Deniz Yücel

László

Active Member
Falls die türkische Regierung geglaubt haben sollte, die Personalpolitik ausländischer Medien mitbestimmen zu können, haben sie sich getäuscht.

Hat sie das nicht gerade eben doch getan? Sie hat gerade bestimmt welches Personal der ausländischen Medien nicht aus der Türkei berichten darf und das Land verlassen muss.

Und müssen mit dem Ergebnis leben. Sollen sie sich hinterher nicht über kritische und/oder wenig Berichterstattung beklagen.

Wollen sie das denn nicht? Kritische Berichterstattung ist unerwünscht, was verlautbart werden soll kommt zukünftig nur noch, in der gewünschten Menge, aus den offiziellen Kanälen. Und den strammen Erdoğan-Anhängern im In- und Ausland reicht doch völlig was der Chef ihnen mitteilt.

Ich warte darauf, dass die Nutzung ausländischer Radio- und Fernsehsender als „untürkisches Verhalten“ gebrandmarkt und verboten wird ... und das Internet auf das Niveau Nordkoreas reguliert wird.
 

Bintje

Well-Known Member
Hat sie das nicht gerade eben doch getan? Sie hat gerade bestimmt welches Personal der ausländischen Medien nicht aus der Türkei berichten darf und das Land verlassen muss.(...)

Na, sie werden ja weiterberichten, sind dann aber in erster Linie auf andere Medien- und Agenturberichte sowie Gewährsleute angewiesen. Das dürfte die Qualität der Berichterstattung zwar schmälern und die Quantität einschränken, aber machbar ist das durchaus. Leute wie Michael Thumann ("Die Zeit") oder Boris Kálnoky, ehemaliger TR-Korrespondent der "Welt", haben's ja auch geschafft, nachdem sie Istanbul verließen.
Nur wird der Rauswurf wird sie gewiss nicht handzahmer machen; das hat Erdoğan nicht bedacht.
 

sommersonne

Well-Known Member
Da frage ich mich - was hat Erdogan denn vor? Es muß doch einen Grund geben das er kritische Journalisten ausweist. Er hat wohl Angst die Wahl geht nicht zu AKP und damit zu seinen Gunsten aus und es werden mehr Trafokatzen nötig sein oder er hat etwas in Syrien vor.
 

Berfin1980

Well-Known Member
Na, sie werden ja weiterberichten, sind dann aber in erster Linie auf andere Medien- und Agenturberichte sowie Gewährsleute angewiesen. Das dürfte die Qualität der Berichterstattung zwar schmälern und die Quantität einschränken, aber machbar ist das durchaus. Leute wie Michael Thumann ("Die Zeit") oder Boris Kálnoky, ehemaliger TR-Korrespondent der "Welt", haben's ja auch geschafft, nachdem sie Istanbul verließen.
Nur wird der Rauswurf wird sie gewiss nicht handzahmer machen; das hat Erdoğan nicht bedacht.
Finde ich jetzt ein bisschen schade das du Hasnain Kazim vergessen hast und Silje Rønning Kampesæter war aber schon 2016.

Also nichts neues in Staate Tayips.
 

Bintje

Well-Known Member
Finde ich jetzt ein bisschen schade das du Hasnain Kazim vergessen hast und Silje Rønning Kampesæter war aber schon 2016.

Also nichts neues in Staate Tayips.

Inzwischen sind es ja viele, die es erwischt hat; wir waren gerade bei aktuellen Fällen.
Auch wenn Hasnain Kazim seinerzeit schon bekannter war (oder danach geworden ist), weswegen ich ihn immer automatisch mitdenke - wie auch Meşale Tolu oder Deniz Yücel, denen es bekanntlich übler erging. Aber Frank Nordhausen (u.a. FR) zum Beispiel darf dort auch nicht mehr arbeiten, Raphael Geiger (Stern) auch nicht; im Januar haben sie die Niederländerin Ans Boersma festgesetzt, abgeschoben und mit einem sechsjährigen Einreiseverbot belegt. Und Halil Gülbeyaz vom NDR darf inzwischen auch nicht mehr dort drehen. Das finde ich noch bitterer als bei Thomas Seibert und Jörg Brase. Hier äußert er sich dazu.


