§ 103 StGB

Almancali

Well-Known Member
Ein bewusst simpel gewählter Name für einen Titel.

Ich lese gerade einen Artikel auf der Zeit.de¹, wonach Hamburg die vorzeitige Abschaffung des hier benannten Paragraphen beantragt. Die "Abschaffung" wurde gestern Abend auch in der Maischberger Talk-Show thematisiert. Nun ist es jedem selbst überlassen darüber zu Urteilen, ob die Abschaffung des Paragraphen sinnvoll ist oder nicht.

Was mich an der ganzen Sache stört ist der Umstand: mit welchem Aktionismus die Regierung (und regierungsnahe Kreise) damit umgeht. Man möchte diesen Paragraphen unbedingt so schnell als möglich beerdigen, um den unliebsamen Türken (ich schreibe bewusst nicht Erdogan) eins auszuwischen und um Böhmermann vor einer möglichen Verurteilung zu schützen. Als damals der Schah, der Papst und auch die Schweizer Politikerin klagte, wurde kaum solch ein Fass aufgemacht.

Ich finde es zutiefst ärgerlich, wie der deutsche Rechtsstaat hier Rechtsbeugung betreibt. Einer der Kommentatoren auf der Zeit.de schrieb hierzu folgendes²:

[...] Das Ansinnen des BL Hamburg zielt eindeutig darauf ab, ein anhängiges Strafverfahren zu beeinflussen und dafür die Möglichkeit der Gesetzesinitiative des Bundesrates auszunutzen. Das Ziel ist, zu einem Straftatszeitpunkt geltendes Strafrecht so zu verändern, dass dem Antragsteller einen Nachteil und dem Beklagten einen Vorteil zu verschaffen, indem bestehendes Recht [...] geändert wird. Das darf es im einem Rechtsstaat nicht geben, sondern muss als Rechtsbegung angesehen werden [...]


Es ist unglaublich, wie die Regierung und regierungsnahe Kreise bei einem geschmacklosen Ausfall eines deutschen Satirikers so zu kuschen beginnt und am liebsten sofort einen Paragraphen abschaffen möchte, während bei realexistierenden Problemen mit größerer Tragweite und Bedeutung, bewusst gegenseitig die Umsetzung notwendiger Gesetze behindert gar Konterkariert.

Mich würde hierzu (und nur auf den hier unter Aktionismus bezeichnete Handlung) die Meinungen der Forenten interessieren.

[1] Zeit.de - Präsidentenbeleidigung
[2] Zeit.de - Kommentar 1
 

alteglucke

Moderator
Ich hab leider keine Zeit, mir noch andere Links zu suchen, aber in dem Zeit-Kommentar kann ich nichts erkennen, was über eine Spekulation des Autors hinaus geht. Es ist in diesem Rechts-Staat nicht möglich, Gesetze nachträglich so zu ändern, dass sie sich auf bereits begangene Verstöße auswirken. Böhmermann wird ein Verfahren wegen Majestätsbeleidigung bekommen. An plötzlich eintretenden Fällen zeigt sich aber oft der Reformbedarf - wie in diesem Fall auch.
Meiner Ansicht nach ist auch Eile geboten, wenn ich mir anschaue, das RTE auf der ganzen Welt gegen irgendwen abstruse Anzeigen erstattet.
 

Almancali

Well-Known Member
Es soll laut einiger Kommentatoren so sein, dass, sollte der § 103 fallen, automatisch auch das Verfahren gegen "Majestätsbeleidung" fällt. Mit anderen Worten: Fällt § 103, gibts auch kein Verfahren, da keine Verhandlungsgrundlage mehr.

Der Reformbedarf als auch die Anzeigewut des RTE sind aus dieser Betrachtung vollkommen losgelöst.

Die hier gebotene Eile sehe ich nicht. Die BRD macht sich unglaubwürdig, indem sie das Recht in diesem konkreten Fall so aulegt, wie es gerade ins Rahmen passt. Sie liefert mit dieser kopflosen Aktion nur neuen Zündstoff für RTE und dessen Regime.

Meine persönliche Bewertung zur Sache Böhmermann:

Mit seiner Aktion nehme ich u.A. auch eine starke Zunahme von Vorurteilen und Pauschalisierungen wahr, die ich in zahlreichen Kommentaren diverser Foren und Newsseiten lesen kann. Was der Böhmermann (und er ist nunmal der Auslöser dieser Situation und nicht RTE) losgetreten hat, betrifft unweigerlich alle türkischen Mitbürger dieses Landes. Sie werden pauschal mit den Handlungsweisen der türkischen Regierung in eine verbale Schublade gesteckt.

Was ich so alles lesen durfte: Wir (also explizit die "Türken") wären: "Mörder", "Kinderschänder", "verbrennen Frauen", "hielten uns nicht an geltendes Recht", "hielten uns nicht an Grundgesetze" usw.. Einige dieser Threads wurden kurzerhand vollkommen gelöscht. Allerdings zeigt es doch, welches Gedankengut die Menschen tragen.

Diese Sache bewegt sich auf einer Ebene, die ich persönlich nicht mehr sehr nett und förderlich finde. Selbst ich würde mich über eine rechtskräftige Verurteilung Böhmermanns freuen - und zwar unter Anwendung beider Paragraphen.
 

Skeptiker

Well-Known Member
Wie @alteglucke schon schrieb, für den Fall Böhmermann zu spät. Es geht darum, deutsche Journalisten/Satiriker etc pp vor der Willkür eines Erdowahns zu schützen.
 

Msane

Well-Known Member
Mit seiner Aktion nehme ich u.A. auch eine starke Zunahme von Vorurteilen und Pauschalisierungen wahr, die ich in zahlreichen Kommentaren diverser Foren und Newsseiten lesen kann. Was der Böhmermann (und er ist nunmal der Auslöser dieser Situation und nicht RTE) losgetreten hat, betrifft unweigerlich alle türkischen Mitbürger dieses Landes. Sie werden pauschal mit den Handlungsweisen der türkischen Regierung in eine verbale Schublade gesteckt.

Deutsche sind umgekehrt mit dem Vorurteil konfrontiert das Böhmermann ja nur das ausspricht was die Deutschen ohnehin über Türken denken.
So stand es heute in einem Artikel der FAZ den ich aber gerade nicht finde.
Fand das aber sehr passend beschrieben weil es auch sehr unangenehm für Deutsche ist.


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Almancali

Well-Known Member
Es geht darum, deutsche Journalisten/Satiriker etc pp vor der Willkür eines Erdowahns zu schützen.
Ist das wirklich so ? Darf danach dann jeder deutsche Satiriker anfangen, jedes Staatsoberhaupt eines fremden Landes persönlich zu beleidigen ? Was meinst du, welchen Rattenschwanz an Problemen sich die deutsche Regierung gegenübersehen wird.

Lies mal den § 2 Abs. 3 StGB. Also das, was du von mir zitiert hast. Wird das Gesetz geändert (oder fällt es weg), dann kann Böhmermann nicht mehr danach verurteilt werden.
 

alteglucke

Moderator
Lies mal den § 2 Abs. 3 StGB. Also das, was du von mir zitiert hast. Wird das Gesetz geändert (oder fällt es weg), dann kann Böhmermann nicht mehr danach verurteilt werden.

Nein, da steht genau das Gegenteil: "Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt."

Im Übrigen trifft ja nicht mal das zu: Die Tat ist schon begangen und das Gesetz ist noch nicht geändert.
 
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