lieber Zerd

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Pitane

Gesperrt
Fourier/Herrmann analysier(t)en die Verhältnisse ihrer Zeit sehr gut. Das ist selbst unter den miserabelsten gesellschaftlichen Verhältnissen Voraussetzung für die Frage nach alternativen Realitäten in Form von Verbesserungsvorschlägen oder Zukunftsprognosen. Insofern ist jeder Wissenschaftler, Zukunftsforscher oder Mitarbeiter in einem Think Tank ein Träumer, was nicht heisst, dass sie keine Realisten sind.
Ich glaube übrigens, Du bist es eher, der mit der gegenwärtigen Realität bzw. den schlechten Aussichten nicht klarkommt und weil das so ist, schlägst Du verbal um Dich.

nein ich komme mit meinem Umfeld überhaupt nicht klar und hadere stündlich mit meinem Schicksal. Es ist so ungerecht auf dieser Welt, ich hoffe auch für mich, dass Eure Träume wahr werden, das alle lieb zueinander sind und die Vermögen gleichmäßig verteilt werden.
 
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Pit 63

Guest
nein ich komme mit meinem Umfeld überhaupt nicht klar und hadere stündlich mit meinem Schicksal. Es ist so ungerecht auf dieser Welt, ich hoffe auch für mich, dass Eure Träume wahr werden, das alle lieb zueinander sind und die Vermögen gleichmäßig verteilt werden.
Ich sagte nicht, dass Du mit Deinem Umfeld nicht klarkommst und stündlich mit dem Schicksal haderst aber ich vermute, dass Du Angst vor der Zukunft hast, Angst um Deinen bescheidenen Wohlstand. Die Angst ist berechtigt. Du ziehst nur die falschen Schlüsse daraus bzw. glaubst den Geschichten der falschen Leute. Wenn Du den Anspruch hast, Realist zu sein, beleuchte die Hintergründe des Polit- und Medienspektakels und der Geschäftswelt, dann wird Dir einiges klar und Du wirst Dich ebenfalls fragen, wie man die Verhältnisse zum Besseren ändern könnte. Und jetzt sag mir nicht, dass Du den Mittelstandsschwund und die fortlaufende Umverteilung des erwirtschafteten Wohlstands von unten nach oben für gerecht hältst. MaW: Eine gerechtere Vereilung wäre schon in Deinem eigenen existenziellen Ineresse sinnvoll. Ist das realistisch genug?
Eine psychologische Methode der Massenmanipulation zwecks Machterhalt ist übrigens seit jeher die Verunglimpfung von Kritikern des gesellschaftlichen status quo als unrealistische Träumer, Spinner usw. Du tust Dir keinen Gefallen damit, wenn Du in dieses Horn stösst, sondern unterstützt nur diejenigen, denen Du und Dein bescheidener Wohlstand am Arsch vorbei geht und die dafür sorgen, dass Du ihn wieder verlierst.
 

Zerd

Well-Known Member
Majnomon, lass uns ein wenig bei der Liebe verweilen, ich halte sie auch für ein ganz starkes und elementares Motiv sowohl für die individuelle als auch die kollektive kulturelle Entwicklung des Menschen.

Ohne mich jetzt eingehender damit beschäftigt zu haben, haben mich einige von Fouriers Thesen, die Du hier in die Runde geworfen hast, an die 68er und die Flower-Power-Generation erinnert. Siehst Du da auch Parallelen oder wo würdest Du die grundlegenden Unterschiede sehen?

Und wenn es da tatsächlich Parallelen gibt, dann würde ich dahingehend weiter überlegen wollen, warum hat das damals nicht gehalten, warum hat es keine Verbreitung gefunden?

