Die zurückgelassenen Kinder

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Damla70

Guest
Nordish, erstmal dankeschön dafür, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Es erinnert mich etwas an die Kindheitsgeschichte meines Vaters...

Damals war Nachkriegszeit und eine ganz andere Situation, aber im Endeffekt doch ähnlich. Mein Vater wurde auch als Säugling weggegeben, damit es ihm besser gehen sollte. Er hat es bis heute nicht verwunden, obwohl er nun schon über 70 ist.

Die Umstände waren damals so, dass meine Großmutter schon einen unehelichen Sohn hatte. Der Vater des Jungen ist wohl noch vor der Hochzeit im Krieg gefallen. Meine Oma musste meinen Onkel in die Familie ihrer Schwester geben, weil sie nicht für ihn sorgen konnte.

Einige Zeit später lernte meine Oma einen Soldaten kennen, ihre große Liebe. Sie wurde schwanger und erst da erfuhr sie, dass dieser Mann bereits Frau und Kinder hatte! Er ließ sie sitzen. 1940 war es für eine Frau unmöglich, Alleinerziehende zu sein. Nun war die Frage, wohin mit meinem Vater. Zur Schwester ging nicht, die hatte ja schon meinen Onkel aufgenommen. Somit wurde mein Vater hunderte Kilometer weiter weg auf's Land gebracht, in der Hoffnung, dass es ihm dort besser gehen sollte...

Mein Vater wuchs mit noch drei anderen Pflegekindern in dieser Familie auf. Es war nicht alles schlecht, aber es war auch nicht alles schön. Er vermisste eine richtige Mutter, so wie seine Freunde sie alle hatten.

Seine Mutter lernte er erst im Erwachsenenalter kennen. Da war er schon verheiratet und das erste Kind war unterwegs. Er hat oft davon erzählt. Jedenfalls hielten sie Kontakt. Auch seinen Bruder lernte er kennen. Die Familie ist zusammen gewachsen.

Aber bis heute kann er nicht verzeihen, dass seine Mutter sich nie um ihn gekümmert hat, ihn niemals in den Ferien zu sich holte... Auch wenn er die Umstände von damals verstehen und nachvollziehen kann, wirklich verzeihen kann er nicht!
 
N

nordish

Guest
Auch wenn er die Umstände von damals verstehen und nachvollziehen kann, wirklich verzeihen kann er nicht!

"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust." (Goethe)
Das ist ein wenig shizophren....
Ich verstehe auch alles... die Not, der Wunsch nach einem besseren Leben, das Wissen, dass die Kinder wirklich gut untergebracht sind...
Dann wiederrum verstehe ich gar nichts. Will nichts verstehen.
Und das nicht phasenweise abwechselnd... sondern beide Gefühle habe ich gleichzeitig.
 

Yaso2.0

Well-Known Member
"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust." (Goethe)
Das ist ein wenig shizophren....
Ich verstehe auch alles... die Not, der Wunsch nach einem besseren Leben, das Wissen, dass die Kinder wirklich gut untergebracht sind...
Dann wiederrum verstehe ich gar nichts. Will nichts verstehen.
Und das nicht phasenweise abwechselnd... sondern beide Gefühle habe ich gleichzeitig.

Vor allem, weil die Eltern dann absolut nicht nachvollziehen können, warum sich die Kinder eben auch mal zuerst ans Meer begeben und nicht zuerst zu den Eltern!

Die Eltern meiner Freundin sind auch so, beschweren sich ständig, dass ihr Sohn sich nie meldet, nur wenn er Geld braucht.

Ich habe mal zu meiner Freundin gesagt, "ist doch normal, er wurde des Geldes wegen zurückgelassen, jetzt haben deine Eltern genug und ihr Sohn möchte haben, wofür man ihn damals zurück liess"

Das fand sie nicht so toll, aber ich konnte es mir irgendwie nicht verkneifen!

Wie kann man von einem Kind, welches man erst mit 16 (also fast erwachsen) aus seiner Umgebung reisst und mal wieder nicht nach seiner Meinung fragt,erwarten, dass er den Hingebungsvollen Sohn gibt?

