Anonyme Bewerbung

solresol

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AW: Anonyme Bewerbung

Das war auch eher ein Scherz.

Ich habe bei allen Bewerbungen die ich in meinem Leben geschrieben habe, sicher eine Absage-Quote von 98 Prozent - vorm Vorstellungsgespräch. Und ja sicher wird es stimmen, dass man bei vielen UNternehmen von vornherein wegen bestimmter Kriterien diskriminiert wird. Dennoch habe ich persönlich es nie versucht damit zu begründen, dass die mich jetzt bestimmt wegen meiner Hautfarbe oder wegen meines GEschlechts und/oder Alter nicht haben wollen. Das wäre mir zu einfach und zeugt in meinen Augen von einem beneidenswert hohem Selbstbewusstsein :-?

Du hast eine tolle und die richtige Lebenseinstellung, und strahlst gesunden Menschenverstand und Zuversicht in Deinen Wortmeldungen aus. Also macht Dir aus Deinen 98 % nichts aus! In Deinem Alter sind sie nicht aussagekräftig.

Sich zu bewerben ist gar nicht so einfach... Man muss entweder Glück haben, oder etwas besonderes für den Arbeitgeber bedeuten, meistens eher das Erste.

Tochter hat wie alle Gymnasiasten ein Praktikum gemacht. Das Erste, was sie dort zu erledigen hatte, war aus einem Stapel von mehreren Hundert von Bewerbungen in einer schwierigen, enorm umkämpften Branche (Musik, Musiker aller Bildungsgrade gibt es wie Sand am mehr und die meisten nagen am Hungertuch!), diejenigen (ungelesen!) zurückzuschicken, die den Bewerbungsbedingungen nach nicht entsprachen, weil der Chef ja seine Zeit nicht damit aufopfern kann, Leute zu lesen, die gar nicht zur Stellenausschreibung passend sind, gleich wie begabt oder wie anhand von Erfolgsmeldung wie erfolgreich sie sich bislang selber sehen, und darauf aufbauend, berechtigt fühlen sich trotzdem zu bewerben. Dann gab es zuerst nur noch etwas über Hundert davon!

Was der Chef da gemacht hat, war völlig illegal, die Personaldaten von Hunderten von Leuten von einer Gymnasiastin durchlesen zu lassen. Aber welcher Weg hat denn sonst so ein Mann, der zum Einstellen kein Personal hat (hat er, nur die Personalabt. der übergeordneten Behörde taugt gar nichts in Sachen Einstellung von künstlerischem Personal, und wenn er ihr den geringsten Mitspracherecht gibt, dann hat er sie für immer am Bein :wink: , wird abhängig davon!)... Für die Praktikantin war es ein Prachtbeispiel, was man selbst in der Zukunft unbedingt vermeiden soll, wenn man es kann, dass heisst, wenn man eine klassische Qualifikation anbieten kann!

Andererseits habe ich persönlich einen völlig unkonventionellen Lebenslauf, und ich habe mich immer nur so bis zur Rente Arbeit gesucht und war praktisch nie arbeitslos ausser an einem Jahr, wo ich unbedingt an einem Standort Arbeit finden wollte, weil da meine Frau die Landwirtschaft der Familie fortführen wollte... Den Hof kann man ja nicht bei einem Umzug mitnehmen. Am Schluss sind wir doch umgezogen, und sie ist schon dreissig Jahre nicht mehr Bäuerin, ein wirklich grosser, nein, endgültiger und maximaler Verzicht also (deshalb meine ich auch, dass einer im Stadtkern von Berlin zum Standrand ziehen muss, wenn er in der Stadtmitte eine zu teure Wohnung hat, wie in der Paralleldiskussion, bitte hier nicht nicht weiterbesprechen, wenn jemand noch dazu was sagen will, bitte in der richtigen Diskussion, nicht hier!).

Beide Wege gehen also gleichwertig, je nachdem aus welchem Standpunkt man das sieht...

