Erstmal vielen Dank für den Thread, er ist m.E. längst überfällig. Mir schwebte das seit geraumer Zeit unter dem Titel China Cables, Uiguren o.ä. vor, aber ich kam nicht dazu und hoffte, dass es jemand anderes macht.
"Massivster Assimilationsdruck" trifft die Sache, scheint mir aber trotzdem eine dezente Umschreibung für die dortigen Menschenrechtsverletzungen. Ich meine zu erinnern, dass die türkische Regierung beziehungsweise Erdoğan China schon vor zehn Jahren mit Kritik an der Behandlung der Uiguren verärgert hat. Darüber hinaus sollten Uiguren, die es (wie auch immer) in die Türkei schafften, dort bevorzugt eingebürgert werden - meine ich auch vor Jahren gelesen zu haben. Das "Handelsblatt" berichtete 2015 anlässlich eines Staatsbesuchs von Erdoğan in China, die Türkei habe 173 Uiguren als Flüchtlinge aufgenommen.
"Der türkische Staatschef hatte China mehrfach für den Umgang mit der Turkstämmen Minderheit der Uiguren kritisiert. Als es in der westchinesischen Region Xinjiang 2009 zu Unruhen zwischen Uiguren und Han-Chinesen kam, warf Erdogan Peking „eine Art Völkermord“ vor. Laut Regierungsangaben leben heute etwa zehn Millionen Uiguren und 8,4 Millionen Han-Chinesen in der Autonomen Region Xinjiang."
https://www.handelsblatt.com/politi...l?ticket=ST-36672270-36KTyQSqJsVRZfpZLxWC-ap2
Dass Erdoğan sich in der Sache bisher nicht engagiert hat, kann man ihm also nicht vorwerfen. Deswegen fand ich die jetzige Berichterstattung in Deutschland auch überwiegend seltsam, weil dieser Aspekt nie erwähnt wurde.
Allerdings hat Erdoğans Interessenlage sich mit der Zeit aufgrund wirtschaftlicher Nöte offenbar verschoben. Text bei Qantara von 2019:
Während sich Erdoğan sonst gern als Verteidiger der Muslime präsentiert und regelmäßig die Verfolgung der Palästinenser oder der Rohingya kritisiert, verlor er monatelang kein Wort zu dem, was Aktivisten als "kulturellen Genozid" an den Uiguren sehen. Wie Saudi-Arabien und andere muslimische Staaten vermied er jede Kritik an seinem Wirtschaftspartner.
Umso unerwarteter war es, als die Türkei am 9. Februar eine scharfe Erklärung abgab, in der sie Peking vorwarf, die ethnische, religiöse und kulturelle Identität der Uiguren auslöschen zu wollen.
"Eine große Schande für die Menschheit"
"Es ist nicht länger ein Geheimnis, dass mehr als eine Million uigurische Türken willkürliche Verhaftungen erleiden und in Internierungslagern und Gefängnissen Folter und politischer Gehirnwäsche ausgesetzt sind", erklärte das türkische Außenministerium. Die "systematische Assimilierung" der Uiguren sei "eine große Schande für die Menschheit". Zwei Wochen später forderte Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu China im UN-Menschenrechtsrat zudem auf, die kulturelle Identität der Uiguren und anderer Muslime zu schützen und die Religionsfreiheit zu wahren.
https://de.qantara.de/inhalt/unterd...chwieriger-balanceakt-fuer-erdogan?nopaging=1
China hat vor einiger Zeit sein Konsulat in Izmir geschlossen; darüber hinaus wurden türkische Geschäftsleute in China verhaftet. Und Erdoğan steckt in der Zwickmühle, weil er milliardenschwere Kredite und Investitionen aus China benötigt. Das ist eigentlich alles. Insofern verhält er sich in meinen Augen nicht so sehr anders als die deutsche und meines Wissens auch jede andere x-beliebige europäische Regierung, die mit Rücksicht auf Pekings enorme Wirtschaftsmacht diplomatische Eiertänze aufführen. Oder habe ich etwas Entscheidendes verpasst? Kann sein, das schließe ich nicht aus.
Özil nun vorzuwerfen, er sei quasi nur Diener seines Herrn, finde ich trotz bekannter Verflechtungen mit seinem Trauzeugen verfehlt. Interessant aber, dass der FC Arsenal, der anderen Kickern politische Äußerungen zumindest laut Spon anstandslos durchgehen lässt, sich bei Özil sofort zu einer Stellungnahme veranlasst sieht. Nur wegen der Verbindungen des Clubs nach China? Really? Kann mir mal jemand erklären, was das soll?