlich, da diese ebenfalls brünett und blauäugig ist - ich bin 1,70 groß, habe schwarze Haare und braune Augen, um mal den optischen Vergleich herzustellen.
Diese Äußerlichkeiten sind mir jedenfalls als Kind noch nicht wirklich, oder zumindest nicht bewusst aufgefallen.
Irgendwann kam dann aber doch meinerseits die Frage auf, warum ich denn anders aussehen würde als meine Eltern und darauf haben meine Eltern mir das mit der Adoption erklärt - und es war ganz selbstverständlich für mich. Ich habe es einfach hingenommen und keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, ich war halt noch ein Kind, sorglos wie Kinder nunmal sind.

Das änderte sich jedoch auf dem Gymnasium. Angefangen hat es in der 6. oder 7. Klasse, als ich von einem Mitschüler während des Musikunterrichts plötzlich als Türke bezeichnet wurde. Ich war total konfus, ich wusste in dem Moment nicht recht was mit mir geschah. Hatte der mich tatsächlich gerade mit einem hämischen Grinsen "Türke" genannt, so dass auch andere es ohne Probleme mitbekommen hatten? - Ich war wie versteinert, ich wollte im Erdboden versinken, denn schlagartig wurde mir mein "Anderssein" vor Augen gehalten, ohne jegliche Vorwarnung. Das war es was mich so anders machte. Aber konnte das wahr sein? Ich ein Türke??

Wie es dann genau weiterging weiss ich nicht mehr im Detail, von da an wurde ich jedenfalls des öfteren mit meiner Hautfarbe bzw. Herkunft konfrontiert.
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mich anfangs erstmal so geschämt habe, dass ich mit niemandem über diese Vorkommnisse und Diffamierungen gesprochen habe, ich glaube ich konnte es nicht aus Scham, nicht einmal vor meinen Eltern.

Also "gewöhnte" ich mich im Laufe der Zeit daran, ließ es zunächst einfach über mich ergehen, da ich noch nie der Schlagfertigste war, mit der Zeit wurde ich jedoch offensiver und gab auch schonmal kontra.
Irgendwie kann ich meinen Freunden, die auch in meiner Klasse waren, nicht übel nehmen, dass sie manchmal quasi tatenlos zugesehen haben und mich auch manchmal mit dem "Anderssein" geneckt haben, ich glaube sie haben nicht wirklich nachvollziehen können, wie sehr mich das verletzt hat und ich konnte es ihnen wiederum nicht mitteilen; ich habe versucht, mir stattdessen nichts anmerken zu lassen und immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht und das ganze mit meiner Freundlichkeit überspielt.
Der wesentliche Unterschied zwischen meinen Freunden und dem Typ, der mich des öfteren beleidigte war aber auch der, dass dieser es im Gegensatz zu meinen Freunden ernst meinte mit seinen Beleidigungen, da dieser wie ich im Laufe der Zeit erfahren hatte rechtsradikal eingestellt war.

Im Laufe der Jahre auf dem Gymnasium hatte ich mich sogar irgendwie mit ihm arrangiert. Es klingt irgendwie paradox, dass man sich mit jemandem abgibt, der einen stets beleidigt hat und der dies ganz offensichtlich ernst meinte. Andererseits konnte er dann aber auch wieder freundlich zu mir sein, sein ganzes Verhalten war ein einziges Paradoxon.
Warum ich trotzdem ab und an was mit ihm zu tun hatte, kann ich mir nur mit einem bekannten Spruch erklären, der da heißt: "Halte dir deine Freunde nah, aber deine Feinde noch näher". Vielleicht war es auch einfach die in meinem Selbstverständnis verankerte Nächstenliebe, mit der ich erzogen wurde. Ich weiss es nicht. Heute jedenfalls würde ich nichts mehr mit dieser Person zu tun haben wollen, und wenn, dann nur um ihm zu sagen, was er früher bei mir mit seinen Worten angerichtet hat.

