Die Ukraine in der Krise

Alubehütet

Well-Known Member
Ein anderer ausführlicher Artikel hier:
Der bietet erstaunlicherweise eine andere Lesart, oder zusätzliche Informationen. Die Frage stellt sich ja auch nach Andrij Melnyk (dem zu Ehren sein Neffe nach ihm benannt wurde), Parteichef der nationalfaschistische Partei, von der sich die Bandera-Leute abgespalten haben. Warum ist Bandera, nicht aber Melnyk in die Ungnade der Nazis gefallen?

Konsens besteht darin, daß das Hauptproblem mit Bandera gewesen sei, daß er einen unabhängigen ukrainischen Nationalstaat gewollt habe, Hitler nicht. Dieser Artikel bietet die zusätzliche Theorie, schon vorher sei Bandera in Ungnade gefallen, weil er einen Partisanenkrieg gegen Sowjetrußland in Gang setzte – Was Hitler zu Zeiten des Ribbentrop-Molotow-Paktes noch nicht paßte.

So oder so ist die Frage von Tilo Jung zwar richtig, warum Melnyk öffentlich das Grab Banderas die Ehre erweist. Unterblieben ist allerdings die Frage nach seinem Onkel. Der der weitaus linientreuere Nazi war. Bandera war, und das wird ihm ja apologetisch zugute gehalten, ein Faschist, aber ein Querulant.
 

Bintje

Well-Known Member
Inzwischen hat "Die Zeit" ihn nicht mehr hinter einer Paywall; er ist allgemein freigeschaltet.


Und Ranga Yogeshwar wurde als einer der Unterzeichner von t-online dazu befragt. Lesenswert!


"Ich sage sehr klar und sehr ehrlich, was am Ende der wirklich ideale und beste Weg ist, wissen wir alle nicht, auch ich nicht. Es ist nicht so, dass sich einer hinstellen kann und sagen kann, er wisse, was richtig ist. Was wir eigentlich in dieser Debatte erleben, ist etwas, was für die Demokratie sehr schädlich ist: Eine moralisierende Debatte der Art, dass man sagt, es wäre moralisch, die Ukraine mit Waffen zu beliefern und wenn man als Bürger sagt, es gebe eine andere Option, dann wird einem unterstellt, man sei amoralisch."

ps Um Bandera ging es nicht.
 

Alubehütet

Well-Known Member
@Bintje Schade. Ich dachte erst, Du hättest Yogeshwar nur schlecht angeteasert. Aber das ganze Interview ist so unterirdisch, Absatz für Absatz.

Niemand unterstellt Yogeshwar et.alt., unmoralisch zu sein. Unmoralisch wäre es, den Ukrainern die Knechtschaft unter der russischen Knute zu wünschen. Oder zumindest gleichmütig wegzuachselzucken. Hauptsache, uns bleibt im Winter warm.

Nein. Wir unterstellen ihnen politsche Naivität. Der moralische Vorwurf besteht höchstens in der kolonialistischen Haltung, erstens besser zu wissen als die Ukrainer, was für sie gut ist, nämlich nicht zu kämpfen (was etwa Precht in seinem Podcast sehr früh genau so gesagt hat, sein Argument: Die Russen sind stärker, und wenn die Ukrainer sich wehren, dann machen die Russen halt alles kaputt, und das könne ja niemand wollen), und zweitens, das auch noch durchzusetzen, nämlich ihre Wehrfähigkeit auszutrocknen, keine Waffen mehr zu liefern.




Ganz abgesehen davon, daß der ganze Appell kompletter Unsinn ist, oder falsch adressiert. Deutschland liefert keine Waffen. Wenn Lettland mehr Waffen liefert als Deutschland, dann ist das, was Deutschland liefert, nichts. Ob wir liefern oder nicht macht keinen Unterschied. Wenn die wollen, daß keine Waffen mehr geliefert werden, dann müssen sie Joe Biden schreiben. Oder zumindest den polnischen und baltischen Regierungen.
 

Bintje

Well-Known Member
Der moralische Vorwurf besteht höchstens in der kolonialistischen Haltung, erstens besser zu wissen als die Ukrainer, was für sie gut ist, nämlich nicht zu kämpfen (...)
Wo genau steht das? Ich lese im offenen Brief:

"Der Westen muss alles daransetzen, dass die Parteien zu einer zeitnahen Verhandlungslösung kommen. Sie allein kann einen jahrelangen Abnutzungskrieg mit seinen fatalen lokalen und globalen Folgen sowie eine militärische Eskalation, die bis hin zum Einsatz nuklearer Waffen gehen kann, verhindern.

Verhandlungen bedeuten nicht, wie manchmal angenommen wird, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren. Einen Diktatfrieden Putins darf es nicht geben. Verhandlungen bedeuten auch nicht, etwas über den Kopf der Beteiligten hinweg zu entscheiden. Die internationale Gemeinschaft muss vielmehr alles dafür tun, Bedingungen zu schaffen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich sind."


Ganz abgesehen davon, daß der ganze Appell kompletter Unsinn ist, oder falsch adressiert.
Aber eigener Meinung sein und Diskussionsanstöße liefern dürfen sie noch?

Das behauptest (nicht nur) Du immer wieder und wird durch Wiederholung nicht richtiger.

