Meine Güte, seid ihr wieder schnell bei der Sache. Und natürlich dreht sich wieder jeder Erklärungsversuch um euer hübsches kleines Weltbild: der große böse Erdogan gegen den Rest der friedliebenden ohnmächtigen Welt! Im Prinzip wärt ihr alle zusammen AfD-Wähler par excellence, denn Denk- und Argumentationsmuster gegen das ausgemachte Feindbild sind völlig identisch. Und es passt auch so wunderbar, dass er Türke und Moslem ist.
Nun denn, ich kenne mich mit diesem Konflikt auch nicht so gut aus, kann mich nur erinnern, dass es in den Neunzigern und danach auch schon einmal heftig gekracht hat in dieser Region. Und da ich eben diesem Schwarz-Weiss-Denken nicht so sehr angetan bin und glaube, dass es bei jedem größeren Konflikt mehr als nur eine Sichtweise gibt, wollte ich mich mal bei Wiki ein wenig informieren und stieß da als erstes auf folgendes Bild:
Und ich konnte nur noch den Kopf schütteln. Denn wer so eine konfliktuöse Grenzziehung und Konstellation zwischen zwei nicht gerade innig befreundeten Staaten herbeiführt, zulässt, beibehält nicht umgehend aufzulösen versucht, ganz gleich, ob es die beteiligten Regierungen sind, sogenannte Schutzmächte oder eben auch die internationale Gemeinschaft, die sich ja sonst so gerne überall einmischt (u.a. bei Vorliegen unbezweifelbarer Beweise, wenn sie denn aus bestimmten Ländern kommen), der beabsichtigt nur ein einziges Ziel, nämlich dass früher oder später hier ein gewaltiger Konflikt ausbricht. Und zwar ganz unabhängig davon, wie die jeweiligen Akteure auf allen Seiten gerade heißen - hier wird es früher oder später unweigerlich knallen, das muss doch einfach jedem klar sein!
Da haben wir eine azerbaycanische Exklave an der iranischen Grenze, einen bis zur iranischen Grenze reichenden Streifen Armenien, der besagte Exklave vom Kernland räumlich trennt und zuletzt noch ein umstrittenes von den Armeniern beanspruchtes Gebiet im - der Form nach - azerbaycanischen Kernland. Jeder einzelne Punkt dieser Konstellation ist ein potentieller Konflikt, der jederzeit ausbrechen könnte, je nach Interessenlage ausglöst durch die betroffene Bevölkerung, den beteiligten souveränen Staaten oder eben auch den Schutzmächten.
Nichts, aber auch gar nichts an diesem Konflikt lässt sich unter diesen Umständen ohne weiteres und auf die Schnelle der einen oder anderen Seite, dem einen oder anderen Akteur in die Schuhe schieben. Vielmehr würde ich jeden beteiligten Politiker und Diplomaten, der diese obige irrationale Konstellation herbeigeführt, zu ihr beigetragen, sie erhalten oder sich geweigert hat, an ihrer Auflösung mitzuwirken (und das müssten insgesamt eine ganze Menge gewesen sein) als einen Kriegstreiber bezeichnen. Weil eben billigend in Kauf genommen wurde, dass hier früher oder später, aus einem beliebigen Anlass, ein Krieg wieder ausbrechen würde.
Wenn ich etwas träumen dürfte, dann würde ich Azerbaycan ihre Exklave wegnehmen und Armenien etwa die Hälfté (ein ungefähr der Landfläche der Exklave entsprechender Bereich) des trennenden Streifen und diese Gebiete der autonomen bislang nicht anerkannten Republik Bergkarabach zusprechen unter der Bedingung, dass alle unter sich bleiben wollenden Azerbaycaner sich in ihr Kernland verkriechen, alle unter sich bleiben wollenden Armenier dasselbe tun und die neue Republik, die unter dem besonderen Schutz der internationalen Gemeinschaft stehen und als entmilitarisierte Puffernation fungieren könnte, all diejenigen "zukunftsfähigen" Azerbaycaner und Armenier beheimatet, die die begründete Hoffung haben, dass Menschen auch unabhängig von Religion und Herkunft friedlich und solidarisch zusammenleben können.
Wie gesagt, nur eine Träumerei, aber immerhin eine, die einen zukunftsfähigen Frieden anvisiert. Im Gegensatz zu der blauen wie blauäugigen Scheinlösung: das Paradies auf Erden wird wiederkehren, sobald wir Erdogan erst in die Wüste geschickt haben...