Mein großes Glück während der Zeit auf dem Gymnasium war zweifelsohne meine damalige Freundin, mit der ich über sechs Jahre zusammen war und die mich unterstützt hat wo sie nur konnte.
Mit ihr konnte ich über alls reden und kann es auch heute noch, denn unsere Partnerschaft ist zwar vorüber, aber nicht unsere Freundschaft.

Mit 17 oder 18 Jahren wollte ich dann doch endlich Klarheit darüber haben, woher ich denn nun stamme und dieser Wunsch wurde immer größer in mir.
So groß, dass ich sogar mit meiner Freundin plante, meine leibliche Mutter zu suchen.

Das haben wir dann jedoch nicht getan, da wir die Überlegung hatten, dass meine leibliche Mutter bestimmt einen guten Grund gehabt haben musste, weshalb sie mich zur Adoption freigegeben hat und dann noch ihre Identität verschwiegen hat.
Ich stelle mir das so vor, dass sie eine junge Türkin war als sie mich bekommen hat und natürlich nicht wollte, dass die Schwangerschaft auffliegt, was man ja in heutigen Zeiten mit der wieder auflodernden Rache-Thematik unter Türken durchaus nachvollziehen kann. Sie wäre vermutlich sehr gefährdet gewesen, wäre sie auf einmal mit einem unehelichen Kind bei ihren Eltern aufgekreuzt.
Wenn sich dies also tatsächlich so zugetragen hat, was sehr wahrscheinlich ist, denn jung war sie, das haben sie im Krankenhaus damals meinen Eltern gesagt, habe ich natürlich vollstes Verständnis für das Verhalten meiner leiblichen Mutter. Ich wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen, dass das Ganze doch noch auffliegt.

Im Gegenteil: Ich muss ihr eigentlich dankbar sein, und das bin ich auch, schließlich hätte sie ja auch abtreiben können.

Stattdessen habe ich dann also meinen Eltern von meinem Wunsch erzählt, woraufhin mein Vater telefonisch herausbekommen hat, dass ich tatsächlich teils türkischer Abstammung bin: meine leibliche Mutter sei eine junge Türkin gewesen und mein leiblicher Vater ein Deutscher.

Nun hatte ich also Gewissheit, und doch konnte ich mich über diese Botschaft nicht wirklich freuen, es war keine Erleichterung, wie ich vielleicht insgeheim gehofft hatte, sondern eher eine kleine Ernüchterung.
Ich hatte gehofft, ich sei einer anderen Nationalität abstämmig, vielleicht auch deshalb, weil ich sowieso schon als Türke bezeichnet wurde von einigen und diesem "Stigma" ausweichen wollte, indem ich hätte sagen können: "Hört her, ihr habt euch jahrelang in einem Irrtum befunden, ich bin Italiener, oder Spanier oder Inder", was auch schon einige vermutet hatten.
Ich konnte mich jedenfalls und kann es bis heute noch nicht ganz mit meiner Abstammug identifizieren.
Aber das ist eigentlich auch nicht weiter verwunderlich: ich hatte niemals türkische Freundschaften, nur später ein paar äußerst flüchtige Bekanntschaften und selbst da habe ich mich ihnen nicht richtig zugehörig gefühlt.

Nachdem das "Geheimnis" nun also gelüftet war, habe ich daraufhin erstmal nichts mehr dahingehend unternommen, ich habe erstmal abgewartet und alles auf mich wirken lassen.

Als ich dann irgendwann den Entschluss gefasst hatte, von nun an jedem, der mich danach fragt, meine Herkunft zu offenbaren, wurde ich wieder mal ganz schwer von einem Menschen enttäuscht, der sich von da an fast so hinterhältig wie mein "Erzfeind" über meine Herkunft lustig machte.

