Frage an türkische Eltern

alteglucke

Moderator
AW: Frage an türkische Eltern

Vielleicht noch einmal als kurze Zusammenfassung: Ich würde auch meinen elfjährigen selbstverständlich abholen, aber ich finde es dennoch merkwürdig, dass ein elfjähriger auf Klassenfahrt Heimweh bekommt. Und ich glaube außerdem, dass es da an genau dem fehlt, was Zerd hier beschwört und wo wir uns sicher alle einig sind: am Urvertrauen.
 
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Anouk

Guest
AW: Frage an türkische Eltern

Zitat von boncuklar:
hallo zerd,

ich muß dir vollkommen recht geben. mein sohn ist jetzt 26. ich habe es damals mit meinem mann auch immer so gehandhabt, daß wir ihm so fast alles erlaubt haben, wenn er aber feststellte, daß das ganze doch nicht ganz nach seiner vorstellung lief, waren wir immer da um ihn aufzufangen. wenn er bei klassenfahrten (z.b. nach frankreich) mitfahren wollte, dann durfte er das, gegen seinen willen hätten wir ihn niemals geschickt.
es war nie ein thema für uns, wenn er nachts angst hatte, daß er zu uns ins bett schlüpfen durfte. auch hat ihm nie jemand erzählt, daß ein junge doch nicht weint.
ich kann von mir sagen, daß ich meinen sohn wirklich über alles liebe, dennoch hab ich es geschafft ihn los zu lassen. er weiß ganz genau, daß seine eltern immer da sind, wenn er sie braucht.

Das beschreibt ziemlich präzise meinen Erziehungsstil. Nur habe ich den Eindruck, dass einige hier davon ausgehen, ein Kind, das an einer mehrtägigen Reise ohne Eltern teilnimmt, werde, nein: müsse! automatisch leiden. Wenn ein Kind nicht wegfahren will, will es nicht, ganz einfach. Dann muss es in der Zwischenzeit halt am Unterricht in einer anderen Klasse teilnehmen. Kein Problem. Aber nach Hü-Hott-Manier völlig beliebig mal so und mal so zu entscheiden, je nachdem, wie ein Kind sich grad augenblicklich fühlt (10 Minuten später sieht die Welt aus kindlicher Sicht ja oft doch schon wieder ganz anders und sehr viel freundlicher aus...), scheint mir doch eher ein Zeichen von elterlicher, tja, wie soll man das nennen... emotionaler Bedürftigkeit? Unreife?
Keine Idee...

Hübsches Beispiel, auch wenn's in eine etwas andere Richtung geht: kürzlich erzählte eine Bekannte von ihren gemeinsamen Familienurlauben. Ein Kind, die Tochter ist 12, den Familienstil darf man getrost als innig bezeichnen. Sie unternehmen immer alles gemeinsam. Alles. Immer. Gemeinsam. Nach und nach schälte sich raus: Die Tochter würde eigentlich gern auch mal mal was allein bzw. mit gleichaltrigen Freundinnen unternehmen, stundenweise, versteht sich, nicht dauernd, die Mama jammert ein wenig, weil sie gern mal zur Kosmetik gehen würde (Dauer: eine Stunde oder so), verzichtet aber stets zugunsten des Familienfriedens, und der vielbeschäftigte Papa ist nur froh, wenn er seine Lieben im Urlaub um sich hat, weswegen er täglich ausgedehnte Ausflüge aufs Programm setzt. Die Tochter findet's nervig, mag keine Bergtouren und mault neuerdings zunehmends, worüber die Mom sich wiederum beklagte.
Auf vorsichtiges Nachfragen, ob man nicht vielleicht auch mal getrennte Wege gehen könne, damit alle zu ihrem Recht kämen, bekam ich zu hören: Ausgeschlossen! Geht gar nicht! Denn wenn auch nur einem von uns dabei was passieren sollte, stünden die anderen mutterseelenallein da. - Das ist das, was ich mit emotionaler Bedürftigkeit meinte. So lange es allen Beteiligten gut geht dabei, bitteschön, aber die Bedürfnisse von Eltern und Kindern können nun mal auch sehr unterschiedlich sein. Mit anderen Worten: es kann durchaus sein, dass man selbst, als Elternteil, ein Kind noch gern so lange wie möglich unter den Fittichen haben würde, während es selbst aber fortstrebt.

