Guten Morgen,
während ich dem Treiben auf dem Kontrollmonitor „meiner kleinen Render-Farm“ im Hintergrund eine Zeit lang eher untätig zugesehen hatte, habe ich dann die Zeit für eine zweiten Beitrag genutzt.
Lynx,
bitte lies, Dich darüber ein, was genau die weibliche Genitalverstümmelung bedeutet oder frische das bereits Gelesene auf. Mir ist es eingängig, warum Frauen, die sich bewußt gegen Sexismus stellen (und hierzulande aus Unverständnis des Begriffes „Sexismus“ als „Emanzen“ diffarmiert werden, wo es doch auch an den Männern wäre, sich aktiv gegen jede Form Sexismus in der Gesellschaft einzusetzen, mindert er doch auch deren Lebensqualität), es schlichtweg unerträglich ist, wenn ein über Vorhautentfernung sprechender Mann die weit gravierendere Gewalttat der Genitalverstümmelung an Frauen für seine Argumentation einsetzt. Beides ist so verschieden und für die weiblichen Opfer, zu deren Anwalt sich Feministinen sich schon aufgrund ihres Geschlechtes ganz zu Recht machen, so viel mehr traumatisierend, daß auch ich jeden Vergleich eines, auch zu seinem medizinischen Wohle beschnittenen Neugeborenen mit einer Frau, der (meist) ohne Betäubung die Klitoris gespalten wurde, um sicher sein zu können, daß sie keine „unkeuschen“ Begierden in die Richtung anderer Männer mehr hegen wird, als schlicht unanständig ansehe. Auch die Beschränkung des Vergleiches darauf, daß beiden die Fremdbestimmung der körperlichen Eingriffnahme gemein ist, macht es nicht besser.
Ich sehe es als richtig an, daß sich Feministinen für Frauen einsetzen, genauso, wie ich es begrüßen würde und für notwendig halte, daß sich auch Männer für ein befriedetes Zusammenleben beider Geschlechter einsetzen und auf Mißstände deuten. Dabei dürfen vor allen aber Männer nicht die Grenzen überschreiten, die ihnen dadurch gesetzt sind, daß sie zwar versuchen können, zu verstehen und mitzuleiden, dies jedoch nur aus der sicheren Position des Ungefährdeten.
Es ist genauso, wie Du schriebst: die weiblichen Opfer sind in Gefahr verharmlost zu werden, sei es durch die unangebrachte Hinzuzählung oder gar dem ungehörigen Vergleich der, wenn auch nicht direkt medizinisch indizierten, dann doch aber immer medizinisch nützlichen, frühen Korrektur des biologischen Konstruktionsfehlers „Vorhaut“ mit dem brutalen Gewaltakt Klitorisbeschneidung, der Mädchen angetan wird, um sie dem Mann gefügiger zu machen.
Wenn wir darüber schreiben, Kinder würden sich nie mehr von dem Trauma der Vorhautentfernung erholen, selbst, wenn diese gleich nach der Geburt ausgeführt wird, würde das voraussetzen, daß sie sich vor diesem Eingriff ihrer Vorhaut bewußt waren - als Neugeborene? Wie ernst ist dies wirklich gemeint?
Wenn wir hören, die Vorhaut wäre von Nutzen, da sie in der Natur sonst nicht vorkommen würde, sollten wir auch daran denken, daß Menschen heute nicht mehr nackt wie Tiere umherlaufen und daß die Vorteile in Bezug auf Reinlichkeit und die daraus erwachsende, bessere medizinische Prognose dies Überbleibsel aus vorsteinzeitlichen Tagen an Nützlichkeit weit überwiegen. In die gleiche Reihe könnte man den Blinddarm stellen und dem auch heute noch Menschen zum Opfer fallen, keiner aber durch sein Fehlen ein Trauma erlitten hat (diesen vorbeugend zu entfernen wäre aufgrund der Schwere dieses Eingriffes kein Gedanke zu widmen).
So wie ich in meinem vorherigen Beitrag geschrieben hatte, wende auch ich mich gegen einen fremdbestimmten Eingriff an einer halberwachsenen menschlichen Persönlichkeit, die - bereits denkend und im Besitz eines Egos - die die ihr geschehende Operation als eine Körperverletzung und als Gewalt gegen ihren Willen verstehen wird, denn in diesem Falle könnte man mit Fug und Recht von einem Trauma sprechen, womit ich nicht nur die erfahrene körperliche Gewalt meine, sondern auch den Vertrauensbruch, als das es das Handlen seiner Verwandten empfinden wird, die ihn diesem Geschehen ausgeliefert haben.
Nicht aber so bei einem Säugling, der sich niemals an seine Vorhaut erinnern wird und sie auch nicht vermissen, es sein denn, es wird ihm im Erwachsenalter von „Vorhautaktivisten“ oder Spöttern eingeimpft, denen er leicht mit der Aufzählung der Vorteile begegnen könnte.
