Ist die Republik Türkei mittelbar bedroht?

EnRetard

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In der von mir zitierten Passage heißt es:

Griechische Inseln, die nah an der türkischen Küste liegen, verringern also die türkische AWZ enorm. Die Türkei erklärt, dass Inseln keine AWZ haben und sieht ihre Gasforschungen daher als legitim an. Das Seerechtsabkommen hat sie aber nie unterschrieben, wie etwa auch die USA.

D. h. nach meinem Verständnis, dass ein Seerechtsabkommen entwickelt werden müsste, das auch die Türkei unterschreiben kann. Andernfalls handelt es sich um einseitige griechische Interessen. Wir haben es mit einem äußerst schwierigen türkisch griechischen Grenzverlauf im Mittelmeer zu tun. Beide Seiten haben berechtigte Interessen, nicht über den Leisten gezogen zu werden. Die türkischen Interessen sind nicht weniger "legitim" als die griechischen. Das gilt im übrigen bei allen Grenzstreitigkeiten, weshalb ja auch die meisten Kriege geführt werden, um Grenzen entweder zu halten oder neu festzulegen.

Es gibt ein internationales Seerechtsabkommen, das zwar fast alle Länder der Welt, aber die Türkei nicht unterzeichnet haben, weil es ihr nicht in den Kram passte. Der Grenzverlauf mit GR ist eine Folge des Lausanner Abkommens, das in vielen anderen Punkten für die Türkei äußerst vorteilhaft ausging. Was jetzt abläuft ist Rosinenpickerei und Kanonenbootpolitik.
 

Burebista

Well-Known Member
Jeder ist sicher: hätten die Türken die Inseln im Besitz, hätten sie den Seerechtsabkommen unterschrieben.
Die Quelle des Problems ist, wie @EnRetard schrieb: der Vertrag von Lausanne, den die Türken nicht mehr anerkennen wollen. Und dann den späteren Vertrag, bezüglich die ehemaligen italienischen Inseln. Also, Türkei meint, dass es legitim sei, all diese Verträge zunichte zu machen. Dann würde sicher die TR auch den Seerechtsabkommen unterschreiben.
Aber diese Politik finde ich imperialistisch.
Ich finde nicht, dass es legitim sein kann, im eigenen Interesse die Grenzen, welche durch internationale Verträge festgelegt wurden, verschieben zu wollen.
Wenn zwischen einer bewohnten griechischen Insel und dem türkischen Kontinent 2 Km sind, dann müsste jeder Staat 1 Km. haben und nicht einer davon 322 km.
Ja, es gibt auch die Möglichkeit zum internationalen Gerichtshof zu gehen. Das haben Rumänien und die Ukraine gemacht, und zwar um die kleine unbewohnte Schlangeninsel aus dem Schwarzen Meer, wo es auch Bodenschätze gibt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlangeninsel

Off. Der, die das. Das Abkommen und nicht der Abkommen.
Es tut mir leid, dass ich das oben geschrieben habe, aber ich musste es schreiben.
Der Vertrag von Lausanne ist nicht wie eine Ware zum verhandeln. Es wurde tapfer erkämpft (und daher habe ich auch Respekt am 30. August), unterschrieben und fertig.
Trotzdem wurde er später innerhalb der Türkei nicht respektiert. Denn die Griechen aus Istanbul hätten dort weiter bleiben dürfen. Aber die wurden weggejagt, in Nacht und Nebel Aktionen. Was mit den Türken aus Thrakien nicht geschah.
Jetzt will die türkische Regierung eine weite Meereszone, über die bewohnten griechischen Inseln, also über griechisches Territorium? Etwa im Vertrag mit einer lybischen Partei? Das kann sich Griechenland nicht erlauben. Falls die EU das erlaubt, dann bringt sich die EU um.

PS. ich verstehe nicht, wie @Mendelssohn das alles als legitim bezeichnen kann. Vielleicht verstehe ich etwas hier nicht und bin also falsch...

Edit. Muss noch hinzufügen, dass ich bis jetzt nie auf einer griechischen Insel Urlaub gemacht habe. Wollte mein Geld besser in der Türkei abgeben. Nun soll ich besser nach Griechenland? Es ist aber Corona, also bleibe ich daheim.
 
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Mendelssohn

Well-Known Member
Was jetzt abläuft ist Rosinenpickerei und Kanonenbootpolitik.
Ich glaube nicht, dass es um Rosinen, sondern um die Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Mittelmeer geht. Vom umweltpolitischen Standpunkt aus betrachtet, ist es völlig unerheblich, welches Land mit welchem Typ Bohrer den Meeresgrund aufreißt und für eine zusätzliche Verseuchung in einer bis dahin recht sauberen Ecke des Mittelmeers sorgt.
Wenn die Grundlage der gesamten Diskussion hier ein Vertrag sein sollte, der knapp hundert Jahre alt ist, dann möchte ich daran erinnern, dass inzwischen mehrere Epochen über den Vertrag hinweggefegt sind, Zypern 1923 noch türkisch war (erst ab 1925 war Zypern britische Kronkolonie) und schließlich, dass Verträge entweder aktualisiert oder hinfällig werden, weil die Geschichte einfach über sie hinwegrollt. Das ist nicht nur im Fall im jahrtausendewährenden griechisch türkischen Grenzkonflikt, sondern kann in der ganzen Welt beobachtet werden.
Wenn die Erdoganregierung als international anerkannte Nachfolgeregierung einen hundertjährigen Vertrag auf Grund verschiedener Vertragsbrüche z. B. seitens UK in Frage stellt, dann halte ich das nach wie vor für legitim in Zeiten, in denen Verträge oft eine kürzere Dauer haben, als die Tinte braucht, um zu trocknen.
Zum Nachlesen bei Wiki:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zypern#Osmanische_und_britische_Herrschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Lausanne#Nachwirkung
 