Thomas Seibert hatte einen lesenswerten Text zu seinem Rauswurf im "Tagesspiegel". Einen Text, in dem sich nachlesen lässt, wie tief er in der Türkei inzwischen verwurzelt war, wie sehr der erzwungene Abschied ihm nahegeht.
Mein Leben und das meiner Familie ist eng mit der Türkei verwoben. Meine Tochter Julia ist in Istanbul geboren und aufgewachsen. Als begeisterte Musikerin - sie studiert heute klassische Gitarre am Konservatorium - lernte sie unter anderem das Spiel auf der türkischen Laute, der Saz. Meine Frau Susanne Güsten, die ebenfalls für den Tagesspiegel aus Istanbul berichtet, reitet bei internationalen Dressurturnieren für die Türkei. Ich selbst spiele in zwei verschiedenen Rockbands in den Kneipen der Istanbuler Szene. Zu unserem Haushalt gehören die türkischen Straßenkatzen Plisch und Plum, die wir bei uns aufgenommen haben.

Als Journalist habe ich miterlebt, wie sich die Türkei in dieser Zeit verändert hat. Den späteren Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk lernte ich bei einem Empfang in den 1990er Jahren als extrem schüchternen Mann kennen, den das Zusammentreffen mit neuen Menschen so stresste, dass ihm Schweißperlen auf die Stirn traten. Den 2007 von Rechtsextremisten ermordeten türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink erlebte ich als Kämpfer, als er von Nationalisten auf einem Gerichtsflur tätlich angegriffen wurde und seinen Gegnern furchtlos und mit erhobenen Fäusten entgegentrat.

Der Umgang des Staates mit Andersdenkenden war die ganzen Jahre über ein Dauerthema. In den ersten Jahren am Bosporus berichtete ich darüber, wie die Polizei mit Wasserwerfern junge Studentinnen vom Platz fegte, weil sie im islamischen Kopftuch in die Universität wollten. Fünfzehn Jahre später trafen die Wasserkanonen die Demonstranten vom Gezi-Park. (....)

https://www.tagesspiegel.de/politik...ei-mein-rauswurf-nach-22-jahren/24085062.html

Und so einen setzen sie an die Luft. Das heißt für mich, dass ihre nationalistische Schwarzweiß-Malerei, ihre Meinungs-, Medien- und Pressefeindlichkeit nur von Abwehr beherrscht ist und keinerlei von zugewandter Neugier und Integrationsbereitschaft getragenen Grautöne mehr zulassen will.
 

Bintje

Well-Known Member
Frank Nordhausen ist noch aus Istanbul tätig, fragt sich nur wie lange noch.

Nein, er ist längst raus. Wenn seine Texte möglicherweise mit der Spitzmarke (=Ortsangabe am Beginn eines Textes) Istanbul erscheinen, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass er vor Ort ist, sondern nur, dass das beschriebene Geschehen dort spielt. Hier mehr dazu.
Der Korrespondent Frank Nordhausen musste die Türkei 2017 verlassen, nachdem er in türkischen Zeitungen als „Feind der Türkei“ gebrandmarkt worden war. Er beobachtet den Umgang türkischer Behörden mit deutschen Journalisten mit großer Sorge.

Nikosia - Frank Nordhausen (62), der Philosophie, Geschichte und Germanistik an der Freien Universität Berlin studiert hat, arbeitet vorwiegend für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“, seine Texte werden auch immer wieder in unserer Zeitung veröffentlicht. Er lebt jetzt im griechischen Teil von Nikosia auf Zypern

https://www.stuttgarter-nachrichten...eht.45cf21e0-44fc-4d90-9853-1d4429eeceb4.html

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