Vorhautentfernung bringt nur Vorteile, sie sollte jedoch nicht an einem Heranwachsenden nur aus Tradition und gegen dessen Willen ausgeführt werden, um ihn einer Streßsituation auszusetzen, die ihn bei Bestehen in den Kreis der Erwachsenen eintreten läßt. Besser ist es, dieses traditionell-religiös verbrämte Initiationsritual zu untersagen und stattdessen sich auf die wahren Argumente zum Nutzen einer Beschneidung zu besinnen, die medizinischen, und aus dieser Besinnung folgernd den Eingriff in einem Moment auszuführen, in dem er für das Kind am wenigsten psychisch belastend ist und körperlich am wenigsten riskant, als dem Kind zuzumuten, im Alter von von 15 Jahren diese Tortur durchzustehen (nur oberflächliche Maskenbetäubung, massive Blutergüsse in allen Farben des Regenbogens, jeden Tag schmerzhafte Massage zum Erhalt der Beweglichkeit, beim täglichen Abwickeln des Verbandes sich den frischen Schorff wieder von der Wunde zu reißen, insgesamt 14 Tage Krankenhaus und Monate lang „Tote Hose“), von der der Arzt zuvor sagte, es wäre nur „ein kleiner Schnitt“.
Eine Beschneidung im Jungenalter ist auch bei Narkose in der Zeit unmittelbar danach extrem schmerzhaft und bedeutet oft einen langwierigen Heilungsprozeß, kann jedoch auch ein Segen sein, wenn sie eine schwere Phimose korrigiert und eine regelmäßige, ebenso schmerzhafte und meist wirkungslose Bewegungstherapie ablöst.
Dennoch finde ich, man sollte Kindern diese Schmerzen ersparen. Jede Vorhautentfernung im Säuglingsalter ist medizinisch sinnvoll, weil sie das Auftreten einer Phimose von Anfang an verhindert, dazu das Risiko schwerer Krankheiten deutlich senkt.
In jedem Fall halte auch ich - und dies hatte ich ebenso in meinen ersten Beitrag geschrieben - Zwang im Sinne eine Entscheidung über das Sorgerecht der Eltern hinweg für falsch. Kein Zwang also sollte es sein, stattdessen stattfindende medizinische Aufklärung über das medizinische Wohl des Kindes. Die Vorhautentfernung sollte die Vorgabe sein, der Standard, gegen den Eltern Einspruch erheben könnten, etwa, weil ihre Religion die Beschneidung verbietet (vielleicht werden sich gewisse Religionen darauf besinnen - wer weiß) oder sie es einfach vorziehen, ihrem Kind diesen Eingriff für das späte Kindesalter aufzuheben, damit es von den „mannsbildenden“ Schmerzen im Sinne eines Initiationsspektakels „profitieren“ kann. Ich möchte allerdings offen aussprechen, daß ich von Eltern wie den letzteren nicht viel halten würde.
Beides, das Kupieren von Hunden oder anderen Tieren und das Beschneiden eines Kindes nach der Geburt, kann man nicht miteinander vergleichen, denn es ist zu unähnlich, als daß man in einer Argumentation das eine gegen das andere anführen könnte.
Kupiert werden Tiere aus verschiedenen Gründen, denen allen gemein ist, das sie trauriger Natur sind:
Schweinen zwickt man ohne Betäubung die Ringelschwänze ab, damit es nicht in der Beengtheit ihrer Verschläge zu Kanibalismus kommt (die Schweine würden beginnen, an den Schwänzen ihrer Käfiggenossen zu knabbern und dann nicht mehr aufhören). Einigen Hunderassen werden aus „ästhetischen“ Gründen die Ohren oder Schwänze gestutzt, auch hier meist ohne Betäubung. All dies geschieht zum Gewinn des Menschen und zum Schaden des Tieres; im ersten Beispiel, um das Verbrechen der Massentierhaltung besser organisieren zu können, im zweiten rein zum Ergötzen des Menschen an einem angeblich veredelten Tier - selbstverständlich sollte beides guten Menschen („gut“ im Sinne eines verantwortlichen Handelns gegenüber dem Mitlebewesen Tier) verächtlich sein.
Das Beschneiden von Kindern kurz nach der Geburt ist auch ohne Verdacht auf eine sich später einstellende Phimose, also ohne direkte med. Indikation aufgrund eines akuten Zustandes, medizinisch sinnvoll, da dies ein Eingriff zu einem Zeitpunkt ist, an dem er am unkomplizkativsten ausgeführt werden kann und der in zweierlei Weise dem Wohl des Kindes förderlich ist: er verhindert sicher die Leidensgeschichte einer Phimose, er verbessert die Hygiene und senkt erwiesenerweise das Risiko schwersten Folgeerkrankungen.
Im Übrigens schrieb ich nicht von Zwang. Es sollte lediglich die übliche Vorgehensweise werden, der Eltern auch weiterhin widersprechen könnten, etwa um im Kindesalter noch etwa zum Schnippeln zu haben, wenn es wirklich weh tut und den Jungen so eventuell zum Mann macht (Ironie).