Nicht nur das! Für mein Dafürhalten sind die 68er ab Ende der 70er in zwei große Gruppen zerfallen. Aus der einen gingen in den achtzigern die Yuppies hervor (oder ihre Nachkommen, die Generation Golf), die den Neoliberalismus damals erst so richtig ins Rollen brachten. Und die andere Gruppe waren die Friedensbewegten, die sich bei den Grünen zusammenfanden, zunächst ebenfalls in 2 Gruppen, den eher gesetzten bürgerlichen Realos und den alternativen eher anarchistischen Fundis, wobei die Letzteren spätestens Anfang der Neunziger von einer Dampfwalze namens Fischer überrollt und plattgemacht wurden, sodass sich die Grünen zuletzt sogar zu der Partei entwickeln konnten, die den ersten Kriegseinsatz einer deutschen Armee seit dem 2. Weltkrieg beschlossen hat. Welch eine Karriere innerhalb von drei Jahrzehnten von Make Love-Not War zur Kriegspartei!?

Siehst Du da irgendwelche Zusammenhänge und wenn ja, wie könnte zukünftig ausgeschlossen werden, dass sich eine solche "Liebesbewegung" innerhalb kürzester Zeit in ihr Gegenteil verkehrt?
 

Majnomon

Well-Known Member
Kurz und knapp würde ich sagen, dass die Zeit noch nicht reif war... doch meine ich, dass die "sexuelle Revolution" wichtige Vorarbeit geleistet hat.

Wirklich befreit lieben zu können erfordert die Bereitschaft, die eigenenen aus alten Verletzungen stammenden Eitelkeiten und Egoismen Stück für Stück hinter sich zu lassen. Individuell wie kollektiv. Daran krankt(e) meines Erachtens auch der Feminismus.

Bei den politisierten 68ern fehlte meist die geistig-spirituelle Ausrichtung, bei den schwärmerischen Hippies die Bodenhaftung. Und die konservativen bzw. reaktionären Gegenkräfte waren noch zu übermächtig.

Liebe lässt sich nicht erzwingen.
 

Majnomon

Well-Known Member
http://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/die-polyamorie-kommt-1.18583607


"Die Polyamorie kommt!

Ein neues Liebesuniversum erwartet uns. Die monogame Zweierbindung wird da nur noch ein Schattendasein fristen. Neue Beziehungsformen locken.


Polyamorie wird das nächste grosse Ding. In Zukunft werden wir «in Netzwerken lieben» und könnten «Gruppenehen» eingehen. Sie halten diese Begriffe für Monde des Planeten Pluto? Kommt hin: Es ist das neue Liebesuniversum. Und wir befinden uns bereits mittendrin.[...]"
 

Zerd

Well-Known Member
Sorry, aber mit Liebe hat das in meinen Augen nicht sonderlich viel zu tun. Der passendere Begriff wäre wohl Lust, wobei ich mich frage, ob von der bei dem Mass an Beliebigkeit auch noch viel übrigbleibt.

Und auf keinen Fall kann es für mich ein alternatives kulturelles Konzept sein, aus mehreren Perspektiven nicht. Zunächst liegt es ganz im Trend des neoliberalen Weltbilds; was hier geschieht, ist das Umsetzen neoliberaler Prinzipien in zwischenmenschliche Beziehungen: maximaler Profit bei minimalem Aufwand, immer die kurzfristige 3-Monatsbilanz vor Augen fern jeglicher Nachhaltigkeit, Kultivierung der Konsumkultur, bei der Menschen und Beziehungen einfach konsumiert werden, usw. Die Währung hierbei sind eben nicht Dollar und Euro, sondern Körpersäfte, Hormone und ausgeschüttete Transmitter.

Weil das eben bei den 68ern auch ganz ähnlich gewesen ist, wo die sexuelle Befreiung in eine um sich greifende Beliebigkeit und Lustoffensive umgeschlagen ist, hat sich das damals eben auch nicht halten können und ist schon recht bald in sein vermeintliches Gegenteil umgeschlagen.