Das hängt von Deinem Beruf, von Deinen Diplomen und Berufserfahrung, sowie von etwaigen markanten Spezifika einer besonderen Situation, von der Arbeitsmarktsituation und von einer gehörigen Portion Glück ab!
 

TheCore

Moderator
AW: Anonyme Bewerbung

Diese Betrachtungsweise genießt in Kommentaren zu Artikeln zum Thema (fälschlicherweise) große Popularität.

Vor einer Verpflichtung eines anonymisierten Bewerbungsprozeßes hätte es sich die Personalleiterin leisten können, nach den eigenen Präferenzen abzulehnen => Arbeitgebermarkt => sehr viele qualifizierte/geeignete Bewerber auf die Stelle.

Nach Verpflichtung eines anonymisierten Bewerbungsprozeßes gäbe es eine sehr hohe Anzahl von geeigneten Bewerbern im Vorstellungsgespräch, denen man/frau am liebsten vorher abgesagt hätte, aber auf Grund einer gesetzlichen Regelung "mitschleppen" musste, um diese dann nach persönlichen Präferenzen erst später absagen zu können.


Die Art des Bewerbungsverfahrens kann nicht beeinflussen, ob in der konkreten Situation ein Arbeitgeber- oder ein Arbeitnehmermarkt vorliegt. Ich würde Überlegungen dazu auch nicht in den Vordergrund rücken, da meiner Erfahrung nach ein vielleicht demografisch oder qualifikationsbedingter Arbeitnehmermarkt den Arbeitgebermarkt nicht ohne weitere Veränderungen verdrängt. Vielmehr werden die Stellen, die überhaupt durch ein gesetzlich erfassbares angeschlossenes Bewerbungsverfahren besetzt werden, tendenziell immer auf Abeitgebermärkten ausgeschrieben. Wenn es politisch opportun ist, Arbeit durch staatliche Regulierung zu verteilen, wären Publizitäts- und Ausschreibungspflichten erforderlich.

Mir ist klar, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren höhere Verfahrenskosten verursacht. Deshalb findet es bei den Unternehmen ja auch wenig Anklang und es ist mit ein Grund, warum ich nichts davon halte. Bei Bewerbungen auf eine Anzahl von Stellen, mit mehr als einem Bewerber pro Stelle, sind die Kosten im Durchschnitt unabhängig davon erhöht, aus welchen Gründen alle Bewerber bis auf einen pro Stelle abgelehnt werden.
Angenommen, ein Personaler möchte generell keine Frau einstellen und erhält für eine Stelle zehn anonymisierte Bewerbungen, unter denen die Hälfte (gleichverteilt) geeignet ist und vier Frauen sind. Dann lädt er drei Männer und zwei Frauen zum Gespräch, erkennt die Frauen und besetzt die Stelle mit einem der Männer. Dass er dabei das Geschlecht über die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens stellt, ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Frauen in diesem Fall überhaupt von Diskriminierung bedroht sind. Nachdem aber alle fünf Bewerber gehört wurden, ist in Bezug auf die Verfahrenskosten kein wirtschaftlicher Vorteil mehr zu erzielen, egal welcher davon für die Stelle ausgewählt wird. Hingegen den wirtschaftlichen Nachteil, sich ggf. für einen weniger qualifizierten Mann zu entscheiden, hätte der Personaler ebenso in Kauf genommen, hätte er diese Entscheidung schon von Beginn an unter drei bekannten Männern treffen können. Er stellt keinen verfahrensabhängigen Nachteil dar.

Der Aufwand des Verfahrens ist generell und drängt in keine bestimmte Richtung. Auch aus der Perspektive der Bewerber ist offensichtlich, dass sie solange keinen schlussendlichen Vorteil aus einer bestimmten Entscheidung des Personalers ziehen können, solange er mangels Abgrenzungskriterien gezwungen ist, diese Entscheidung für eine Gruppe zu treffen, die größer ist als die Zahl zu besetzender Stellen. Da ich persönlich den Bewerbungsaufwand nicht geltend mache, habe ich als Bewerber kein Interesse daran, dass ein zur Ablehnung führender Eindruck erst im Gespräch zum Tragen kommt, der ansonsten schon aus der Gestaltung einer personalisierten Bewerbung hätte gewonnen werden können.
 