Rasim hat es gut beschrieben: dieses Loslassen (müssen) und dabei insgeheim zittern und bangen, ob auch wirklich alles gut geht -- das kenne ich auch, und wie -- aber es gehört doch halt dazu, es muss sein...
 

boncuklar

Active Member
AW: Frage an türkische Eltern

Zitat von Anouk:
Hübsches Beispiel, auch wenn's in eine etwas andere Richtung geht: kürzlich erzählte eine Bekannte von ihren gemeinsamen Familienurlauben. Ein Kind, die Tochter ist 12, den Familienstil darf man getrost als innig bezeichnen. Sie unternehmen immer alles gemeinsam. Alles. Immer. Gemeinsam. Nach und nach schälte sich raus: Die Tochter würde eigentlich gern auch mal mal was allein bzw. mit gleichaltrigen Freundinnen unternehmen, stundenweise, versteht sich, nicht dauernd, die Mama jammert ein wenig, weil sie gern mal zur Kosmetik gehen würde (Dauer: eine Stunde oder so), verzichtet aber stets zugunsten des Familienfriedens, und der vielbeschäftigte Papa ist nur froh, wenn er seine Lieben im Urlaub um sich hat, weswegen er täglich ausgedehnte Ausflüge aufs Programm setzt. Die Tochter findet's nervig, mag keine Bergtouren und mault neuerdings zunehmends, worüber die Mom sich wiederum beklagte.
Auf vorsichtiges Nachfragen, ob man nicht vielleicht auch mal getrennte Wege gehen könne, damit alle zu ihrem Recht kämen, bekam ich zu hören: Ausgeschlossen! Geht gar nicht! Denn wenn auch nur einem von uns dabei was passieren sollte, stünden die anderen mutterseelenallein da. - Das ist das, was ich mit emotionaler Bedürftigkeit meinte. So lange es allen Beteiligten gut geht dabei, bitteschön, aber die Bedürfnisse von Eltern und Kindern können nun mal auch sehr unterschiedlich sein. Mit anderen Worten: es kann durchaus sein, dass man selbst, als Elternteil, ein Kind noch gern so lange wie möglich unter den Fittichen haben würde, während es selbst aber fortstrebt.

Rasim hat es gut beschrieben: dieses Loslassen (müssen) und dabei insgeheim zittern und bangen, ob auch wirklich alles gut geht -- das kenne ich auch, und wie -- aber es gehört doch halt dazu, es muss sein...

also ich versteh das so, daß mutter und tochter sich dem willen des vaters beugen um auf "heile familie" zu machen.
nur... wo bleiben da die bedürfnisse des einzelnen?
hier muß ich wieder an die türkischen eltern erinnern die ihre kinder zurückgeholt haben.
sie haben losgelassen (während der vater in obigem beispiel klammert), haben den kindern erlaubt mit der klasse wegzufahren,
als diese aber panik hatten weil sie es nicht gewohnt waren in einer fremden umgebung zu schlafen, haben die eltern reagiert und den kindern gezeigt, daß sie da sind, wenn sie gebraucht werden.
vielleicht klappt es nächstes mal mit den kindern. sie wissen, daß ihre eltern immer da sind und das wird ihr vertrauen stärken und ihnen helfen ihre unsicherheit und angst zu besiegen.
ich hätte auch so reagiert.
mein sohn mußte mit 6 jahren in eine klinik. es war auch das erste mal, daß er von zu hause weg war, außer bei oma und opa.
ich hätte es nie zugelassen, daß er alleine in der klinik zurückbleibt. ich war die ganze zeit bei ihm in der klinik und habe mit im zimmer geschlafen.
 
