AW: Deutscher oder Türke? Meine Geschichte!
Hallo homer,
da ich noch nicht lange hier im Forum bin, habe ich deinen interessanten Beitrag erst jetzt gelesen.
Mich hat deine Geschichte sehr berührt, weil ich mich schon oft gefragt habe, wie sich Menschen wie du wohl fühlen. Hier in Berlin habe ich schon häufig Leute kennengelernt, deren Aussehen auf eine ausländische Herkunft schließen lässt, die aber 100%ig deutsch sozialisiert wurden.
Manchmal habe auch ich ihnen diese typisch "dummen Fragen" gestellt:
"Woher kommst du ?" " Wie lange lebst du schon in Deutschland?" etc Meist war das dann für mich peinlich, denn sie antworteten mir in lupenreinem Hochdeutsch oder gar im Berliner Dialekt, dass sie Deutsche sind....
Einige reagierten etwas angegriffen, andere dagegen ganz selbstverständlich oder mit einem kecken Spruch auf den Lippen. Je nachdem, wie ihre bisherigen Erfahrungen aussahen. Selbstverständlich habe ich meine Fragen nicht böse gemeint und das merkten sie ja auch.
Aber sie sagten mir schon, dass diese ständige Fragerei nervt, weil sie abgesehen davon, dass sie vielleicht nicht aussehen wie der typische "Durchschnittsdeutsche", sich doch nunmal als Deutsche und nicht als Ausländer fühlen.
Natürlich ist es auch irgendwie normal, dass bei einer dunklen Hautfarbe, dicken schwarzen Haaren (oder ähnlichem) die Assoziation naheliegt, dass es sich um einen Ausländer handeln könnte. In letzter Zeit gibt es aber, gerade in den Großstädten, so viele Menschen verschiedensten Aussehens, die alle in Deutschland leben und aufgewachsen sind, dass diese Äusserlichkeiten doch immer mehr an Bedeutung verlieren.
Ich glaube (und hoffe), schon in ein paar Jahrzehnten werden solche Dinge kaum noch eine Rolle spielen. (In großen international agierenden Unternehmen ist das teilweise ja schon heute so.) Natürlich wird es auch immer ein paar unbelehrbare Hinterwäldler geben, die noch irgendwelchen merkwürdigen "Rassentheorien" anhängen. Lass dich von diesen dummen, ewig gestrigen nicht beirren.
Es ist verständlich, dass du im Konflikt mit dir selbst bist.
Im Prinzip unterscheidet dich da nichts von mir: Du wurdest deutsch sozialisiert. Das ist also dein kultureller Background. Die türkische Kultur ist für dich genauso fremd und exotisch wie für mich. Und nur weil du irgendwie "genetisch gesehen" türkischer Abstammung bist, bloß weil du etwas dunklere Haare hast, fühlst du dich ja noch lange nicht als Türke. Auch nicht als Halbtürke.
Würde mir morgen jemand sagen, dass meine Vorfahren Russen, Norweger oder Dänen waren, dann würde das für mich auch nichts ändern. Ich würde mich beispielsweise auch nicht schlagartig mit der dänischen Kultur identifizieren und auch nicht allen Leuten sofort erzählen, dass ich Dänin bin. Ich bin deutsch sozialisiert und deshalb bin ich Deutsche. Wäre ich in der Türkei bei türkischen Eltern aufgewachsen, wäre ich eben Türkin. Eine blonde Türkin. So sehe ich das.
An deiner Stelle würde ich natürlich auch nach meinen Wurzeln suchen und mich für die türkische Kultur interessieren, vielleicht türkisch lernen. Aber ansonsten steht für mich ausser Frage, dass du Deutscher bist. Die Zeiten, wo Menschen nach genetischer Herkunft, "Rassen" und "Blut" in Gruppen aufgeteilt wurden, solten doch ein für allemal vorbei sein.
Es macht mich sehr wütend, dass du unter solchen Idioten leiden musstest. Du brauchst dich doch vor denen für nichts zu rechtfertigen.
Mein Freundeskreis ist (und war immer) multikulturell und da gibt es Menschen mit unterschiedlichsten Wurzeln. Sie stammen oft aus binationalen Ehen oder haben schon in vielen verschiedenen Kulturen und Ländern gelebt. Auch ich war schon viel im Ausland und bin daher in mancher Hinsicht auch nicht mehr "typisch deutsch". (Was ist das überhaupt?) Manchmal habe ich meine Freunde um ihre interessante Herkunft, ihre Mehrsprachigkeit, ihr exotisches Aussehen sehr beneidet. Das ist ja alles nur eine Frage der Sichtweise... Ich jedenfalls betrachte das als grosse Bereicherung.
Sei einfach du selbst und lass dich nicht in eine Schublade stecken !
Viele Grüsse von cassandra