Ich versuche auch beide Seiten zu verstehen, ist aber eher nicht möglich, da wir heute ja schon ein ganz anderes Leben und Mittel und Wege haben, wo man sein Kind nicht weggeben muss.

Ich würde eher sterben, als meine Tochter wegzugeben, auch wenn ich weiss, sie wäre bei ihren Tanten sehr gut aufgehoben!

Nordish, ich wünsche Dir, dass du eines Tages vielleicht vollständig damit abschliessen kannst! Viel Kraft und vor allem viel Geduld, jetzt wenns wieder alles hoch kommt!
 
N

nordish

Guest
Ich versuche auch beide Seiten zu verstehen, ist aber eher nicht möglich, da wir heute ja schon ein ganz anderes Leben und Mittel und Wege haben, wo man sein Kind nicht weggeben muss.
Na, früher war das ja auch nicht unmöglich.... Haben ja andere vorgemacht, dass es geht, auch mit Kindern.
Das ist es ja...
Wäre es, blöd gesagt, verboten gewesen die Kinder mitzunehmen... das wäre zumindest ein Grund.
Aber so...

Nordish, ich wünsche Dir, dass du eines Tages vielleicht vollständig damit abschliessen kannst! Viel Kraft und vor allem viel Geduld, jetzt wenns wieder alles hoch kommt!
Danke.
Es ist ja nichts Neues, das trage ich ja ewig mit mir herum.
Wird schon...
:)
 

Novus

Well-Known Member
Auch wenn es einem schwer fällt es einzugestehen. Auch wenn ich zuruckgelassene kinder in meiner umgebung betrachte oder meine eigene Geschichte zur hand nehme. Der Hauptgrund warum kinder zuruckgelassen werden ist keine Not, sondern Bequemlichkeit und Egoismus.
 
N

nordish

Guest
Der Hauptgrund warum kinder zuruckgelassen werden ist keine Not, sondern Bequemlichkeit und Egoismus.
Ich weiss nicht ob ich dem zustimmen kann... Und mit "kann" meine ich nicht, ob deine Aussage richtig ist, sondern ob ich dem gefühlsmässig zustimmen kann, ohne daran schwer zu knabbern zu haben.

Aber selbst wenn ich dem zustimme, es akzeptiere und verarbeite...
Was ist die Folge dieser Erkenntnis für mich?
(Das frage ich nicht dich sondern mich)
 

Janett

Member
Auch wenn es einem schwer fällt es einzugestehen. Auch wenn ich zuruckgelassene kinder in meiner umgebung betrachte oder meine eigene Geschichte zur hand nehme. Der Hauptgrund warum kinder zuruckgelassen werden ist keine Not, sondern Bequemlichkeit und Egoismus.
Kinder können schonmal aus der Not heraus zurückgelassen werden, dies dann aber tatsächlich nur vorübergehend, sodass die Bindung zu den Eltern keinen Schaden nimmt.
Ansonsten würde ich deiner Aussage wirklich zu zustimmen.

Dass du das nicht kannst, Nordish, ist normal. Du urteilst damit hart über deine Eltern. Und erfahrunsggemäß verzeiht man Eltern und Kindern (fast) alles.
 

luxi72

Well-Known Member
Was ist die Folge dieser Erkenntnis für mich?
(Das frage ich nicht dich sondern mich)

Die Erkenntnis für mich persönlich ist, dass es einfach Frauen gibt, die diese Mutterliebe nicht in der Form empfinden können, wie es hier einige geschrieben haben. (Eher würde ich sterben, bevor ich mein Kind hergeben würde....wenn ich mich zwischen Mann und Kind entscheiden müsste, wüsste ich aber, dass es nicht der Mann wäre...)

Meine Mutter wurde auch als Kleinkind zur Tante abgeschoben, weil ihre Mutter einen neuen Mann geheiratet hatte, mit ihm zwei Kinder bekam und er die Stiefkinder nicht wollte. DAS war für mich Egoismus, den diese Frau ganz oft auch in anderen Situationen an den Tag gelebt hat. Fehlende Mutterliebe natürlich auch.

Man kann natürlich nicht pauschalisieren, aber was Richie schreibt, halte ich auch für möglich. Man muss es eben im Einzelfall betrachten.
 
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