A

Anouk

Guest
AW: Frage an türkische Eltern

@Boncuklar: Da hast Du Glück gehabt, was die Klinik betraf, es ist leider nicht selbstverständlich, dass sie Eltern mit aufnehmen. Mein Lütter musste mit knapp eineinhalb operiert werden, längere Sache, aber hier am Ort (obwohl riesiges Uniklinikum) nehmen sie nur Eltern von Säuglingen mit auf. Ich bin dann mit ihm in eine andere Uniklinik gefahren, wo's ging, und das war gut so, zumal es Komplikationen gab und wir dann richtig lange bleiben mussten. Ätzend. Aber egal, vorbei, und er selbst kann sich an die Sache gar nicht mehr erinnern - ein Segen. ;)
 

canseven

Member
AW: Frage an türkische Eltern

Ich glaube, dass liegt daran, dass Türken ein seeehr ausgeprägtes (übersteigert würde der ein oder andere wohl sagen) Sicherheits/Beschütz-bedürfnis haben, und auch irgendwie (auch wenns nicht auf alle Dinge bezogen real ist) das Bedürfnis haben, alles ganz sorgfältig und wie soll ich sagen, kümmernd zu machen, damit bloss nichts passiert was irgendwann mal irgendwie negativ werden könnte.
Beispiele:
Das Fenster darf nicht aufgemacht werden, damit keine Verbrecher reinkommen.
Die Wohnung, der Bus, muss ganz doll warm sein, damit man sich nicht erkältet. Man erkältet sich dann zwar von der trockenen Luft...
Man darf sich kaum auf den Boden setzen, um sich nicht zu erkälten oder die Klamotten nicht dreckig werden (Picknick geht aber, aber natürlich auf der Decke sitzend. Sofort Alarm, wenn man mit einer Po-Backe auf der Erde sitzt).
Dafür haben wir aber als wir kein Hotel mehr bekamen am Strand geschlafen. Allerdings natürlich mein Onkel mit meiner Tante und Kusine im Auto, mein Kusin und ich verschlungen auf dem Strand unter einer Decke. Nix Dusche.
Bin ja kein Koch-Experte, aber es gibt glaub ich nichts, was nicht gewaschen wird.
Zucker und Salz wohl nicht.
Und natürlich darf man auch nichts essen was zu Hause (!) auf den Boden gefallen ist, weil man Krankheiten kriegen kann. Wohlgemerkt Wohnungen, in denen natürlich keine Schuhe getragen werden. Die Krankheits/Drecks-gefahr würde natürlich auch sofort einsetzen wenn man mit seinem Schuh einen Schritt vom Flur weg auf den Teppich machen würde. Strenge, viele Regeln halt!
Die Oma hätte zu Hause auch mal ganz gern mehr frische Luft, hat aber selbst wieder Angst, dass der Enkel sich erkältet, weil er schwitzend vom Jogging kommt.
"Kuzum, was hast du gemacht, dus chwitzt ja! Du wirst krank!"
Neulich sprach ich mit einem Mann, der mit seiner Familie einen Döner-Imbiss betreibt.
Der will den gut laufend Laden abgeben und lieber einen Getränke-Markt machen weil man da nicht 6 oder 7 Tage arbeiten müsse.
Seine Frau arbeitet auch in dem Laden und er hat sogar einen Angestellten.
Auf meine Frage hin, ob er da nicht mal einen Tag frei machen könnte, meinte er sowas wie:
"Ja, aber die Kunden erwarten, dass er da sei (nur dann ist es für sie perfekt aus seiner Sicht), und was wenn mal was passiert".
Andererseits kann man noch von Mitvierzigern hören wie die Mütter ihrer Eltern-Generation in der Türkei noch die Kinder am Wegrand auf dem Weg von der Feld-Arbeit geboren haben, weil es ja eigentlich ein Unding ist, die Arbeit zu verlassen. Sprich: Unmöglich, dass noch jemand mitgeht und hilft.
Harte Regeln!
Vielleicht ist der Sprung von "damals" zu heute sehr schnell verlaufen. Man hat noch die Erinerrung (unterbewusst) an die Zeiten, wo die Mütter oder Kinder dabei starben.
Und ist deswegen noch so auf Sicherheit getrimmt.
Meine Verwandten bestätigen mir, dass wahrscheinlich weil früher viele Kinder gestorben sind, diese so behütet werden bis sie zur Schule gehen.
Also: Lauf nicht so schnell, düsersin! Gel buraya! Aman, dikkat et!.
Mich wundert immer wieder, dass sie motorisch trotzdem ganz fit sind. Meine Kusine sagt, dass sie eben dann alles machen, wenn sich in die Schule gehen, und damit den Behüter-Augen etwas entfleuchen.
Ist schon nen sonderbares Volk manchmal. Mutig, ängstlich zugleich. Melancholisch und pragmatisch. Einfach nen bisschen anders und durchgeknallt.
Natürlich liebenswert :)
Aber so ganz real sind sie eben nicht in all diesen Aspekten, wenn man z.B. bedenkt, wie oft die türkischen Landsleute ihre Kleinkinder im Auto vorne auf dem Schoss hatten.
Naja, vom Pferd auf Auto in kürzester Zeit.
Ein grosser Konsens an Regeln etc. und dann doch wieder nicht. Auf jeden Fall meine ich mit kaum einem anderen Volk zu vergleichen.
 
