Flüchtlingskrise

Burebista

Well-Known Member
Danke, sehr ehrliche Auskunft, und mutige in einem von der Idee her ja Türkei-freundlichen Forum. Es gibt viele jahrhundertealte Erfahrungen, Traumatisierungen mit „den Türken“, die wir in Deutschland so gar nicht auf dem Bildschirm haben.

Wie schätzt Du die Ungarn ein? Geht es denen gegen eine „Umvolkung“, „Islamisierung“, oder auch gegen die Türken in erster Linie?

Na ja, das war nicht als ein antitürkisches Kommentar gemeint (wenn es so erschien, dann bitte ich wirklich um Entschuldigung), sondern ein Kommentar gegen die heutige Politik der tk. Regierung. Das heißt aber lange nicht, dass diese Regierung und Erdo mit dem türkischen Volk gleichgesetzt werden müssten. Die Türken sind ein herziges Volk, das ich liebe. Und deswegen bin ich in diesem Forum. Erdogan ist nur ein demokratischer Unfall in der türkischen Geschichte.
Habe in einem älteren Kommentar geschrieben, dass Erdo die protürkische Sympathie, die es auf dem Balkan gibt, zunichte macht. Indem er wie ein Imperialist erscheinen will. Und seit 1878 oder 1912 sind nicht zu viele Jahre vergangen. Sicher sind die Leute die damals gelebt haben nicht mehr auf dieser Welt. Aber es ist zeitlich zu nahe, um sich zu erlauben, sich wie ein Imperialist zu benehmen. Oder dann, solle man sich nicht wundern, dass die andere Seite anders reagiert.
Wobei die Rumänen nicht wirklich von den Osmanen traumatisiert wurden. Die rumänischen Fürstentümer unter osmanischer Herrschaft waren christliche autonome Staaten, wo der Islam verboten war und keine Moschee gebaut werden durfte. Die erste Moschee in Rumänien wurde erst nach 1878 gebaut, als es keine direkte osmanische Herrschaft mehr gab. Also gab es in der ganzen rum. Geschichte keine reine islamische Gefahr, so wie auf den von Griechen, Serben und Bulgaren bewohnten Gebiete.

Muss ich hier doch eine Episode erzählen. Vor etwa 5 Jahren hat der damalige Premierminister Ponta ein Arrangement mit Erdo beschlossen. Die Rumänen aus Istanbul haben nördlich der Stadt, auf europ. Seite Land für einen Friedhof bekommen (anfangs wurde über den Bau einer rum. orth. Kirche gesprochen). Dafür haben die Türken aus Bukarest einen Platz im Norden von Bukarest bekommen, um eine große Moschee zu bauen. Aber es war im Norden von Bukarest und wenn man vom Flughafen in die Stadt ankommen wollte, hätte es das erste Gotteshaus gewesen, das jeder hätte sehen können. Das Projekt wurde fallen gelassen, von tk. Seite.

Hm. In Rumänien leben etwa 70.000 Türken (Minderheit) und etwa 70.000 Araber (die sich hier niedergelassen haben, also Imigranten). Die Araber wurden nach der Wende von den Saudis unterstützt und die hätten fast die Führung der islamischen Gemeinde übernehmen können. Die Araber aus RO meinen, dass die türkische Minderheit aus Rumänien zu säkularisiert sei, dass die türkischen Frauen keinen Kopftuch tragen usw. usf. Die Saudis haben eine Moschee in Bukarest gebaut (als Bedingung für die Aufnahme von Diplom. Beziehungen, habe ich irgendwo gelesen). Die ansässigen Rumänientürken gerieten in die Defensive und bekamen auch keine Unterstützung aus der Türkei (der tk. Staat investiert in D., kümmerte sich nicht um die kleine betroffene tk. Minderheit aus Rumänien). Etwa 2007 erlang ein Rumänientürke Mufti der vom rum. Staat anerkannten islam. Gemeinschaft aus Rumänien zu werden. Und als einer der ersten Schritte forderte er am rum. Unterrichtsministerium, dass die Diplome in islamischer Theologie aus islamischen Fakultäten/Schulen aus den arabischen Staaten auf rum. Territorium nicht mehr anerkennt sein sollten. Was das Ministerium auch beschloss. Es entstand dann ein Rechtsstreit zwischen den Absolventen der arabischen Schulen (die nun nicht mehr Imame sein durften) und das Muftiat. Der Bau einer türkischen Moschee hätte den innenislamischen Streit aus Rumänien ausgeglichen. Aber das Projekt wurde fallen gelassen...
https://balkaninsight.com/2018/07/1...bles-turkish-grand-mosque-project-07-17-2018/

