#Aufstehen: Aufbruch oder Abgesang?

Alubehütet

Well-Known Member
@Msane Mein Schlüsselerlebnis mit der Sozialdemokratie ist und bleibt für mich der Sommer 2015. Komme ich immer wieder darauf zurück.

Sommer 2015.

Unser Innenminister hat uns noch nicht verraten, was die Botschafter schon gemeldet haben: Daß viele, viele, viele Menschen unterwegs sind in Richtung Bundesrepublik Deutschland.

Deutschland erregt sich über zwei große Streiks:



Der erste große Streik war der Streik der Eisenbahner. Die BILD veröffentlicht die private Telefonnummer des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL), falls die Leser das Bedürfnis verspüren sollten, dem mal die Meinung zu geigen. Worum geht es? Es geht um die Deutsche Eisenbahnergewerkschaft (DEG), die völlig korrupt ist und von der Bahn gekauft. Da wechselt der Betriebsratsvorsitzende schon mal unmittelbar in den Personalvorstand, ohne daß das jemand komisch findet. Die Lokomotivfahrer finden das allerdings schon länger nicht mehr witzig und gründen eine eigene Gewerkschaft, die bis dahin mehrere Tarifauseinandersetzungen geführt hat mit großem Erfolg. Das Zugbegleitpersonal, die Weichensteller usw. sind neidisch. Oooooch, so eine Gewerkschaft, die sich für die Interessen der Arbeiter einsetzt, und nicht der Arbeitgeber, das ist ja toll, das haben die ja noch nie gesehen, sowas hätten sie auch gerne. Kein Problem, sagen die GdLer, dann tretet uns doch einfach bei. :)

Und zum ersten Mal streiken die Lokomotivfahrer nicht nur für ihre eigenen Interessen.

Was ich höchst bemerkenswert finde.

Der Marburger Bund vertritt nur die Interessen der Ärzteschaft. Die Krankenpfleger sind ihnen herzlichst egal.

Die Piloten kämpfen nur für ihr eigenes Portemonaie. Die Stewardessen und Fluglotsen gehen ihnen sonstwo vorbei.

Die Zugfahrer wissen, was für ein harter Job z.B. Schaffner ist, die den ganzen Unmut der malträtierten Bahnkunden tagtäglich zu spüren bekommen, und zeigen sich mit ihnen solidarisch.

Halt! ruft Andrea Nahles, das geht ja gar nicht! Das kann doch nicht angehen: Dann sind da demnächst zwei Schaffner, angestellt bei der selben Firma, machen in der selben Uniform die selbe Arbeit, und der eine verdient viel mehr als der andere, nur weil er in einer anderen Gewerkschaft organisiert ist!

Und so läßt Nahles ein Tarifeinheitsgesetz beschließen. Nicht nur die Menschenrechte, sogar die Katholische Soziallehre verteidigen das Grundrecht der Arbeiter auf gewerkschaftliche Vereinigung, aber was schert das die SPD. Und wird auf Jahre hinaus die ohnehin schon überlasteten deutschen Arbeitsgerichte auch noch damit befrachten, in mühseligen Verfahren herauszufinden, wer alles eigentlich zu einem Betrieb gehört bei all den Tochterfirmen und Subunternehmen und Sub-Subunternehmensverschachtelungen, um festzustellen, welche Arbeiter aus welcher Gewerkschaft mitgezählt werden dürfen.



Anschließend kommt der Poststreik. Worum geht es? DHL gründet eine hundertprozentige Tochterfirma. Was macht sie? Sie stellt Paketfahrer ein und DHL zur Verfügung. Was soll das? Ein DHL-Paketfahrer verdient 18 € in der Stunde, was nicht schlecht ist für einen Job, für den man als einzige Qualifikation einen KFZ-Führerschein vorweisen muß. Sein neu eingestellter Kollege von der Tochterfirma verdient nur noch 12€/Std. Da machen zwei Menschen in derselben Postuniform den selben harten Job der Paketzustellung, und der eine verdient ein Drittel weniger.