R

rebel

Guest
AW: Frage an türkische Eltern

Zitat von Anouk:
Vielleicht sollte ich noch ergänzen, dass beide Kinder zum ersten Mal ohne ihre Eltern verreist waren - was (zumindest aus meiner Sicht) solche Heimweh-Anfälle erklärt. Und bei Zehn-/Elfjährigen kommt's mir irgendwie relativ spät vor, sie zum ersten Mal von daheim loszulassen... Oder sehe ich das einfach zu, tja, locker? Liberal?

ich zweifel grade ziemlich an meiner erziehung, ich dachte immer ich wär nicht sonderlich konservativ erzogen worden, aber ich bin auch erst das erste mal woanders geschlafen als ich 11 war, also bei meiner ersten klassenfahrt. ist das denn nicht normal?
 

ali

New Member
AW: Frage an türkische Eltern

also ich habe selbst zwei kinder im alter von 14 und 13 jahren. beide waren schon mehfach mit ihren Klassen auf Klassenfahrt, Skifahren, Tennisreise und Fußballtrainingslager.
Der beste Freund meines Sohnes Alexander (deutscher) wurde am ersten Abend eines Tennisurlaubes durch seine Eltern in Kroatien abgeholgt da er auch Heimweh hatte. Das war mit 12 Jahren. Aus Erzählungen meines Sohnes weiss ich, da durchaus einige Kinder meist Jungs Heimweh hatten. Diese waren nicht Türken!

Meinen erfahrungen nach ist dieses Thema kein türkisches.... Manche Kinder haben einfach mal Heimweh, das ist alles.

Aber andererseits kann ich zu diesem Thema bestätigen, das türkische Eltern oftmals nicht in der Lage sind Ihre Kinder selbstständig zu erziehen. Den türkischen Kindern wird die selbstständig meist nur sehr spät oder gar nicht beigebracht. Ihnen wird das leben sehr gemütlich gestaltet und sie müssen sich um nichts kümmern. Großer Vorteil der türkischen Erziehung ist oftmals das die Liebe und und zugehörigkeitsgefühl stärker vedrmittelt werden. Die Bereitschaft in der Familie für die anderen einzustehen ist stärker als bei beispielsweise bei den deutschen.

Aber mit zunehmender Zeit werden wir immer mehr die deutsche/moderne Lebensweise annehmen. Wenn auch die deutschen sich das eine oder andere bei uns abschauen könnten würde wohl ein guter Mittelweg gefunden werden ...... nur spass..... die europäischen werte kann man doch nicht für türkische aufgeben oder!?
 
A

Anouk

Guest
AW: Frage an türkische Eltern

Zitat von rebel:
ich zweifel grade ziemlich an meiner erziehung, ich dachte immer ich wär nicht sonderlich konservativ erzogen worden, aber ich bin auch erst das erste mal woanders geschlafen als ich 11 war, also bei meiner ersten klassenfahrt. ist das denn nicht normal?