Von da an habe ich es also wieder gelassen, zu sagen, woher ich komme, wenn ich danach gefragt werde. Ich fürchte mich vor den Reaktionen, ich möchte so akzeptiert werden wie ich bin, als deutscher Bürger, der sich abgesehen vom Aussehen nicht unterscheidet.
Meinen Freunden habe ich es nie direkt gesagt, dass ich meine wahre Herkunft herausbekommen habe, aber ich vermute sie können es sich denken, vielleicht hatte es sich nach dem Gymnasium auch irgendwie rumgesprochen, jedenfalls spüre ich, dass sie es nicht stört, was unter Freunden natürlich eh eine Selbstverständlichkeit ist; sie bringen es auch nicht mehr zur Sprache. Mit der Zeit haben sie garantiert gemerkt, dass mich das Thema genervt hat, auch wenn ich es wie gesagt nie explizit erwähnt habe.

Nach dem Gymnasium habe ich alle etwas aus den Augen verloren, ich habe neue Leute kennengelernt, mich neu verliebt, jedoch ohne Erfolg und meine große Liebe zerbrach.

Auf neugierige Fragen nach meiner Herkunft habe ich bisher immer ausweichend geantwortet, seit ich mit der Wahrheit auf die Nase gefallen bin.
Wenn mich also nun jemand fragt, sage ich meistens: "Ich weiss nicht wo ich herkomme, ich bin adoptiert und kenne meine leiblichen Eltern nicht."
Das ist noch nicht einmal ganz gelogen, denn ich kenne sie schließlich wirklich nicht, nur meine Herkunft verleugne ich halt, manchmal entgegne ich auch, dass ich Schwede oder Holländer sei, ob man das denn nicht eindeutig sehen könne! :roll:
Ich bin die Fragerei, die gewiss häufig nur gut gemeinte Neugierde darstellt, jedenfalls manchmal leid und wünschte mir, ich würde weniger ausländisch aussehen, allein um nicht mehr der Fragerei ausgesetzt zu sein. Versteht mich nicht falsch, eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Aussehen, wäre da halt nicht die oftmalige Fragerei.

Nun bin ich in meiner Entwicklung an einem Punkt angelangt, an dem ich überlege, ob ich nicht einfach auf die Reaktionen der anderen scheißen soll und einfach sagen soll, dass ich teils türkischer Herkunft bin, falls ich gefragt werde. Irgendwie fühle ich mich mit dieser Aussage, dass ich meine Herkunft nicht kenne, auch nicht ganz wohl, vielleicht auch einfach, weil diese Aussage eine Unwahrheit birgt, eine Lüge um genau zu sein.

Ich bin hin- und hergerissen und weiss nicht, wie ich mich zukünftig verhalten soll. ich glaube eigentlich, dass es irgendwie egal ist, ob ich nun die Wahrheit bezüglich meiner Herkunft sage oder nicht - ganz wohl werde ich mich bei keinem der beiden Verhaltensmuster fühlen, da bin ich mir fast sicher.

Einerseits wäre es vielleicht zwar eine Erleichterung, die Wahrheit zu sagen und nicht mehr mit dieser Ausrede anzukommen, andererseits wäre das andere ein besserer Selbstschutz für mich, vor neuerlichen Enttäuschungen bewahrt zu werden, auch wenn ich natürlich weiss, dass ich Leute, die mich deshalb nicht mögen, in die Tonne kloppen kann.

Naja, das ist jedenfalls der aktuelle Stand der Dinge, ich kann natürlich nicht verlangen, dass sich jemand tatsächlich durch meine ganze Geschichte wühlt, aber ich würde es mir wünschen, denn ich würde gerne ein paar Meinungen zu meiner Situation hören! :)

Gibt bzw. gab es womöglich sogar ähnliche Situationen bei euch?

Danke fürs "Zuhören"!