Nicht, daß ich die Postgewerkschaft verteidigen will. Sie kommuniziert vor allem ihr Anliegen beschissen. Es geht nicht nur um das Geld ihrer Leute. Es geht um eine komplette Neuausrichtung des Konzerns. Das läßt indirekt ein Sprecher der DHL durchblicken, als er dem SPIEGEL mitteilt: Stellen Sie sich vor, unsere Mitbewerber erhalten teilweise sogar nur den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50€/Std.! Worin liegt der Fehler?

DHL hat bislang keine Mitbewerber im Plural. DHL hat nur einen Mitbewerber, und das ist UPS. Und die zahlen grundsätzlich mindestens einen Euro mehr als DHL. German Parcel, DPD, Hermes als Mitbewerber zu bezeichnen ist ungefähr so seriös, als würde SATURN den Ein-Euro-Elektronik-Artikel-Laden um die Ecke mit viel Blink-Blink im Schaufenster als Konkurrenten ansehen. GP, DPD, Herpes spielen in einer völlig anderen Liga. Offensichtlich will DHL raus aus dem Premium-Geschäft und zu dieser Liga downgraden.

Wer verantwortet das? Na, der Eigentümer. Wer ist das? Mehrheitseigentümer sowohl der Deutschen Bahn wie der Post ist immer noch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.


Diese ganze Arbeiterverrätergeneration um Gerhard Schröder muß weg. Das muß sich biologisch lösen. Erst wenn diese Leute in Rente sind, wird die SPD wieder wählbar sein – Vielleicht.

Zu ergänzen: Inzwischen hat DHL ihre Schrottochterfirma wieder liquidiert. Weil deren Mitarbeiter nur noch Mist abgeliefert haben. Klar. Für die paar Kröten.

Die zitieren immer wieder die schwäbische Hausfrau, die wisse, daß man nur ausgeben könne, was man vorher verdient habe. Was sie aber nicht zitieren, das ist ihre Einsicht, daß, was nichts kostet, auch nichts wert ist, und man sich Armut daher nicht leisten könne. Darum werden sie auch nicht mehr lernen, daß das ebenso gilt für die menschliche Arbeit.
 

Msane

Well-Known Member
Gutes Argument, aber du musst wissen es gibt auch Konkurrenzdenken innerhalb der Arbeiterschaft.

Festangestellte Arbeiter bei Großunternehmen haben nur wenig Interesse daran, dass die Arbeiter von der Leihfirma
genauso viel verdienen wie sie, weil dann ja weniger vom Kuchen für sie selbst übrig bleibt.

Mach dir da nichts vor, da ist sich jeder selbst der Nächste und die SPD wird sich immer an
denen orientieren, welche sie wählen.


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Alubehütet

Well-Known Member
Die Rivalitäten sind uralt, ja. Vor allem die Ängste, verdrängt zu werden von den Leiharbeitern, die denselben Job machen für weniger Geld, bzw. vor allem zu günstigeren Konditionen. Können noch nach Jahren unkompliziert vor die Türe gesetzt werden, den Arbeitsvertrag haben sie ja mit ihrem Leiharbeitsgeber.

Nur allzuoft mitgekriegt, daß sich etwa Betriebsräte für die Belange der Leiharbeiter nicht zuständig fühlen. Was sie rechtlich auch nicht verbindlich sind, aber sein dürfen. Sie müssen deren Belange nicht vertreten, dürfen aber. Aber das sind eben auch für sie Arbeiter zweiter Klasse, die „ihrem“ Klientel die Pfründe wegzunehmen / zu unterbieten drohen.
 

Bintje

Well-Known Member
Sahra W. hat heute zusammen mit neun Fans aus der bisherigen Linksfraktion verkündet, dass es ein Bündnis gibt, das im Januar eine Partei gründen und zur Europawahl antreten will? Habe ich das richtig verstanden?
Wer klärt mich mal auf? Ich hab das heute nicht so mitbekommen, weil ich viel unterwegs war.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Genau so. War schon Freitag auf einer Lesung angekündigt. Die Gründung eines e.V. wurde af einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dessen Zweck die Gründung einer Partei – Name noch offen – im Januar ist. Zugleich haben zunächst 10 Linke-Abgeordnete die Fraktion verlassen, womit die Fraktion keine solche mehr ist.
 
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