Doch, wenn es bei Dir so war, ist das eben normal gewesen. Das Lustige ist: ich staune gerade über meine Erziehung, die offenbar nicht so streng war, wie ich immer geglaubt habe.. ;) Zwar gab es eine ellenlange Liste von Dingen, die wir Kinder nicht durften (Neuerungen musste ich immer als Älteste durchboxen, nervig!), gute Umgangsformen inlusive Knicks und Diener, wenn Besuch kam, waren schwerstens erwünscht (und wehe, wenn nicht!) - aber wir durften durchaus bei Schulfreundinnen übernachten, und die, umgekehrt, auch bei uns. Das war so mit sieben oder acht Jahren, wenn ich es richtig erinnere, und das war immer klasse. Aber mit neun wurde ich das erste Mal zu Leuten geschickt, die ich nicht kannte und auch nicht mochte, zusammen mit meiner Schwester. Das fand ich ganz schrecklich und hatte ein paar Tage lang furchtbares Heimweh, aber zum Glück war meine Schwester dabei, und ihr ging es genau so. Wir haben uns dann gegenseitig getröstet.
Die erste Klassenfahrt fand später statt, auch mit elf. Das war aber okay.

Inzwischen hat sich aber doch eine Menge geändert, nach vorne verschoben. Ich kann nur sagen, wie ich's in meinem Umfeld erlebt habe, aber jede, buchstäblich jede Kita, die auf sich hält, veranstaltet Übernachtungsparties mit den Kindern, bevor sie eingeschult werden. Oder sie fahren ein Wochenende gemeinsam in irgendein Dorf in der nahen Umgebung, auch das gibt es. Alles freiwillig, klar, aber die meisten Kinder nehmen daran teil und sind ganz heiß darauf, mitzufahren.
Die erste Klassenfahrt steht dann in der Grundschule an, in der dritten oder vierten Klasse (bei meinem Sohn war's beispielsweise die 4.). Natürlich muss man ein Kind da nicht mitschicken, aber dann muss es den Unterricht in einer anderen Klasse besuchen, und seitens der Schulen wird das nicht sonderlich gerne gesehen. Wenn Eltern zum Beispiel, was durchaus vorkommt, die Kosten für Fahrt nicht aufbringen können, springen z.B. Schulvereine in die Bresche.
In der 5. Klasse, also nach dem Wechsel auf die weiterführende Schule, gibt's dann wieder 'ne Klassenfahrt, oft schon in den ersten Wochen nach Schulbeginn, damit sich die Kids (so die offizielle Begründung) aneinander gewöhnen und die Klassengemeinschaft gestärkt wird.

Man kann das für sehr früh halten oder auch nicht, aber wenn ich mir andere Länder betrachte, wo Kinder (wie zum Beispiel in Frankreich oder auch England oder auch in der Ex-DDR) teils noch sehr viel früher und intensiver in die Obhut anderer Menschen gegeben werden oder wurden, finde ich das noch vergleichsweise moderat. Im Übrigen glaube ich, wie gesagt, nicht, dass es Kindern schadet. Natürlich wäre die Erziehung in der Familie das Optimum, der wünschenswerte Zustand, auch glaube ich, dass Kinder von den Strukturen einer Großfamilie ungeheuer profitieren können. Aber wo, bitteschön, ist das zumindest in durchschnittlichen deutschen Familien noch der Fall ?! Die Anzahl von Kindern liegt durchschnittlich bei 1,3, wenn ich's richtig im Kopf habe.

Mein Sohn ist ein Einzelkind, leider, ich fand das immer sehr schade, zumal ich mit Geschwistern aufwuchs, die ich auch heute noch sehr liebe. Aber es hat sich eben so ergeben. Mir persönlich ging's einfach immer darum, meinem Kind über die Bindung zu mir hinaus Kontakte zu anderen Menschen zu ermöglichen, vor allem auch Gleichaltrigen. Das finde ich einfach wichtig. Und ich verknüpfe damit die Hoffnung, dass seine Kinder-Freundschaften ihm in gewisser Weise die Geschwister ersetzen, die er nun mal nicht hat. Jedenfalls nicht bei mir. (Er hat, durch seinen leiblichen Vater, eine sehr viel jüngere Halb-Schwester; sie wohnen aber im Ausland und sehen sich nur in den Ferien. Mein Sohn kann mit ihr wegen des enormen Altersunterschieds zurzeit auch nicht so viel anfangen, die altersgemäßen Interessen sind halt sehr, sehr verschieden.)

Back to topic: Was ich weiter oben geschrieben habe, erklärt vielleicht meine Auffassung. Und, zusätzlich: Ich finde, man sollte auch nicht vergessen, dass es einfach eine Frage der jeweiligen kulturellen Gewohnheiten ist, ab wann man Kindern erlaubt, z.B. außer Haus zu nächtigen.