Wenn die wollen, daß keine Waffen mehr geliefert werden, dann müssen sie Joe Biden schreiben. Oder zumindest den polnischen und baltischen Regierungen.
Klar. Wenn man will, dass es sich sofort versendet und als Lachnummer des Jahres in Rundordnern verschwindet, macht man das. : / ; )
 

Msane

Well-Known Member
Melnyk ist in der Tat untragbar aber zuallererst sollten wir die Amerikaner rauswerfen.
Außer ständiges Hocheskalieren kommt von denen nichts.

Das trifft auch für Selenskyj zu, jedwede Unterstützung seitens der EU sollte es nur noch für Ukrainer geben die
einer Verhandlungslösung anstreben.
Wenn er seine Nationalisten nicht im Griff hat, ja dann soll er abtreten.

Dieser Krieg liegt nicht in unserem Interesse, er schadet uns, der Ukraine und ganz Europa massiv.
Wer nicht verhandeln will, sondern auf Waffenlieferungen und Sieg gegen Russland (lol)... ja die sollten das
dann ohne die EU machen.
Können die USA ihren Stellvertreterkrieg gegen Russland dann zusammen mit den ukrainischen Ultranationalisten
weiterführen.
Aber ohne uns.


.
 

Alubehütet

Well-Known Member
„Verhandlungen bedeuten nicht, wie manchmal angenommen wird, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren. Einen Diktatfrieden Putins darf es nicht geben. Verhandlungen bedeuten auch nicht, etwas über den Kopf der Beteiligten hinweg zu entscheiden.“
Aber keine Waffen liefern bedeutet, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren. Keine Waffen liefern bedeutet, einen Diktatfrieden im Sinne Putins zu erzwingen. Nur Waffenlieferungen eröffnen den Spielraum für Verhandlungen. Nur Waffenlierungen versetzen die Ukraine in die Souveränität, sie nicht einzusetzen. O.k., Putin, wir sind bereit, die Krim nicht auch noch zurückzuerobern, was lieferst Du dafür? Wenn keine Waffen geliefert werden, gibt es keine Verhandlungen. Dann muß Putin nur abwarten, bis das jetzt noch vorhandene Material verschlissen ist oder verschossen.

Die Alternative „Verhandeln statt Waffen“ gibt es nicht. Ohne Waffen keine Verhandlungen.

Ob es mit Waffen Verhandlungen gibt, oder ob Selenski/Biden setzen auf einen Siegfrieden? Wir wissen es nicht. Was wir wissen: Nur wer liefert, nur wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird. Und Deutschland liefert nicht. Also bestellt Joe Biden, und Europa hört andächtig zu und lauscht dem Programm, das uns andere vorsetzen.
Aber eigener Meinung sein und Diskussionsanstöße liefern dürfen sie noch?
Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung. Niemand hat das Recht auf eigene Fakten. Und Fakt ist:
Das behauptest (nicht nur) Du immer wieder und wird durch Wiederholung nicht richtiger.
Das behaupte ich nicht nur, das begründe ich ja auch. Nicht durch Wiederholungen wird das richtiger, sondern durch mein Argument:
Wenn Lettland mehr Waffen liefert als Deutschland, dann ist das, was Deutschland liefert, nichts.
Setz da mal was gegen. Dann muß/kann ich mich nicht mehr wiederholen, dann kann/muß ich mir was Neues ausdenken. Aber solange da nichts kommt, bleibt das mein Sach-, mein Kenntnisstand.


Wobei Melnyk ja schon viel weiter ist als ich. Ich weiß nicht, ob sich jemand sonst hier die Mühe gemacht hat, sich wenigstens die anderthalb Stunden Interview zu geben mit Tilo Jung (in dem Dreistünder sind ja zwei Interviews). Anders als ich erwartet Melnyk keine Waffenlieferungen mehr aus Deutschland. Allerdings hat Deutschland eine sehr, sehr große Rüstungsindustrie. Und mit denen ist Melnyk sich einig geworden, die haben nach seiner Wahrnehmung Superverträge mit ihm ausgehandelt, mit tollen Finanzierungsbedingungen. Alles, was Melnyk von der Bundesregierung erwartet, ist, sich dem wenigstens nicht mehr in den Weg zu stellen und die Exporte zu genehmigen.
 
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Alubehütet

Well-Known Member
Melnyk ist absolut wichtig, der beste Botschafter, den die Ukraine überhaupt hat stellen können. Ein Glücksfall. Melnyk erinnnert uns tagtäglich daran, wie weit, wie verdammt weit der Weg der Ukarine in die EU noch ist. Wie weit die von Westeuropa kulturell entfernt sein müssen, wenn die uns so einen als Repräsentanten präsentieren. Und wir können denen klarmachen, wenn die vor haben, in der EU ein Problembär zu werden, wie Orban, dann ist ihr Vorbild der EU-Mitgliedschaftsanwärter Erdogan.
Das trifft auch für Selenskyj zu, jedwede Unterstützung seitens der EU sollte es nur noch für Ukrainer geben die
einer Verhandlungslösung anstreben.
Ich kann leider nicht in seinen Kopf gucken. Ich weiß nicht, ob er verhandeln wollen würde/wird.
Dieser Krieg liegt nicht in unserem Interesse, er schadet uns, der Ukraine und ganz Europa massiv.
Und darum ist es wichtig, daß er dem noch ein Vielfaches mehr schadet, der ihn angezettelt hat.
 
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