Entschleunigung von heute auf morgen

Alubehütet

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Dort werden Ehen geschlossen und beendet.
Aber nicht mit den LKW-Fahrern.
"Den Job machen wenige in absehbarem Rentenalter."
Was du immer weißt. Er ist bis zum Eintritt in die Rente gefahren und er ist nicht der Einzige.
Ich meinte die Verkäufer. In meinen beiden Pennys sind sie alle unter 40, die meisten unter dreißig, bis auf einen Filialleiter, der mag vielleicht an die 50 sein. @EnRetard hat Gegenbeispiele. Meine beiden Pennys sind aber auch neu, erst in den letzten Jahren eröffnet worden.
 

sommersonne

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Zerd

Well-Known Member
Ich dachte, hier irgendwo gelesen zu haben, dass die eigentliche "Pest" der Neoliberalismus sei (konnte das Zitat leider nicht wiederfinden), wollte dem zustimmen und hinzufügen, dass eine der Pestbeulen, die er hervorgebracht hat, der Begriff "systemrelevant" in gesellschaftlichen Zusammenhängen ist.

Denn dieser Begriff macht hier nur in einem ideologischen Kontext Sinn und es sollte hinlänglich bekannt sein, dass die Aufwertung jeglicher Ideologie immer zu Lasten der Menschen und der Menschlichkeit geht. Darum ein fettes "Igitt" von mir dazu.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Och, jetzt macht doch nicht aus jeder Banalität eine ideologische Grundsatzdebatte :(

Im Zweiten Weltkrieg war man vom Wehrdienst freigestellt, wenn man einen „kriegswichtigen Beruf“ ausübte. So etwas ist hier gemeint. Wenn man also unabkömmlich war, weil man an Wunderwaffen forschte oder Arzt im Krankenhaus war.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Theodore Zeldin, dessen Intime Geschichte der Menschheit ich vor einigen gelesen habe und der die Ansicht vertrat, dass die Menscheit im wissenschaftlich-technologischen Bereich in den letzten 200 Jahren zwar große Sprünge gemacht und gewaltige Entfernungen zurückgelegt habe, dabei aber im menschlich/zwischenmenschlichen Bereich nicht nur auf der Stelle getreten, sondern sogar eher Rückschritte gemacht habe (bis auf einige wenige Inselthemen).
Von Kant stammt die etwas umständliche Formulierung, eine Zivilisierung der Menschheit sei denkbar, nicht aber eine Moralisierung.

Soll heißen, wir machen zwar technologische und auch soziale Fortschritte. Es gibt die Dampfmaschine; es gibt keine Sklaverei mehr. Aber moralisch werden die Menschen nicht besser, jede Generation steht neu vor gut und böse. Und in einem noch so tollem paradiesischen Sozial- oder sonstwas-ismus finden Halunken Wege, Übles zu tun.
 

Zerd

Well-Known Member
Och, jetzt macht doch nicht aus jeder Banalität eine ideologische Grundsatzdebatte :(

Im Zweiten Weltkrieg war man vom Wehrdienst freigestellt, wenn man einen „kriegswichtigen Beruf“ ausübte. So etwas ist hier gemeint. Wenn man also unabkömmlich war, weil man an Wunderwaffen forschte oder Arzt im Krankenhaus war.

Welch wunderbares treffendes Beispiel vom selbstverständlich völlig unideologischen zweiten Weltkrieg...

Von Kant stammt die etwas umständliche Formulierung, eine Zivilisierung der Menschheit sei denkbar, nicht aber eine Moralisierung.

Soll heißen, wir machen zwar technologische und auch soziale Fortschritte. Es gibt die Dampfmaschine; es gibt keine Sklaverei mehr. Aber moralisch werden die Menschen nicht besser, jede Generation steht neu vor gut und böse. Und in einem noch so tollem paradiesischen Sozial- oder sonstwas-ismus finden Halunken Wege, Übles zu tun.