Ich kann Zerds Eingangs-These verflixt gut verstehen, einerseits, aber andererseits sehe ich sehr genau, dass es auch andere Methoden der Erziehung gibt, durchaus Möglichkeiten, Kinder (quasi kontrolliert) an der langen Leine laufen zu lassen - und ein Auge darauf zu haben, ob es ihnen gut geht damit. Wenn es ihnen gut geht, wenn sie sich wohlfühlen - why not? Der springende Punkt ist, glaube ich, wie Eltern selbst dazu stehen! Wenn man beständig nur liberal tut und sagt "ja, ja, mach nur, wenn du es für richtig hältst" - und gleichzeitig non-verbal vermittelt, dass das exakt so ziemlich das Letzte ist, was man sich tatsächlich wünscht, gibt's nur Verwirrung. Übrigens überall, auch in erwachsenen Beziehungen.

Kurzum, ganz platt und subjektiv: wenn ich meinem Sohn gestatte, an einer Klassenfahrt teilzunehmen (was selbstverständlich ist, wenn er das will), muss ich auch dahinterstehen. Muss ich ihm auch mit meinem Verhalten, meiner Haltung (in diesem Fall als Mutter) "erlauben", Spaß zu haben dabei. Wenn ich die Sache halbherzig angehe und Ja sage nur um des (Familien-)Friedens willen, in Wahrheit aber nicht dahinterstehe, wird ein Kind mit allen ihm zur Verfügung stehenden Sensoren sofort schnallen, was in Wahrheit erwünscht ist: zu Hause bleiben, bei Mami und/oder Papi bleiben, bloß nix tun, was den Familienfrieden, den inneren Frieden, aufs Spiel setzt. Sehr begreiflich. Absolut nachvollziehbar, emotional. Und deswegen, gewagte These, glaube ich, dass die beiden Jungs sich bei dieser Klassenfahrt - verständlicherweise - nur für ihre Familie und deren Ängste entschieden haben -- auch wenn es nach außen so wirkte, als sei alles geklärt. Und die Eltern haben gemäß ihren Ängsten gehandelt, weil das in Wahrheit ihren Wünschen entsprach. Mit etwas mehr Gelassenheit hätte man doch einfach erstmal versucht, mit der Lehrerin zu telefonieren und die Chose zu klären? Oder?

Ich finde Rasims Einwand jedenfalls sehr, sehr berechtigt: Dass die Eltern sich vielleicht sehr allein gefühlt haben und (mein Gedanke dazu) vielleicht auch gar kein oder nicht ausreichend Vertrauen in deutsche Schulinstititutionen gesetzt haben.

Aber das sind nur mein Gedanken dazu. - Irre viel geschrieben, sorry, aber das Thema beschäftigte mich. - ;)

lg
anouk
 

ra-sim

New Member
AW: Frage an türkische Eltern

eigentlich haben sie das vertrauen schon indem moment verloren als sie merkten dass die Türkei wie billiges Vieh "ausgesetzt" hat. Niemand hat sich um diese Menschen gekümmert.
Das Italienische Konsulat z.b. erteilt italienisch kurse für Kinder. Sowas gab und gibt es bei und Türken nicht! SCHADE!..
Diese Türken wurden sozusagen von der "Familie" einfach ausgesetzt...
 
A

Anouk

Guest
AW: Frage an türkische Eltern

Hhmmm... Rasim, ganz so ist es nicht. Zumindest die Väter (das kann ich beurteilen) sprechen einigermaßen gut Deutsch. Und die Jungs so gut, dass sie dem Unterricht an einem Gymnasium (lise) völlig gewachsen sind - teilweise besser als gleichaltrige deutsche Kinder.
Ich verstehe aber, was Du meinst. Sprachkurse sind wichtig!, absolut!, aber in diesem speziellen Fall zielt es, zumindest, was diese Kinder betrifft, am Kern der Sache vorbei.

ps An Sprachkursen für Migranten hat's allgemein leider schon immer gehapert. Mal gab's mehr, mal weniger, mal gar keine Angebote.. sehr unterschiedlich. Insgesamt nicht sehr befriedigend.
 
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