MfG

homer81
 

Sedef52

Active Member
hallo homer

du hast dir die mühe gemacht alles zu schreiben und ich zu lese (wie gut das ich heute auf der arbeit kaum was zu tun habe :D ).
finde es sehr gut, dass du dieses problem mit uns teilst.

so eine geschichte wie du sie erlebt hast, habe ich in meinem umfeld nicht gesehen, aber ich kann nachvollziehen wie du dich fühlen musst.
steckst in einem zwiespalt und weißt nicht wie du reagieren sollst.
einerseits das erstreben jedem die wahrheit zu erzählen und andererseits aber auch die angst vor negativen reaktionen der mitmenschen.

aber sag mal, wenn du dich deiner herkunft her nicht schämst (was ich aus deinem text entnommen habe) wieso leugnest du woher du kommst? das du ein halber türke bist?
du müsstest so stark sein, über die reaktionen einiger leute hinwegzusehen... klar ist es jetzt wieder für einen außenstehenden leichter gesagt, wenn man nicht selbst erlebt hat, was für ein gefühl es ist...

was mich noch interessiert. du hast geschrieben, dass du nur flüchtigen kontakt zu türken hattest. lag es daran, dass du es auch bewusst vermieden hast??? denke, dass du mit diesem problem besser zurecht kommst, wenn du türkische freunde hättest.

naja soviel erst einmal von mir...

gruß sedef
 

boncuklar

Active Member
Hallo Homer,
mit großem Interesse habe ich Deinen Bericht gelesen. Leider höre ich heraus, daß Du Dich Deiner Herkunft schämst. Das mußt Du doch gar nicht! Du bist doch auch eine wertvolle Persönlichkeit so wie jeder andere Mensch. Du hattest und hast ein liebevolles Elternhaus und verständnisvolle Eltern. Viele Menschen würden sich glücklich schätzen in so einer Umgebung aufgewachsen zu sein.
Gib Dir einen Ruck und sage jedem der Dich fragt, ja, ich bin Halbtürke!

Ich habe die Menschen in der Türkei kennengelernt, ich fahre ca 4-6 Mal im Jahr hin. Ich kann dir versichern, daß es dort nicht so viele hochnäsige Möchtegerne gibt wie hier in Deutschland.
Der Zusammenhalt dieser Menschen ist ein ganz anderer, nicht nur in der Familie.
Die Moral und die Hilfsbereitschaft hat noch einen großen Stellenwert und der Charme dieser Menschen ist unwiderstehlich.
Warum willst Du nicht auch dazu gehören, zumindest zur Hälfte. Ich kann mir vorstellen, daß Du ein sehr hübscher und charmanter junger Mann bist. Du hast überhaupt keinen Grund Deine Herkunft zu verleugnen und die Menschen die meinen darüber Scherze machen zu müssen, die sollen erst mal schauen, daß sie ohne Fehl und Tadel sind.

Ich bin übrigens Deutsche, mit deutscher Mutter und deutschen Vater aber deshalb bin ich kein besserer Mensch!
Der Charakter, die Symphatie, der Charme, die Hilfsbereitschaft, das Verständnis für andere usw. das sind Dinge die einen guten Menschen ausmachen. Nicht die Nationalität oder die Hautfarbe, daran solltest Du immer denken.
Sei zu frieden mit Deinem Leben, denn Du hast doch sehr viel Glück gehabt. Nimm es dankbar an und laß Dich nicht von einigen Idioten verunsichern.

Ich hoffe, daß sich noch mehr hier im Forum die Mühe machen und Dir ihre Meinung dazu schreiben.

Liebe Grüße

Boncuklar
 

gabriela

New Member
Hallo Homer,
erstmal herzlich willkommen hier!!