EnRetard

Well-Known Member
Zu Zypern:

"Die Türkei stimmte nachträglich der bereits am 5. November 1914 proklamiertenAnnexionZyperns durch Großbritannien zu, bis zu dieser Zustimmung hatte Zypern formal noch zur Türkei gehört."
Aha.


Die arme Türkei kam an anderer Stelle gut weg:

"Laut Vertrag erhielt die Türkei Ost- und Südostanatolien (Ostanatolien war im Vertrag von Sèvres für Armenien vorgesehen gewesen), Ostthrakien (seitdem der europäische Teil der Türkei) sowie Izmir(griechisch Smyrna)." Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Lausanne#Inhalt_des_Vertrages
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Das meine ich mit Rosinenpickerei.
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Vom umweltpolitischen Standpunkt aus betrachtet, ist es völlig unerheblich, welches Land mit welchem Typ Bohrer den Meeresgrund aufreißt und für eine zusätzliche Verseuchung in einer bis dahin recht sauberen Ecke des Mittelmeers sorgt.
Vom Umwelt-Standpunkt wäre es besser, die Bodenschätze blieben unter dem Meeresgrund. Vielleicht kommt es ja durch die Streitereien dazu, dass es erstmal so kommt. Allerdings ist - vom Umweltstandpunkt - zu befürchten, dass eine spätere türkische Regierung und eine spätere griechische Regierung die Bodenschätze aufteilen.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Vom Umwelt-Standpunkt wäre es besser, die Bodenschätze blieben unter dem Meeresgrund. Vielleicht kommt es ja durch die Streitereien dazu, dass es erstmal so kommt. Allerdings ist - vom Umweltstandpunkt - zu befürchten, dass eine spätere türkische Regierung und eine spätere griechische Regierung die Bodenschätze aufteilen.
Es sei denn, Türken und Griechen gründen sowas wie die türkisch-griechische Freundschaft und suchen nach Wegen alternativer Energie und schonender Nutzung der Ressourcen. Die EU könnte dabei vielleicht helfen. Braunkohleabbau, Erdölbohrung usw. haben ihren Zenit überschritten. Uns allen wird nichts anderes übrigbleiben, als im großen Ganzen zu denken. Wenn die Türkei überleben will, dann nur mit Europa. Wenn Europa überleben will, dann nur mit Russland und den USA, und wenn die Großen überleben wollen, dann nur als Weltgemeinschaft. Sonst löscht sich die Menschheit aus. Was hier und heute passiert - Trump et al, Vernichtung des Regenwalds, Abschmelzen der Gletscher und Pole, atomare Aufrüstung, Flüchtlingsströme und hunderte regionaler Kriege mit sehr scharfen Waffen aus den führenden Industrienationen - ist ein Endzeitszenarium.
 

sommersonne

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Solange es Geld zu verdienen gibt und Macht zu verteilen, so lange wird Mendelssohns Vorschlag Utopie bleiben. Nicht einmal alle derjenigen, die weder Geld noch Macht haben, begreifen so eine einfache Sache wie was Klimawandel für die Menschheit bedeutet und laufen lieber Scharlatanen hinterher.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Wer hätte anno 45 an die deutsch-französische Freundschaft gedacht? Es gibt manche Erbfeinde, die sich versöhnt haben. Zahlreiche Städtepartnerschaften, bilaterale Partnerschaftsvereine universitäre Kooperationen usw. sprechen dafür. Ich habe zwar auf den ersten googel- Seiten keinen griechische türkischen Verein gefunden, aber immerhin dies hier:
http://www.dtf-stuttgart.de/projekte/kunst-kultur/interkulturelles/griechisch-tuerkischer-abend.html

Ein weiterer Grund für wesentlich verbesserte griechisch türkische Beziehungen dürfte sein, dass beide Länder wirtschaftlich profitieren würden. Ziemlich offene Grenzen innerhalb der alten EWG haben der Bundesrepublik jedenfalls ihren wirtschaftlichen Aufstieg trotz großer Kriegsschuldenlast ermöglicht. Es gibt viele Gründe für eine Aussöhnung zwischen Griechenland und der Türkei. Dass Erdogan vielleicht nicht der einfachste Verhandlungspartner im notwendigen Versöhnungsprozess auf türkischer Seite ist, bedeutet aber nicht, die griechische Seite von Zugeständnissen zu entbinden, nur weil sie in der EU ist. Beide Seiten sind im gleichen Umfang gefordert. Dabei bleibe ich.
 
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