Deutsch-israelische Beziehungen: Netanyahu lädt Gabriel aus

Alubehütet

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Für mich ist Gabriel als Außenminister ganz klar gestorben, fertig. Und das, obwohl ich ansonsten durchaus eine Menge von ihm halte. Aber sowas:

Netanjahu habe Gabriel während seines Besuchs noch anzurufen versucht, "um meinen Standpunkt zu erläutern und die Sache zu bereinigen", sagte Netanjahu. "Aber er lehnte ein Telefonat ab."
https://www.tagesschau.de/ausland/gabriel-netanyahu-101.html, zitiert aus einem Interview mit der BILD
geht ganz klar gar nicht. Ob Repräsentant von Liechtenstein, von Israel oder Nordkorea: Wenn ein Staatsoberhaupt eines anderen Landes mit meinem Außenminister telefonieren möchte, dann hat der ans Telefon zu gehen. Das ist genau seine Jobbeschreibung.

Und, ja, das Ganze hat wohl auch zu tun damit, daß Netanjahu innenpolitisch einen starken Maxe markieren zu müssen glaubt. Gauck hat die Leute von Breaking Silence wohl noch gesprochen, jetzt ist das anscheinend ein Problem. Aber auch dahingehend hat ein deutscher Außenminister stets deeskalierend zu wirken. Nicht wegen Israel oder wegen Holocaust, sondern wegen „deeskalierend“.

Wieso Ihr so reflexhaft direkt gleich kommen müßt mit „Existenzrecht Israels!“, „Staatsraison!“, „Holocaust!“, „Zionisten! Aaaber die Balfour-Declaration!“, nur weil es um Israel geht, erschließt sich mir nicht. Gabriel hat Mist gebaut, und fertig. Kein Problem; Oktober hat er wieder einen anderen Job – Witrschaftsminister, Babysitter, was weiß ich. Er kann eine Menge. Außenminister kann er offensichtlich nicht.
 

Alubehütet

Well-Known Member
es ging um meinen Unmut über die mangelnde Feinfühligkeit
im Umgang,eben wegen der Vergangenheit.:)
Ich finde die Vergangenheit hier völlig unerheblich. Hier geht es nicht um grundsätzliche Fragen, sondern um tagespolitisches Klein-Klein. So weit sollten wir inzwischen doch allmählich sein, daß man nicht immer gleich ins Grundsätzliche geht.
 

EnRetard

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Wenn der deutsche Außenminister in der Türkei mit Vertretern der HDP spricht, aus Rücksicht auf Erdo, dan ist das ein Versäumnis. Wenn Gabriel in Israel nicht mit einer "linken" jüdischen NGO (es ging nicht um Hamas-Terroristen, sondern um Menschenrechtler -Ja, Alu, Araber sind Menschen, stell dir vor!), dann hat er versagt.


"Netanjahu habe Gabriel während seines Besuchs noch anzurufen versucht, "um meinen Standpunkt zu erläutern und die Sache zu bereinigen", sagte Netanjahu. "Aber er lehnte ein Telefonat ab."
https://www.tagesschau.de/ausland/gabriel-netanyahu-101.html, zitiert aus einem Interview mit der BILD"

...sagt Netanyahu der Bildzeitung. Hat Gabriel die Darstellung bestätigt?
 

Alubehütet

Well-Known Member
"Aber er lehnte ein Telefonat ab."
https://www.tagesschau.de/ausland/gabriel-netanyahu-101.html

...sagt Netanyahu der Bildzeitung. Hat Gabriel die Darstellung bestätigt?
Mir noch nicht ganz klar.

Gabriels Sprecher widerspricht dem. Zwar habe es ein solches Angebot gegeben, doch leider sei dies „mit Bedingungen verknüpft“ gewesen, die „für uns nur schwer oder nicht akzeptabel“ gewesen wären. So habe die israelische Regierung Einfluss auf die Auswahl der Gesprächspartner Gabriel nehmen wollen. Dies sei keine „angemessene Forderung“. Zudem sei man von Netanjahus Reaktion auf Gabriels Treffen mit Vertretern einer Bürgerrechtsorganisation überrascht worden.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/gabriel-weist-vorwuerfe-netanjahus-zurueck-14991393.html
Ergibt für mich keinen Sinn. Bedingung für ein Telefongespräch soll sein, vorab schon auf die Auswahl der Gesprächspartner Einfluß zu nehmen?

Und selbst wenn schon. Wenn der israelische Staatspräsident bei seinem nächsten Besuch wünscht, mit Vertretern der AfD zu sprechen – Auch keine NSU-Leute, aber vielleicht interessiert Netanjahu ja Islamkritik und Flüchtlingspolitik und -integration in Westeuropa –, und seitens unserer Regierung wünscht man sich, dann da wenigstens auch Vertreter einer Flüchtlingshilfe-Initiative beizugesellen, um nicht unwidersprochen ein einseitiges Bild zu vermitteln, sollte das auch in Ordnung gehen.

Ich finde das jetzt aber auch nicht gar so arg wichtig. Beide Seiten kochen das bewußt niedrig auf kleiner Flamme.
 