Ich kann mir schon vorstellen dass Du Fragen nach Deiner Herkunft nicht wahrheitsgemäß oder ausweichend beantwortest. Manchmal nervt es einfach immer wieder dassselbe erzählen zu müssen und wenn man dann auch noch eine negative Reaktion erwartet... .
Das Problem wird wohl aber auch sein, dass Du Dich nicht als Türke (ob ganz odr halb - egal) fühlst, da Du offensichtlich als "Nichttürke" aufgewachsen und erzogen worden bist. Da Du Deine Eltern nicht einmal kennst, weißt Du nicht einmal ob die Leute mit ihren abfälligen Bemerkungen nicht vielleicht doch ein bisschen Recht haben? Ist es so eine Art Angst ? Ich möchte Dir nicht zu nahe treten, und es ist auch nicht böse gemeint. Vielleicht solltest Du versuchen etwas mehr über Deine "türkische Seite" zu erfahren, da ist dieses Forum glaube ich ein erster Schritt.
Einfach über diesen blöden Bemerkungen zu stehen ist leichter gesagt als getan, ich glaube Du mußt Dich erstmal mit Dir selbst identifizieren, dann wird es Dir etwas besser gehen.
Vielleicht liege ich mit meinen Gedanken hierzu auch völlig falsch, vielleicht hilft es Dir ein wenig.
Liebe Grüße,
gabriela
 

DameTR

Member
Hallo Homer,
erstmal herzlich willkommen hier!!

Homer ... der Name ist in Deinem Fall sehr gut gewählt und vermutlich nicht im Geringsten dem Zufall überlassen.

Ein sehr interessanter Lebenslauf. Ich kann verstehen, daß etwas was man nicht kennt einem Angst macht. Man wird in ein Korsett gepresst, welches einem nicht gehört, wobei man hier wieder bei der Frage wäre, ob die Abstammung oder das soziale Umfeld einen Menschen prägt. Diese Frage ist nicht endgültig durch die Wissenschaft geklärt. Durch die Familie weiß ein Mensch, wer er ist, erlangt seine Besonderheit, die Unverwechselbarkeit, die Identität, unabhängig davon ob diese Familie seine Ursprungsfamilie ist. Dennoch verstehe ich, daß man sich als Teil seiner Herkunft fühlt. Die Identitätsfrage stellt sich vermutlich ein Leben lang in verschiedener Intensität und anderer Ausprägung und je nach Altersstufe.

Du wirst nicht darum rumkommen die Türkei kennenzulernen und Dir selber ein Bild "der Türken" zu machen. Vielleicht findest Du darin einige Antworten auf Deine Fragen. Nimm Dir eine Auszeit fahr in das Land, erzähl Deine Geschichte, sprich mit den Leuten ... mach Dich auf die Suche nach Deinen Wurzeln. Nur wenn es Dir gelingt eine, wie auch immer gelebte Balance zwischen Herkunft und sozialer Familie zu finden, erreicht Du die innere Zufriedenheit.

Du kennst Deine Mutter nicht, aber vielleicht solltest Du ihr dennoch einen emotional Platz in Deinem Herzen einräumen (sie wird es tun!). Dann wirst Du auch das "anders Aussehen" annehmen können. Ich bin mir sehr sicher, daß sich das Leben Deiner Mutter wirklich so gestaltet hat, wie Du es hier niedergeschrieben hast. Sie war unter diesen Umständen wirklich mutig und hat Dich geboren. Vielleicht haben sich ihre Lebensumstände geändert und es stände einer Vorsichtigen Kontaktaufnahme nichts im Wege.

Wer sind wir, wo sind unsere Wurzel? Du siehst auch wir hier stellen uns diese Frage. Ich persönlich muß täglich darum kämpfen als Türkin anerkannt zu werden, weil mir das aufgrund meiner Sprachkenntnisse, meiner Ausbildung und "meines Aussehens" (so gar nicht Türkisch) nicht zugestanden wird. ... wir sind das was wir sind!
 
K

Kimyager

Guest
Zitat von boncuklar:
Ich kann dir versichern, daß es dort nicht so viele hochnäsige Möchtegerne gibt wie hier in Deutschland.
Der Zusammenhalt dieser Menschen ist ein ganz anderer, nicht nur in der Familie.
Die Moral und die Hilfsbereitschaft hat noch einen großen Stellenwert und der Charme dieser Menschen ist unwiderstehlich.

Na ja.. Na ja :roll:
 

homer81

New Member
danke fürs lesen :)

Guten Abend zusammen!