Manchmal bist Du wirklich schwer zu verstehen. Oben wirfst Du einem User vor, der sich gerade offen gegen die Aufwertung jeglicher Ideologie ausgesprochen hat, dass er eine ideologische Grundsatzdebatte anzetteln wolle, und hier suggererst Du erneut, dass es mir um einen "tollen paradiesischen Sozial- oder sonstwas-ismus" gehen könnte. Was geht da vor in Deinen Gehirnwindungen?

Ich denke, dass Sprache und Denken in einer sehr engen Wechselwirkung stehen und sich gegenseitig bedingen. Insbesondere spielen Begriffe dabei eine Rolle; wenn einfache Worte in einem bestimmten Kontext verwendet werden und sie dabei durch diesen Kontext und die Referenzen überladen werden, dann werden sie zu Begriffen. Die Begriffe systemrelevant oder meinetwegen auch kriegswichtig gehören etwa ganz eindeutig zu den Kontexten System oder Krieg. Das sind vorwiegend technische Begriffe, ein System muss funktionieren, ein Krieg muss gewonnen werden, wofür es dann mehr oder weniger eindeutige technisch optimale Lösungen gibt. Darin steckt die Idee, dass das auch den in diesem Kontext beteiligten Menschen zugute kommt. Und genau darin steckt auch die Ideologie, dass es nämlich ein System gebe oder einen Krieg gebe, der grundsätzlich gut für alle beteiligten Menschen sei.

Und das ist, mit Verlaub, absoluter Schwachsinn. Und zwar ein Schwachsinn, den ich mit der Benutzung solcher Begriffe als Entscheidungskriterium einfach mittrage und mitvertrete. Da muss jeder selbt entscheiden, ob er das möchte oder nicht. Meine ganz persönliche subjektive Meinung dazu ist einfach: Igitt!

Und wenn es um die Menschen geht, die einfach nicht besser werden können trotz ihrer vermeintlichen technologischen und sozialen Fortschritte, und in jeder Generation erneut vor gut und böse stehen: wie lässt sich auf dieser Grundlage dann überhaupt von "besser", von "übel" von "gut und böse", von "Fortschritt" reden? Natürlich gibt es im absoluten Sinn kein Gut und Böse, natürlich hat die Geschichte kein Ziel im Hegelschen Sinn, beim dem zuletzt der Mensch zu Gott wird. Aber dennoch haben Menschen uneingeschränkt ihre Werte, leben und arbeiten damit, sie schwingen in all ihrem Handeln und Entscheiden mit. Und da kann es doch durchaus Sinn machen zu überlegen, welche Werte das sind, wie sie entstehen oder gestärkt werden oder wie sie eher geschwächt werden, welche kausalen Zusammenhänge oder Korrelationen zwischen bestimmten Werten und bestimmten Aussagen oder Handlungen bestehen, wo hier eher ein Widerspruch und wo eher Konsistenz usw.

Und in dieser Hinsicht kann sich der mensch und die menschliche gesellschaft surchaus entwickeln, genauso wie er sich in verschiedenen Wissensgebieten oder im sozialen Umgang entwickelt.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Theater, Kirchen, Museen sollen geschlossen bleiben. Fabriken versuchen wir, bei allen Restriktionen weiter zu fahren. Krankenhäuser müssen weiter betrieben werden, auch wenn man bemüht ist, nicht unmittelbar notwendige Operationen zu verschieben. Das Wort der Stunde dafür ist „systemrelevant“. Was ist daran „igitt“?
 

Zerd

Well-Known Member
Igitt ist für mich daran die inhärente Suggestion, dass es so sein müsse, dass es ein Gebot (der Stunde), unabdinglich und unvermeidlich sei mit Bezug auf ein wie auch immer geartetes abstraktes "System", das unbedingt und alternativlos weiter funktionieren und gelingen müsse.

Und Igitt ist es deshalb, weil es eben nicht so ist, weil im Gegenteil die Demokratie sogar darauf gegründet ist, dass ein ständiger Diskurs und ein ständiges Abwägen um die verschiedenen Interessen stattfindet und der Mensch die Wahl hat, haben sollte. Verstehst Du: kein System, kein Stein der Weisen, kein Gott, der uns unsere Entscheidungen (und unsere Verantwortung) abnimmt.