Wenn ich von kultureller Neuorientierung rede, dann schwebt mit vor, dass das Leben des Menschen, sein Denken und Handeln, wieder einen Sinn macht über die eigene Nasenspitze und über recht kurze Binnenrationalitäten hinaus. Dazu braucht es aber einen stabilen tragfähigen äusseren Rahmen, da nur dieser dem Einzelnen eine übergeordnete Bedeutung und Sinn verleiht.

Schon vor 130 Jahren hat Nietzsche festgestellt, dass reines Vernunftdenken ohne diesen irrationalen Rahmen, und zwar ganz gleich, auf welche Begrifflichkeiten es sich stützt, früher oder später zwangsläufig in Nihilismus münden muss. Und was wir seitdem erlebt haben ist im gewissen Sinne nichts anderes als eine eindrucksvolle Bestätigung dieser These in nahezu allen Lebensbereichen.

Für Pits Katastrophenszenario sprechen durchaus einige Gründe, vor allem, dass wir mittlerweile so viele sind und ungebremst weiter wachsen und natürlich der Umstand, dass Menschen selten etwas grundlegendes ändern, wenn sie keinen konkreten Bedarf und Anlass dazu haben. Wir mögen zwar einen solchen jetzt schon erkennen, aber es ist offensichtlich, dass die meisten das nicht tun und selbst die, die einen solchen Bedarf sehen, doch recht ratlos sind vor dieser Situation, da der Einzelne kaum etwas bewirken kann.

Andererseits hat er aber selbst schon einen der Gründe dafür angedeutet, weshalb es nicht unbedingt so kommen muss: die Werte und damit auch die Macht, die sich innerhalb dieses Systems auf ihnen gründet, sind in steigendem Maße von künstlicher flüchtiger Natur. Viele von denen, die heute noch mit ihrem Vermögen riesige Yachten anschaffen und eine kleine Armee betreiben könnten, stünden bei einem Zusammenbruch des Systems ziemlich hilflos da, kaum zu unterscheiden von den vielen Leuten, die zunächst einmal ihre Arbeit und ihr Auskommen verlieren würden. Wenn das System selbst schon brökelt, dann braucht es vielleicht erst gar keinen Verteilungskampf, weil der nur solange Sinn macht, solange die Macht an ganz reale Werte geknüpft ist, also das System letztendlich noch steht.

Meine zeitweiligen und unausgereiften Gedankenspielereien im Hinblick einer kulturellen Neuorientierung gehen eher in Richtung von temporär oder auch lokal begrenzter Dogmen, die schon einen weitgehend vernunftzentrierten Aufbau haben, aber eben auch aus bloßer Notwendigkeit im Hinblick auf Sinngebung diesen irrationalen Rahmen. Ich bin eben grundsätzlich ein sehr kopflastiger Mensch, deshalb erhoffe ich mir vor allem neue Seinsweisen durch neue Sichtweisen und Wertigkeiten, bspw. indem die Nachhaltigkeit wieder eine größere Bedeutung gewinnt, die Gerechtigkeit oder auch die Arbeit. Im Zwischenmenschlichen erhoffe ich mir auch eine Renaissance der Liebe, aber eben nicht durch mehr Freiheit und Beliebigkeit und Abwechslung, sondern ganz im Gegenteil durch mehr Beständigkeit und Intensität, durchaus auch mehr Beziehungsarbeit. Ich erwarte eine Art Evolutionssprung im Denken und Begriffsvermögen der Menschen in dem Sinne, dass sie die Wandelbarkeit und Flexibilität der Anschauung, die sie jetzt schon abschnittsweise leben, auch in ihr Weltbild und Denken fest integrieren und verankern können. Damit ist etwa gemeint, dass Menschen ganz fest an eine Vorstellung (meinetwegen auch eine dogmatische) glauben und von ihr überzeugt sein können, aber begreifen und sich damit arrangieren, dass das für einen Mitmenschen möglicherweise mit einer ganz anderen Vorstellung genauso sein kann. Daraus könnte dann so etwas wie eine polyreale Sichtweise kultiviert werden, in der die Menschen mehrere Vorstellungswelten nebeneinander und ineinander leben, die Dinge also nicht nur auf eine ganz bestimmte Weise gesehen werden müssen, sondern gleich in vielfältiger Weise.