Zunächst einmal vielen Dank für euren netten und herzlichen Empfang hier und außerdem für eure ausführlichen und zum Teil sehr hilfreichen Kommentare und Meinungen zu meiner Geschichte.

Als ich gestern meine Geschichte zu Ende geschrieben hatte, war ich irgendwie erleichtert, es war, als wenn eine schwere Last von meinem Herzen genommen worden wäre, die ich schon lange mit mir herumtrage.
Vielleicht rede ich mir das auch nur ein, aber ich glaube es war für mich ein wichtiger Schritt, meine Geschichte mal niederzuschreiben, auch wenn ich diese ja auch ohne Niederschrift bestens kenne. Aber so wurde mir selbst nochmal meine Situation vor Augen geführt und ich hatte somit die Gelegenheit, meine Gedanken zu ordnen und mir vieles von der Seele zu schreiben.

Aber nun möchte ich gerne erstmal auf eure Gedanken und Meinungen eingehen.

@Sedef52

aber sag mal, wenn du dich deiner herkunft her nicht schämst (was ich aus deinem text entnommen habe) wieso leugnest du woher du kommst? das du ein halber türke bist?

In Wahrheit ist es um ehrlich zu sein schon so, dass ich mich, sobald ich mich damit auseinandersetze, manchmal wegen meiner Herkunft schäme, was vermutlich neben den jahrelangen Sticheleien noch mehrere andere Gründe hat. Ich glaube mit ein Grund ist die Tatsache, wie auch DameTR richtig vermutet hat, dass ich als Deutscher aufgewachsen bin, mit einem komplett deutschen Umfeld. Auf meinem Gymnasium waren so weit ich weiss auch überhaupt keine Türken, teilweise andere Nationalitäten wie Inder und Italiener, aber halt keine Türken.

Ein anderer Grund ist glaube ich das Klischeedenken, was man in Deutschland traurigerweise oft über manche Türken hat, seien es die, die wegen krimineller Energie aufgefallen sind, wegen Mord an einem Familienmitglied wegen Verletzung der Ehre oder einfach die gerne als "Muchel" titulierten Mitbürger, die typischen sonnengebräunten Discoprollos eben, um es mal beim Namen zu nennen, aber ohne dabei jemandem zu nahe treten zu wollen! Ich bin mir bewusst, dass ich selbst auch manchmal dieses Klischeedenken besitze, natürlich gibt es genauso deutsche Prollos bzw. Straftäter, aber ich denke von diesem Klischeedenken kann sich keiner ganz freimachen.

du hast geschrieben, dass du nur flüchtigen kontakt zu türken hattest. lag es daran, dass du es auch bewusst vermieden hast???

Nein, ich habe den Kontakt nicht vermieden, ich hatte während eines Kuraufenthaltes auf Norderney nach einer Erkrankung Kontakt zu zwei Türken und habe mich auch sehr gut mit ihnen verstanden. Jedoch war unserer Kontakt fast nur auf den Kuraufenthalt beschränkt, danach haben wir uns etwas aus den Augen verloren, zumal wir auch etwas weiter auseinander wohnen.
Einem der beiden Türken habe ich nach dem Kuraufenthalt dann auch anvertraut, dass ich auch Halb-Türke bin und im Nachhinein wünschte ich mir fast, ich hätte mich ihm seelisch so öffnen können, wie ich es nun vor euch tue. :)

denke, dass du mit diesem problem besser zurecht kommst, wenn du türkische freunde hättest.
Vielleicht hast du recht, muss ich mal drüber nachdenken.


