Mendelssohn
Well-Known Member
Es handelt sich im strengen Sinn gar nicht um Wahlkampfauftritte. Denn es soll ja keine Regierungspartei gewählt werden. Es handelt sich um eine Volksabstimmung zu einer grundsätzlichen Verfassungsänderung, die von der Regierung - und nicht vom Volk - initiiert wurde.Ich finde, Deutschland sollte die Wahlkampfauftritte von türkischen Regierungsmitgliedern und AKP-Parlamentarieren an die Bedingung knüpfen, dass pro AKPler einer von der Opposition sprechen kann. Immer schön gerecht verteilt nach Rang. Und das hieße, abgesehen von Kılıçdaroğlu, auch: ohne Demirtaş und Yüksekdağ kein Erdoğan und kein Yıldırım. Und selbstverständlich keine verbotenen Symbole. Kein Apo-Gesicht und kein Wolfsgruß.
Was Erdogan geschafft hat: er hat sich in die türkischen headlines gebracht als arme, von europäischen Faschisten mißbrauchte Geisel. Nun steht wieder alles hinter dem Führer, was überhaupt nur einen Tropfen türkischen Bluts durch seine Adern rinnen hat. - Das muß man erst mal schaffen: den Atatürk-Staat abschaffen und sich dabei zugleich als Neo-Atatürk inszenieren.
Vielleicht liegt der ganze Mist am Mangel einer demokratischen Traditionslinie. Demokratie fand in der Türkei ja immer nur sporadisch statt. Damit sich was setzt, also ein demokratisches Bewußtsein entsteht, braucht es mindestens zwei bis drei Generationen (siehe Bundesrepublik, die dreimal starten mußte, 1919, 1949, 1989 und immer noch nicht ganz sattelfest ist).