AW: Türkischen Völkermord an Armenien?
Da es den Thread erstaunlicherweise immer noch gibt, möchte ich nun ein paar historische Fakten beisteuern, die die dramatischen Ereignisse zu erklären versuchen. Die Armenier wanderten vor rund 2500 Jahren in die Region der heutigen Osttürkei ein. Sie waren das erste Volk, welches geschlossen zum Christentum wechselte. Aufgrund der geografischen Lage war Armenien immer wieder Opfer von durchziehenden Kampftruppen unterschiedlichster Herkunft. Am schlimmsten wütete der mongolische Machthaber Timur Lenk, auch Tamerlan genannt. Im Jahr 1387 hinterließ Tamerlan eine gewaltige Blutspur. Im Iran ließen 70000 Menschen ihr Leben. Dann zog Tamerlan nach Sivas, einer Stadt die damals von Armeniern bewohnt wurde. Tamerlan versprach den Bewohnern, dass er kein Tropfen Blut vergiessen würde, sollten sich die Bewohner kampflos ergeben. Angesichts der bedrohlichen Lage entschlossen sich die Armenier darauf einzugehen. Tamerlan hielt tatsächlich Wort. Die 4000 armenischen Soldaten wurden lebendig begraben, die Bevölkerung ertränkt oder erdrosselt und die Kinder zusammengetrieben um von den tamerlanschen Reitern zu Tode getrampelt zu werden. Dieses Ereignis grub sich tief in die armenische Volksseele. Die Armenier schafften es nie eine schlagkräftige Armee auf die Beine zu stellen. So mussten sie völlig hilflos mit ansehen, als 1620 ihr Land zwischen den Osmanen und Persien geteilt wurde. 1828 fiel dann Ostarmenien an die Russen. Als Bestandteil des Osmanischen Reichs genossen die Armenier den Schutz durch die Türken. Niemand wagte es Armenien anzugreifen und so blühte die Region auf. Unter den Osmanen war Religionsfreiheit garantiert und da die Steuerlasten nicht so groß waren wurde das als Preis für den Frieden akzeptiert. Solange das Osmanische Reich stark und mächtig war, lebten die Minderheiten im Reich sehr gut. Dann begann aber der Zerfall. Mit der fehlgeschlagenen Belagerung Wiens im Jahr 1683 verlor das Reich Ungarn und Stück für Stück weitere Gebiete. Die Expansion der Osmanen war zu Ende, nun musste das Kernreich erhalten werden. Durch die Gebietsverluste verlor das Reich aber auch Einkünfte. Mussten die Menschen aus den eroberten Gebieten doch Tribut zahlen. Diese Zahlungen blieben nun aus. In die Bresche mussten dann die Völker springen, die nichttürkischer Herkunft waren. Für die Armenier hieß das, ein deutliches Anziehen der Steuerschraube. Die Armenier waren die wirtschaftlich erfolgreichste Bevölkerungsgruppe im Osmanischen Reich. Sie hatten sich überall als Händler und Geschäftsleute etabliert und waren dadurch eine sehr einflussreiche, Gruppe im Land geworden, die aber auch den Neid der Nachbarn zu spüren bekam. 1855 versprach der Sultan den Armeniern eine eigene Verfassung und Autonomie um den aufkommenden Unmut zu besänftigen. Es blieb aber nur bei der Zusage, umgesetzt wurde sie nie. Die Stimmung im Osmanischen Reich schlug um, der anhaltende Niedergang wurde den Minderheiten und hier vor allem den Armeniern angelastet. Immer wieder kam es zu Übergriffen. Dadurch radikalisierte sich ein Teil der Armenier und um die Weltöffentlichkeit aufmerksam zu machen, besetzte die "Revolutionäre Armenische Föderation" im August 1896 die Osmanische Bank in Istanbul. Die Türken versuchten vergeblich die Bank zu stürmen und die Armenier konnten sich auf ein europäisches Schiff retten und kamen so ausser Landes. Dieses Ereignis war ein Fanal. Die Armenier erlebten den ersten Pogrom. Landesweit wurden Armenier ermordet, Geschäfte und Häuser geplündert und Frauen geschändet. Am Ende waren ca. 10000 tote Armenier zu beklagen. 1909 kam es zu weiteren Ausschreitungen und im ersten Weltkrieg, in der Zeit zwischen 1915 bis 1918 kam es dann zu Massendeportationen in den Tod. Die Armenier sollten in die syrische Wüste "umgesiedelt" werden. Ein Gewaltmarsch dem Hunderttausende zum Opfer fielen. Die Armenier waren Freiwild und wurden, wo man ihrer habhaft werden konnte, ermordet. Am Ende waren es gut 1,5 Millionen Todesopfer. Der Grund für dieses aktive Ausmerzen eines ganzen Volkes lag in den Geschehnissen des ersten Weltkrieges. Der damalige türkische Machthaber Enver Bey, steuerte die Türkei in diesen. Enver war sehr Deutschfreundlich eingestellt. Er hatte aber sehr ergeizige Ziele, die er durch den Krieg umzusetzen versuchte. Sein Traum war Turan, ein Zusammenschluss aller Turkvölker unter der Herrschaft der Türkei-Türken. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Armenien wie ein Riegel zwischen der Türkei und den andern Turkvölkern liegt. Die Armenier hingegen hatten auf die Russen gesetzt und glaubten in ihrem siegreichen Windschatten die Freiheit erlangen zu können. Das war für die Türken nicht hinnehmbar. Und so kam es zu der Umsetzung des Deportationsplanes. Enver starb auf Seiten der Turkmenen im Kampf gegen die Russen. Nachdem Atatürk die Macht im Lande übernahm, wurden die Vorgänger vor Gericht gestellt. Innenminister Talaat hatte sich nach Deutschland gerettet und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt und zwar eindeutig wegen seiner Schuld an den Massenmorden an den Armeniern. Atatürk fand klare und unmissverständliche Worte. Nach seinem Tod wurden diese von seinen Nachfolgern revidiert und umgedeutet. Talaat wurde von Armeniern in Berlin aufgespürt und erschossen. Den letzten Pogrom erlebten die Armenier in den 50ger Jahren des 20ten Jahrhunderts. Ein von türkischen Nationalisten geschürtes Gerücht machte die Runde, dass das Geburtshaus Atatürks in Saloniki zerstört worden sei. Daraufhin zerstörten aufgebrachte Bürger in Istanbul armenische und griechische Geschäfte und Häuser. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten zu beklagen. Heute leben ca. 80000 Armenier in der Türkei, vor allem in Istanbul. Obwohl sie türkische Staatsbürger sind, haben sie einen Vermerk im Pass, der sie als Armenier kenntlich macht