@boncuklar

Warum willst Du nicht auch dazu gehören, zumindest zur Hälfte. Ich kann mir vorstellen, daß Du ein sehr hübscher und charmanter junger Mann bist.
Erstmal danke für die Blumen, auch wenn ich das selbst schlecht beurteilen kann :wink:
Du hast im Prinzip schon recht, dass ich offen und ehrlich meine Herkunft preisgeben sollte, wie auch schon deine Vorrednerin sagte.
Das Problem der Zugehörigkeit ist für mich nur folgendes: im Prinzip fühle ich mich der deutschen Kultur und Deutschland zugehörig und nicht der türkischen, einfach dadurch, dass ich in einem komplett deutschen Umfeld großgeworden bin (bis auf einige Ausnahmen, aber die waren nicht türkisch).
Das bedeutet für mich natürlich nicht, dass ich die türkische Kultur ablehne und nicht neugierig wär, es ist einfach nicht die in meiner Entwicklung verankerte Kultur, Die türkische Kultur ist mir ebenso fremd wie einem Ur-Deutschen. Das einzige was ich teile ist die Abstammung, ich glaube daher kommen meine ganzen Zweifel und Identitätsüberlegungen.


@gabriela

Da Du Deine Eltern nicht einmal kennst, weißt Du nicht einmal ob die Leute mit ihren abfälligen Bemerkungen nicht vielleicht doch ein bisschen Recht haben? Ist es so eine Art Angst ?
Die Angst ist einfach da vor abfälligen Bemerkungen, wie ich sie, auch ohne dass man was über meine wahre Identität wusste, erfahren habe, z.b. Ausdrücke wie Kanacke usw.
Das mit dem recht haben verstehe ich nicht ganz, wie du das meinst. Kannst du mir das näher erklären? Denn recht hätten die Leute ja schon gehabt, schließlich bin ich ein Halbtürke.

Vielleicht solltest Du versuchen etwas mehr über Deine "türkische Seite" zu erfahren, da ist dieses Forum glaube ich ein erster Schritt.
Das ist eine sehr gute Idee und ich bin ehrlich froh, dass ich dieses Forum gefunden habe!

Vielleicht liege ich mit meinen Gedanken hierzu auch völlig falsch, vielleicht hilft es Dir ein wenig.
Du liegst überhaupt nicht falsch, du hast meiner Meinung nach vollkommen recht und ich danke dir für deine Meinung. :)


@DameTR

Nur wenn es Dir gelingt eine, wie auch immer gelebte Balance zwischen Herkunft und sozialer Familie zu finden, erreicht Du die innere Zufriedenheit.
Da hast du vollkommen recht, das sehe ich auch so, momentan bin ich jedoch noch weit davon entfernt, meine innere Balance gefunden zu haben, vielleicht wäre es tatsächlich einen Versuch wert, mal in die Türkei zu reisen, auch wenn mein Türkischsprchiges Defizit wohl etwas hinderlich sein dürfte...

Vielleicht haben sich ihre Lebensumstände geändert und es stände einer Vorsichtigen Kontaktaufnahme nichts im Wege.
Das halte ich für etwas problematisch. Vielleicht haben sich ihre Lebensumstände tatsächlich geändert, aber das erstmal überhaupt rauszubekommen, ohne gleich als Gast in einer der peinlichen Talkshows auftreten zu müssen, die einem evtl. Türen öffnen können, die man selbst nicht zu öffnen vermag, ist glaube ich sehr schwierig. Zumal es wie gesagt keine gewöhnliche, sondern eine Inkognito-Adoption war, was die Sache noch einmal verkompliziert denke ich.

Ich persönlich muß täglich darum kämpfen als Türkin anerkannt zu werden, weil mir das aufgrund meiner Sprachkenntnisse, meiner Ausbildung und "meines Aussehens" (so gar nicht Türkisch) nicht zugestanden wird. ... wir sind das was wir sind!
Das ist interessant, denn manchmal wünschte ich mir, ich würde weniger türkisch aussehen, dann hätte ich zumindest nichtmehr diese Fragerei am Hals, andererseits kann ich dich gut verstehen, dass du dir mit nichttürkischem Aussehen die türkische Akzeptanz erkämpfen musst. Wie praktisch es doch wäre, wenn unser Aussehen anders wäre, aber das steht uns nunmal nicht zu, denn wie du schon sagtest sind wir schließlich diejenigen die wir sind.