M

Mein_Ingomann

Guest
AW: Anonyme Bewerbung

Wir haben ja gerade ein aktuelles, tagespolitisches Beispiel:

Macht es z.Z. Sinn, sich als Deutscher in der Schweiz zu bewerben, wenn es dort keine anonymisierten Bewerbungs - Verfahren gibt?
 

Grk..

Active Member
AW: Anonyme Bewerbung

Die Art des Bewerbungsverfahrens kann nicht beeinflussen, ob in der konkreten Situation ein Arbeitgeber- oder ein Arbeitnehmermarkt vorliegt.

Das beschriebene Bewerbungsverfahren soll die erwähnte Benachteiligung von BewerberInnen schwieriger/kostenintensiver für die Unternehmen gestalten. Nicht mehr und nicht weniger. Bei einem Arbeitnehmermarkt wäre dieser Grundgedanke ohnehin obsolet, da die Bewerber nach einem Modell unter mehreren potenziellen Unternehmen aussuchen könnten bzw. andersherum die Unternehmen sich genötigt sehen dürften, jeden geeigneten Bewerber nach seinen Unterlagen wirklich zu berücksichtigen und persönliche Präferenzen mangels geeignetem Bewerberpool zu unterlassen.

Ich würde Überlegungen dazu auch nicht in den Vordergrund rücken, da meiner Erfahrung nach ein vielleicht demografisch oder qualifikationsbedingter Arbeitnehmermarkt den Arbeitgebermarkt nicht ohne weitere Veränderungen verdrängt.

Da vernimmt man das geistige Echo einer "FDP" und einem gebetsmühlenartigem Wehklagen der ebenso nahen Fachkräftemangelfraktion. Dies gleicht einer Beschwichtigung, wie mit dem Gaul, dem man die Möhre vor die Nase hält. Während in Deutschland Ingenieure 50+ versauern, ruft man nach "Fachkräften", die vom internationalen "Transfermarkt" gelockt werden sollen. Häufig auftauchende Begrifflichkeiten rund um den Begriff "Demografie" werden gerne aus der PR-Politik benutzt, und sind in den Berufssparten der Medien wie SPIEGEL oder ZEIT als superduper auffordernde Notwendigkeit schick in Szene gesetzt.

Vielmehr werden die Stellen, die überhaupt durch ein gesetzlich erfassbares angeschlossenes Bewerbungsverfahren besetzt werden, tendenziell

Hier kürze ich den Satz ab: Alles, ALLES was nicht gesetzeskonform ist (oder z.B. durch ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren in Zukunft sein könnte), ob nun ausschreibungspflichtig oder nicht, würde bei einer Reklamierung ein öffentlicher, gerichtlicher Bestandteil werden. Kein Grund, die Einschaltung der Gerichtsbarkeit durch eine Gesetzgebung mit dem Begriff einer Regulierung in Richtung "Planwirtschaftsecke" anzudeuten.



Mir ist klar, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren höhere Verfahrenskosten verursacht. Deshalb findet es bei den Unternehmen ja auch wenig Anklang und es ist mit ein Grund, warum ich nichts davon halte. Bei Bewerbungen auf eine Anzahl von Stellen, mit mehr als einem Bewerber pro Stelle, sind die Kosten im Durchschnitt unabhängig davon erhöht, aus welchen Gründen alle Bewerber bis auf einen pro Stelle abgelehnt werden.

Nein, das ist nicht der Punkt. Ein Unternehmen mit "Präferenzen", welches z.B. nach einem anonymisierten Bewerbungsverfahren nicht mehr nach Gutdünken aussortieren dürfte, würde von nun an plötzlich "unerwünschte" Bewerber in den Vorstellungsgesprächen sitzen haben. Vorher durften sie ja aussortiert werden.

