Das Essener Elisabeth-Krankenhaus weigert sich seit Kurzem, weiterhin Beschneidungen vorzunehmen.
Artikel in der WAZ:
http://www.derwesten.de/region/esse...chneidungen-vorzunehmen-page2-id10875242.html
Auszug:
"Das Essener Elisabeth-Krankenhaus hat beschlossen: Wir machen keine Beschneidungen mehr. Immerhin drei Viertel der Eltern, so schätzt der Leiter der Kinderchirurgie, Dr. Peter Liedgens, bringt er zum Nachdenken, ein Viertel verzichtet nach der Aufklärung bereits auf den Eingriff, schätzt er. Die Folge: Kamen im ersten Quartal 2014 noch 70 Jungen unters Messer so waren es in den ersten drei Monaten diesen Jahres nur elf. Und bei denen war die OP medizinisch geboten. Die Position der Klinik wird von Juristen gestützt: Jede Operation, die nicht medizinisch notwendig ist, bedeutet einen Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Recht auf körperliche Unversehrtheit.Auf der anderen juristischen Waagschale liegen das Recht auf freie Religionsausübung und das Recht der Eltern, über die Erziehung ihres Kindes entscheiden zu können.
(...)
Die Stellungnahmen der Verbände von Pro Familia über die Kinder- und Jugendärzte sind eindeutig. Die Beschneidung „ist ein schwerwiegender Eingriff mit irreversiblen Auswirkungen und berührt das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit“, sagt Renate Bernhard von Pro Familia NRW. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hebt hervor, dass selbst bei einer Vorhautverengung die „Beschneidung immer die letzte, da für den Jungen gravierendste und im wahrsten Sinne des Wortes einschneidenste Behandlung“ sei.
Mittlerweile gibt es jedoch ein Hilfsargument: die psychische Belastung. Ein nicht beschnittener Junge wird sich zwischen beschnittenen Altersgenossen beispielsweise im Sportverein unwohl fühlen, argumentiert eine Urologin auf einem Essener Symposium.
Für Önder Özgeday ist so etwas der Ansporn, dafür zu sorgen, dass kein nicht beschnittener Junge allein dasteht. Seinen Eltern macht er heute keine Vorwürfe mehr, auch wenn der Konflikt zwischenzeitlich groß war. Die jungen Großeltern haben mittlerweile akzeptiert, dass der Enkelsohn nicht beschnitten werden wird. Ein kleiner Schritt zur allmählichen Abschaffnung des kleinen Schnitts, der so großes Leid hervorruft."
Die Ärztekammer Nordrhein hat einen informationsgesättigten Artikel ("Es gibt keine Frauenbeschneidung ohne Männerbeschneidung") aus dem "Rheinisches Ärzteblatt" online gestellt.
https://www.aekno.de/page.asp?pageID=14192&noredir=True
Autor ist ein gewisser "Bülent Erdogan" (ob der sich nicht wie sein sultanesker Namensvetter eigentlich mit
yumuşak ge schreiben müsste?; egal ) Es geht um ein Symposium in Essen, bei dem Ärzt_innen sich damit auseinandersetzen, dass Genitalverstümmelung bei Jungen Körperverletzung darstellt und trotzdem legal ist. Ein Professor Dr. Matthias Franz befindet: "Es scheint, als gälte die Aufklärung, die UN-Kinderrechtskonvention und das Grundgesetz nicht für kleine Jungen. Und es scheint, als hätte man angesichts des Machtanspruchs religiöser Phantasiesysteme schon wieder vergessen, dass Erwachsene an den Genitalien von Kindern nichts zu suchen haben, und dass man Kindern nicht wehtut."
Der "Ärzteblatt-Artikel" befasst sich auch mit dem in diesem Thread aufgeworfenen Thema "Selbstbefriedigungsmöglichkeiten" und lässt drei historisch wirkmächtige christliche Beschneidungsaficionados (und Ärzte) zu Wort kommen:
"Zu den entschlossensten Befürwortern und Wegbereitern der männlichen Beschneidung gehörten auch Ärzte – wie John Harvey Kellogg (1852-1943) aus den USA. Dieser sah die Beschneidung als probates Mittel dafür an, dass kleine Jungs nicht an ihrem Penis spielen und dabei die Lust am eigenen Körper entdecken: „Ein Mittel gegen Masturbation, welches bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung. Die Operation sollte von einem Arzt ohne Betäubung durchgeführt werden, weil der kurze Schmerz einen heilsamen Effekt hat, besonders, wenn er mit Gedanken an Strafe in Verbindung gebracht wird.“ Bei Mädchen sei die Behandlung der Klitoris mit unverdünnter Karbolsäure geeignet, um eine unnatürliche Erregung zu mindern.
Sein Kollege Athol A. W. Johnson propagierte 1860 in The Lancet: „In Fällen von Masturbation müssen wir, wie ich glaube, die Angewohnheit brechen, indem wir die betreffenden Körperteile in einen solchen Zustand bringen, dass es zu viel Mühe macht, mit der Praktik fortzufahren. Zu diesem Zweck, falls die Vorhaut lang ist, können wir den Patienten beschneiden. Auch sollte die Operation nicht unter Chloroform vorgenommen werden, so dass der erlittene Schmerz mit der Angewohnheit, die wir auszurotten wünschen, in Verbindung gebracht werden kann.“ In seltenen Fällen, in denen auch eine Fehlbildung des Organs feststehe, so Johnson, könne bei Mädchen auch die Teil-Amputation der Klitoris angezeigt sein. Mediziner vergleichen die Zirkumzision bei Jungen mitunter mit der Entfernung der Klitorisvorhaut bei Mädchen (sogenannter Typ 1).
Der Schweizer Arzt Simon Auguste Tissot (1728 – 1797) empfahl die Beschneidung gegen die Krankheit „Onania“. So wollte er verhindern, dass auch nur eine „halbe Unze“ des wertvollen männlichen Samens verschwendet und der Mann in seinen Kräften geschwächt würde, was wiederum Krankheiten Vorschub leisten könne."