Nochmal vielen Dank allen für eure sehr interessanten Antowrten. Ich freue mich natürlich auch weiterhin über eure Beiträge, aber ihr habt mir schon etwas weitergeholfen, sei es auch nur dadruch, dass ihr euch mit meiner Geschichte auseinandergesetzt habt. :)

MfG

homer81
 
Hi Homer!

Wow, sehr interesante (und lange :D ) Geschichte! Also ich sehe das etwas anders: In meinen Augen bist du ein Deutscher! Und zwar ohne Zweifel!

Du hast Deutsche Eltern (Egal ob adoptiert, so wie du das beschrieben hast, sehe ich sie fest als DEINE ELTERN an), bist "deutsch" aufgewachsen, hast als Muttersprache deutsch, kannst kein türkisch und hast auch nichts mit der Türkei zu tun.... Für mich bist du deutsch!!! :wink:

Und das Aussehen... Es ist doch nur eine Äußerlichkeit! Wenn du dich als ein halber Türke fühlst, dann sag auch "Ich bin Halb Türke halb Deutscher" aber wenn du dich nicht so fühlst... dann sag doch einfach du bist deutscher! 8)

Wenn du dich dabei schlecht fühlst, weil du denkst dass du dann vielleicht lügst (was man auch aus 2 Perspektieven sehen kann, da es für MICH z.B. keine Lüge wäre...), dann kannst du ja erklären "dass ein Teil deiner Leiblichen Eltern türkisch war, du aber deutsche Eltern hast und somit zu zu 100 % deutsch bist und dich auch so fühlst!"

Ich sehe das vielleicht etwas anderst, aber das ist meine Meinung! :)


Und nochwas: Mir geht es manchmal so ähnlich wie dir...
Ich bin in Rumänien geboren und erst mit 3 Jahren nach Deutschland gekommen und kann fast nichts mehr von der Sprache (weil meine Eltern mich eben "mit deutscher Sprache und deutschen Sitten" aufziehen wollten um mir mein Leben später mal zu erleichtern: Schule, Beruf,...)

Man sieht es mir an, und deswegen sagen die "Deutschen" dass ich "nicht deutsch" bin und die Rumäner sagen "dass ich nicht rumänisch" bin! WAS BIN ICH DENN DANN?!? Das habe ich mich vor einigen Jahren gefragt, heute sage ich einfach ich bin Rumänerin! Und weißt du warum?!? Weil ich mich so Fühle!!! Und ich lasse mich von keinem mehr dumm anmachen du bist keine richtige Rumänerin/richtige Deutsche!!!

Ich denke du solltest dir einfach klar werden, wie du dich fühlst, und was du für dich selber bist! Bist du in deinen Augen Halb deutsch oder ganz deutsch? Und dann sag das einfach so, und zwar ohne schlechtes Gewissen!!!

Hoffe ich habe nicht zu weit ausgeholt...
Und dass du bald weißt, was du bist :D
Liebe Grüße, Sybille
 

homer81

New Member
re

@ROManian-askim

Hallo!

Vielen Dank für deine Meinung, die ich auch wiederum sehr interessant finde. Ich denke du hast recht damit, wenn du sagst, dass ich mir erstmal darüber klar werden muss, wie ich mich fühle, auch wenn ich finde, dass das eine schwierige Angelegenheit ist. :)
Im Prinzip fühle ich mich natürlich wie du auch sagtest als Deutscher. Jedoch bin ich schon etwas neugierig auf die türkische Kultur, auf die ethnischen Wurzeln, die ich ja dann doch in mir trage, abgesehen von meinem sozialen Umfeld und meiner Erziehung.

Interessieren würde mich bei dir, warum du dich denn nun trotzdem eher als Rumänierin fühlst, obwohl du doch auch eher deutsch aufgewachsen bist? hat es lediglich was mit deinem aussehen zu tun?

MfG

homer81
 
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