Bisher hätte bspw. ein Unternehmen nach Frauen etc. aussortiert und würde in Vorstellungsgesprächen zehn "Favoriten" interviewen. Wenn das Unternehmen ohnehin z.B. Frauen aussortieren wollte, müsste es nun viel mehr Vorstellungsgespräche führen, um ÜBERHAUPT erst einmal quantitativ an diese zehn alten "Favoriten" zu kommen.

Angenommen, ein Personaler möchte generell keine Frau einstellen und erhält für eine Stelle zehn anonymisierte Bewerbungen, unter denen die Hälfte (gleichverteilt) geeignet ist und vier Frauen sind. Dann lädt er drei Männer und zwei Frauen zum Gespräch, erkennt die Frauen und besetzt die Stelle mit einem der Männer. Dass er dabei das Geschlecht über die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens stellt, ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Frauen in diesem Fall überhaupt von Diskriminierung bedroht sind. Nachdem aber alle fünf Bewerber gehört wurden, ist in Bezug auf die Verfahrenskosten kein wirtschaftlicher Vorteil mehr zu erzielen, egal welcher davon für die Stelle ausgewählt wird. Hingegen den wirtschaftlichen Nachteil, sich ggf. für einen weniger qualifizierten Mann zu entscheiden, hätte der Personaler ebenso in Kauf genommen, hätte er diese Entscheidung schon von Beginn an unter drei bekannten Männern treffen können. Er stellt keinen verfahrensabhängigen Nachteil dar.

Bei Deinem Zahlenbeispiel und den Verfahrenskosten mißachtest Du einen wichtigen Bestandteil in der Personalauswahl:

Vorher hätte er die Frauen von Beginn an aussortiert und eine bestimmte Anzahl an Vorstellungsgesprächen mit den männlichen Kandidaten führen müssen, um die richtige Person fürs Unternehmen zu finden. =>

Vorher: Zehn Bewerbungen => 50% geeignet => 5 männliche Kandidaten
Nachher: Zehn Bewerbungen => 50% geeignet => 3 männliche Kandidaten

Das Unternehmen muss im Beispiel weitere Bewerbungsgespräche führen, weil im Modellbeispiel 2 männliche Kandidaten bzw. 40%-Punkte fehlen.

Du glaubst doch nicht, dass Unternehmen, die ihre Wunschkandidaten unter die Lupe nehmen, nach einer neuen Regelung nun wegen den aus Sicht des Unternehmens "lästigen weiblichen Bewerberinnen" im Beispiel sich bei der Auswahl nach der richtigen Person nun mit 3/5 bzw. 60% der Kandidaten zufrieden geben?!

Ergo: Die "Verfahrenskosten" erhöhen sich gerade deshalb, weil auf Grund des Wegfalls einer diskriminierenden Vorauswahl weniger "gewünschte" Kandidaten als sonst übrigbleiben.

Der Aufwand des Verfahrens ist generell und drängt in keine bestimmte Richtung. Auch aus der Perspektive der Bewerber ist offensichtlich, dass sie solange keinen schlussendlichen Vorteil aus einer bestimmten Entscheidung des Personalers ziehen können

In welche Richtung sich der Aufwand des Verfahrens ausschlagen kann, gesetzt den Fall das Unternehmen bestünde auf seine bisherigen "Präferenzen", habe ich oben dargelegt.

Aus der Perspektive des Bewerbers geht es um den Ausschluß der Nachteile nur aus seiner bloßen Existenz heraus. Da muss man sich dann später nicht wundern, wenn sich entsprechend, tendenziell Studienfächer kultivieren. Gesellschaftlich ist dies nicht nur eine Verschwendung von menschlichem Potenzial und Intelligenz, sondern trägt auch nicht zum Frieden bei.
 
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