Zuletzt bearbeitet:

Alubehütet

Well-Known Member
Ergänzung: Habe mich beeindrucken lassen auch von Avi Primor:

Netanjahu habe bei seinem Vorgehen die „extreme Rechte“ in seiner Regierungskoalition im Blick gehabt, sagte Israels früherer Botschafter in Deutschland, Avi Primor, dem Bayerischen Rundfunk. „Insofern wollte er den Eklat haben, weil das für ihn günstig ist in seinem Machtkampf gegen Konkurrenten innerhalb des rechten Lagers in Israel. Das hat wenig mit Deutschland zu tun.“

http://www.faz.net/aktuell/politik/...-eklat-in-israel-hinter-gabriel-14989283.html
Das Interview hatte ich in Gänze gehört.
 

Skeptiker

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Ohne den Holocaust wäre der Staat Israel wohl nicht auf palästinensischem Land gegründet worden. Also ist die Vertreibung eines Großteils der arabischen Bevölkerung vom Territorium Israels eine indirekte Folge des Holocausts. Deutschland war der Täter, palästinensische Araber wurden bestraft. Ist das für dich nicht nachvollziehbar? Auf den Rest deines Posts möchte ich nicht eingehen, weil er mir zu unsachlich ist.
Doch doch, fingen die Lankäufe doch seit dem britischen Mandat an. Doch der Holocaust hat die Entscheidung einfach beschleunigt. Israel war da sogar noch kleiner als Palästina.........wäre es wahrscheinlich auch geblieben, wenn nicht.....
 

Mendelssohn

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Ich finde die Vergangenheit hier völlig unerheblich.
Ich finde die Vorstellung, daß irgend jemand außer den Opfern einen Schlußstrich ziehen kann, abwegig. Die Opfer sagen, wann die Vergangenheit vergangen ist. Niemand sonst.
Wie ich schon sagte: es waren nicht Gabriels 5-Minuten Termine mit israelischen NGO's, sondern Gabriels Twitterei mit Freund Abbas, die Netanyahu Anlaß zur Kritik gab. Insofern stimmt wohl die Analyse, daß es der säkularen Rechten um einen Punktgewinn gegenüber der religiösen Rechten ging.
 

EnRetard

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Ich finde die Vorstellung, daß irgend jemand außer den Opfern einen Schlußstrich ziehen kann, abwegig. Die Opfer sagen, wann die Vergangenheit vergangen ist. Niemand sonst.
Die Shoah und der Porajmos sind historische Einschnitte von der Sorte, deren Nachwirkungen niemals aufhören. Nimm das Beispiel Sklaverei. Die Nachkommen der Sklaven in Amerika leiden bis heute an der Amputation ihrer Geschichte. Es wird niemals Schlussstriche geben. In Spanien gibt es Bestrebungen, das Unrecht der Reconquista vor 500 Jahren an den sephardischen Juden durch ein Recht auf Rückkehr wiedergutzumachen, in Portugal wurde ein entsprechendes Gesetz bereits verabschiedet. https://en.wikipedia.org/wiki/Sephardi_Jews#Spanish_citizenship_by_Spanish_Sephardic_descent https://en.wikipedia.org/wiki/Sephardi_Jews#Portuguese_citizenship_by_Portuguese_Sephardic_descent
 

Mendelssohn

Well-Known Member
@EnRetard Geschichte kennt keine Schlußstriche. In der Tat. Sie ist im Fluß.

Die Frage bleibt, ob Gabriel nicht etwas geschickter seinen ersten Israel-Besuch hätte vorbereiten können. Mit einem Ex-Soldaten kann man auch am Rande eines Kibbuzbesuchs sprechen, würde auch zur Sozialdemokratie passen, sind die Kibbuzgründer doch Sozialisten gewesen. Arabische Menschenrechtsorganisationen könnten z. B. nach Berlin eingeladen werden. Auch sollte bedacht werden, daß Netanyahu die religiöse Rechte im Zaum hält, die den Islamofaschisten in nichts nachstehen. Netanyahu ist nicht religiös und gehört keiner religiösen Partei an. Er ist ein in Boston sozialisierter Zionist ohne Verbindungen zu Goldman Sachs, die ja in die Trump-Regierung groß eingestiegen sind.
Netanyahu ist gegen die Zweistaatenlösung. Vielleicht hätte Gabriel mit Vertretern der Sparkassen anreisen sollen.

Dennoch gilt: in Demokratien gilt es als normal, wenn sich ausländische Regierungsvertreter mit regierungskritischen Organisationen oder Personen austauschen. Netanyahu wollte innen punkten, rechnete aber nicht mit Merkels Gegenwind.

Was Netanyahu interessieren sollte: die Trump Regierung interessiert sich für den Vorfall nicht. Nur der deutsche Steuerzahler und Wahlen stehen ins Haus.
 

EnRetard

Well-Known Member
Auch sollte bedacht werden, daß Netanyahu die religiöse Rechte im Zaum hält, die den Islamofaschisten in nichts nachstehen.
Netanyahu hält sie nicht im Zaum, er hält sie bei Laune. Übrigens kann uns ziemlich egal sein, ob Netanyahu zusammen mit religiösen Rechten oder mit Avigdor Lieberman oder allen zusammen den Siedlungsbau vorantreibt. Dass er es tut, ist das Problem.
 
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