Die türkische Diplomatie aber benimmt sich wie Herrin des Muftiats.
https://www.romania-insider.com/us-embassy-official-turkish-consul-romania

Hier die Aufzeichnung unserer Freundin Wiki: https://en.wikipedia.org/wiki/Islam_in_Romania
 

Burebista

Well-Known Member
Wie schätzt Du die Ungarn ein? Geht es denen gegen eine „Umvolkung“, „Islamisierung“, oder auch gegen die Türken in erster Linie?
Was die Ungarn betrifft, bin ich nicht so sicher. Die Fidesz hat eine christliche Ideologie, die auch in der Verfassung Ungarns übernommen wurde. So kann ich mir gut vorstellen, dass die Fidesz-Anhänger wirklich an eine Islamisierungsgefahr glauben. Was in Rumänien unvorstellbar wäre. Kein normaler Rumäne würde die Türken mit Islamisierungsgefahr in Zusammenhang bringen. Denn in der rumänischen Geschichte gab es eine solche türkische Islamisierungsgefahr gar nicht. In Ungarn aber wurden Moscheen gebaut. Teile Ungarns waren unter direkten osmanisch-islamischen Herrschaft.

Der Artikel, den @sommersonne gelinkt hat scheint mir zu extrem geschrieben. Sowas ähnliches habe ich in den rum. Medien nicht gelesen.

Man sagt hier nur, dass die Deutschen keine Ahnung hätten und gar nicht wüssten, wie die Dialoge im östlichen Mittelmeerraum durchgeführt werden und also nicht imstande seien, den Östlern (Türken, Islamisten oder Balkanesen jeder Art) Stand zu halten. Weil sie zu viel Wert auf Entgegenkommen stellen, was aber im Osten (bei Türken, Islamisten oder Balkanesen jeder Art) als Beweis der Schwachheit angenommen wird (ein rum. Wort für Entgegenkommen gibt es nicht, weil es einfach die Idee nicht gibt. Sowas würde hier als lächerlich erscheinen, um es schön zu formulieren). Aber das ist ein besonderes Thema. :)

Die Ungarn sind zwar Nachbarn von Österreich, aber haben eine geprägte Ostmittelmeerkultur.

Hm. Wobei es nicht unbedingt ein Ost-West Missverständnis ist, sondern ein Nord-Süd (wobei im Süden, im Mittelmeerraum, der Osten viel ausgeprägter ist).
Die Italiener lachen die Naivität der Deutschen auch aus (und lachen sehr). Und sagen, dass die Deutschen nicht viel reden, aber wenn sie reden, reden sie was sie nicht sagen dürfen. Wobei die Italiener viel reden, grausam viel reden, aber nie was aussagen, was sie nicht sagen dürfen.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Na he, wieso bin ich faul. Wenn Mendelson zweifelt, darf sie doch selbst danach suchen.;)
Ich habe jetzt folgendes Szenarium gefunden:
Flüchtlinge auf türkischer Seite werden mit Tränengas eingenebelt, (aber nicht von den Türken), die ihrerseits ein gepanzertes Fahrzeug zum Zauneinreißen geschickt und Rauchbomben/Tränengas gegen griechische/s Polizei/Militär abgefeurt haben sollen, also gerade nicht die Flüchtlinge ins Visier genommen haben, die ja rüber sollen.

https://www.merkur.de/politik/rauch...riechisch-tuerkischer-grenze-zr-13584990.html

Der Unterschied besteht darin, dass die Griechen direkt die Flüchtlinge angegriffen haben, während die Türken nur ihre Grenze geöffnet und den Flüchtlingen gewissermaßen "Feuerschutz" gegeben haben, nachdem die Griechen zum Äußersten griffen. Mit diesen äußersten Maßnahmen der Griechen habe ich als EU-Bürger z. B. nicht gerechnet. Erdogan, permanent wegen Menschenrechtsverletzungen gerügt, vielleicht auch nicht.
Deutschland kann natürlich froh sein, dass Griechenland die Drecksarbeit macht, damit die Muselmanen nicht wieder "vor Wien" stehen wie anno 2015. Sogar gut möglich, wenn ihr mich fragt, dass der EU-Aufschrei nur gespielt war, in Wirklichkeit den Griechen aber freie Hand gegeben wurde. Flüchtlingsströme, multipliziert mit der Corona-Panik, könnte die EU in eine politische Krise zwingen.
Aber vielleicht ist mit dem Einsatz von Tränengas gegen Flüchtlinge die politische Krise schon da.
 