Und wenn es so ist und wenn wir das so wollen, dann sollten wir auch nicht so darüber reden, als ob es anders wäre oder sein sollte. Damit wird nämlich ganz subtil diesem Anderen der Weg bereitet. Igitt und Pfui!
 

Mendelssohn

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Ich dachte, hier irgendwo gelesen zu haben, dass die eigentliche "Pest" der Neoliberalismus sei (konnte das Zitat leider nicht wiederfinden), wollte dem zustimmen und hinzufügen, dass eine der Pestbeulen, die er hervorgebracht hat, der Begriff "systemrelevant" in gesellschaftlichen Zusammenhängen ist.

Denn dieser Begriff macht hier nur in einem ideologischen Kontext Sinn und es sollte hinlänglich bekannt sein, dass die Aufwertung jeglicher Ideologie immer zu Lasten der Menschen und der Menschlichkeit geht. Darum ein fettes "Igitt" von mir dazu.
Ich habe im Coronathread den Neoliberalismus als die wahre Pest des Gesundheitssystems beschrieben und halte ebenso wie du den Begriff "systemrelevant" diesem Vokabular entnommen und daher für toxisch (ideologisch). Hinzu kommt, dass er wie eine Selektionsrampe fungiert: systemrelvante Berufstätigkeit wird von weniger systemrelevanter oder sogar überflüssiger geschieden, welches uns an alte Selektionsraster nicht nur zufällig erinnert.
Dies ist ja die Verschwisterung des Neoliberalismus mit Rassismus/Chauvinismus: wer nicht gewinnt, verliert, und wer verliert hat es offenbar nicht drauf, sei es wegen der Gene, sei es wegen "gutmenschlicher" Verblendung. Ist dem Ausbeuter, den die historisch politischen und die gesellschaftlich ökonomischen Verhältnisse dann doch sehr zufällig nach oben gespült haben, ziemlich wurscht. Unten können sich dann die Verlierer um die Corona-Prämien prügeln (der Edekamitarbeiter freut sich über einen dreistelligen Coronabonus, während das Taxiunternehmen vier Fahrer erst mal nach Hause schickt), während der Konzern das Geschäft seines Lebens macht. Es sei denn die Lebensmittelproduktion würde einbrechen, weil keiner sät und erntet.

Am Ende wird Putin die Welt retten: den einen schickt er medizinische Ausrüstung (NYC klagte allerdings, dass 80% der Lieferung nicht gebraucht worden wäre), den anderen den Weizen aus der ukrainischen Kornkammer.
Wenn einer den Neoliberalismus verstanden hat und ihn gegen seine nicht nur amerikanischen Erfinder zur Anwendung bringt, dann ist es Putin.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Apropos Entschleunigigung: inzwischen, so finde ich, ist wieder ganz schön viel los auf den Straßen. Es entfällt eigentlich nur der Hol- und Bringservice zur Schule aus Sicht einer Innenstadtbewohnerin. Der Markt heute um 12 Uhr war so voll, dass ich mich kaum getraut habe, ganz schnell Kartoffeln zu kaufen mit Halstuch vor Mund und Nase und Handschuhen. Zwei Alte (kein Ehepaar) saßen nah beieinander auf der Bank und sahen sich das Treiben an. Eine andere Gruppe, zu dritt mit einem Rollstuhlfahrer und allesamt mit Mundschutz, ebenso. Viele glauben jetzt, dass Mundschutz vor zu geringem Abstand schützt. Nach meiner Meinung sind zu viele Leute gleichzeitig draußen. Der Mundschutz im öffentlichen Raum erscheint als erste psychologische Maßnahme, die Entschleunigung (durch Ausgangsbeschränkungen und physischem Abstandhalten) Schritt für Schritt zu beenden. Man kann wieder raus - mit umgeschnürter firewall. Was für ein Irrtum.
 
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