sommersonne

Well-Known Member
Na klar, die türkische Polizei verteidigt die Flüchtlinge. Gestatte das ich lache.
Deren Motiv ist das die Flüchtlinge durch die Grenze kommen, dafür wurden sie ja schließlich dort hin gekarrt. Feuerschutz höchstens das der Durchbruch gelingt. Die Flüchtlinge sind ihnen völlig egal.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Na klar, die türkische Polizei verteidigt die Flüchtlinge. Gestatte das ich lache.
Wie kommst du darauf, "gewissermaßen 'Feuerschutz'" (Feuerschutz extra noch mal in Anführungszeichen gesetzt, damit es auch jeder versteht, der an "gewissermaßen" vorbeiliest) als Verteidigung der Flüchtlinge zu interpretieren? Dass es Erdogan nicht um die einzelnen Flüchtlinge geht, wohl aber um das Outing der EU angesichts der Flüchtlingsfrage, dürfte wohl außer Frage stehen.
Und dass die Türkei ganz objektiv mit 4 Mill Flüchtlingen ein Problem hat, weil sie als einzelne Nation mehr Flüchtlinge aufnimmt als die gesamte EU, muss beachtet werden. Ich habe viele von ihnen in Straßenlagern an den Häfen von Bodrum gesehen, acht- und zehnjährige Jungen, die für ihre Familien an den Restaurants Essen suchten, Familien, denen nur ein Teppich blieb, der dann beim Jahrhundertregen weggespült wurde. Das war 2016. Und die Situation dürfte sich um einiges verschärft haben.
Erdogan hat ein Problem, aber Erdogan hat nicht die Flüchtlinge (Frauen, Kinder, Schwache) unter Gas gesetzt. Das waren die Griechen, um die Grenze zu "sichern".
Und jetzt gestatte ich dir ein weiteres Lachen.
 

sommersonne

Well-Known Member
Nett von dir das ich lachen darf.

Natürlich ist es nicht einfach die Flüchtlinge zu versorgen. Dafür hat Erdogan aber auch Geld von der EU bekommen. Haben andere Länder Geld von der EU bekommen? Nein und es gibt Nachbarländer von Syrien die auch mit Flüchtlingen überlastet sind und die EU-Länder selbst auch nicht.

Es kommt noch hinzu das man sich schon wundern darf wieso die Flüchtlinge, die nicht aus Syrien sind, so lange in der Türkei verweilen durften/dürfen. Für Touristen/Ausländer gibt es Beschränkungen und Vorschriften wann das Land wieder zu verlassen ist. Wurde da schon mal für "Trick 17" gesammelt?
Weiterhin dürfte sich Herr Erdogan weder wundern noch über die vielen Flüchtlinge klagen, hat er doch selbst mit der eifrigen Unterstützung des IS und mit dem Kampf um die sogenannte Schutzzone kräftig für zu dem Anstieg der Flüchtlingszahlen beigetragen.

Mein Mitleid hält sich aus diesen Gründen in Grenzen. Mitleid habe ich höchstens mit den Flüchtlingen. Aber du darfst gerne die Erpressungsversuche Erdogans schön reden, hilfst damit aber weder den Flüchtlingen noch den Einwohnern der Türkei.
 

Mendelssohn

Well-Known Member

Ich erinnere:


Ich bin es nicht, der den Ton verschärft, auch wenn ich die Situation an der türkisch griechischen Grenze etwas anders einschätze als du.
Es gibt z. B. auch die Behauptung, dass Erdogan seine Gefängnisse geöffnet hat, um sämtliche Illegale und Kriminelle nach Europa entweder einzuschleusen oder von den Griechen eine tränenreiche Lektion zu erhalten.
Fakt bleibt, dass die Griechen das Gas gegen die Flüchtlinge eingesetzt haben, die Türken gegen diejenigen, die das Gas zum Einsatz brachten. Damit haben die Griechen gegen die EU-Recht verstoßen und nicht die Türken, die nicht in der EU sind.
Es geht hier nicht um moralische Bewertungen, sondern um formal rechtliche. Und es geht darum, ob Griechenland im Alleingang so entschieden hat, oder ob es eine mit der EU abgestimmte Aktion war.

Entweder wir reden über die Sache oder wir reden gar nicht. Ich habe im Augenblick keine Geduld für Anmache.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Naja.

7. März 2020

An der griechisch-türkischen Grenze haben beide Seiten Tränengas eingesetzt. Zunächst hatten griechische Sicherheitskräfte damit versucht, Flüchtlinge zurückzudrängen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters berichtete, am abgeriegelten Grenzübergang Kastanies seien daraufhin Tränen- und Rauchgasgranaten von türkischer Seite in Richtung der griechischen Polizei geschossen worden.

ZEIT (von mir sehr frei zitiert)​
 
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