Aus dieser Aufzählung erkennt man schon, dass diese Ideen und Vorstellungen alles andere als aufgereift sind. Aber immerhin, einiges davon praktiziere ich schon seit langer Zeit und mache durchaus gute Erfahrungen damit, sodass es mir möglich scheint, auf Basis solcher Prinzipien ein erfülltes ausgeglichenes Leben zu führen, ohne alles mögliche in seinem Leben innerhalb kürzester Zeit verbrauchen und konsumieren zu müssen und ohne in Apathie und Lethargie zu verfallen, wenn man nicht gerade die richtigen Psychopharmaka zur Hand hat.
 
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Pit 63

Guest
Viele von denen, die heute noch mit ihrem Vermögen riesige Yachten anschaffen und eine kleine Armee betreiben könnten, stünden bei einem Zusammenbruch des Systems ziemlich hilflos da, kaum zu unterscheiden von den vielen Leuten, die zunächst einmal ihre Arbeit und ihr Auskommen verlieren würden. Wenn das System selbst schon brökelt, dann braucht es vielleicht erst gar keinen Verteilungskampf, weil der nur solange Sinn macht, solange die Macht an ganz reale Werte geknüpft ist, also das System letztendlich noch steht.
Das ist leider nicht so. Schau Dir mal die Unterehmensgeschichte an.
Die börsennotierten Konzerne gibt es fast ausnahmslos schon weit über hundert Jahre. Sie haben auch immer eng mit den Staaten zusammengearbeitet und von ihnen profitiert, auch wenn sie angeblich so wenig Staat wie möglich haben wollen. Die von ihnen abgedeckten Branchen Metall, Chemie, Pharmazie, Energie, Lebensmittel, Kfz, Finanzdienstleistungen usw. gehören zur allgemeinen Daseinsvorsorge. Die Konzerne schöpfen die gesamte Wertschöpfungskette ab und befinden sich entgegen den öffentlichen Verlautbarungen faktisch eher in einem Kartell anstatt in einem echten freien Wettbewerb. (Die gleiche Entwicklung gab es in der Informationstechnologie- Branche: Microsoft, Google, Amazon, Facebook usw, die Big Player in ihrem Bereich, der Rest ist Peripherie oder wird gekauft)
Die Aktien befinden sich schwerpunktmässig in den Händen der superreichen Investoren und Kapitaleigner.
Durch die etablierten Netzwerke haben diese Inhaber des Geldes, der vermögenswerte Rechte und Sachwerte sehr grossen Einfluss auf die Politiker und Medien. Sie sind dem Rest der Bevölkerung informationstechnisch immer zwei Schritte voraus. Oft beraten sie die Politker sogar direkt.
Im Verhältnis zum Geld- und Realwirtschaftsbestand wird ihnen stets das allermeiste gehören, sofern die Bevölkerung nicht erheblichen Druck ausübt, um das zu ändern. Solange werden sie unter allen konjunkturellen Bedingungen nach Belieben schalten und walten.
 

Zerd

Well-Known Member
Ich sehe das anders. In diesen 100 Jahren hat sich sehr viel verändert, vor allem in den letzten 30 Jahren. Die Anteile dieser Schlüsselfirmen sind mittlerweile über die ganze Welt verteilt und stecken in irgendwelchen Fonds und Portfeuilles, das sind die Besitzer, weit weit weg von den realen Werten. Und diejenigen, die direkt an den realen Werten sitzen, haben zu diesen Unternehmen einen ungefähr so starken Bezug wie zu ihrem Lieblingshemd. Wenn tatsächlich einmal dieses Wertesystem und das Bündnis mit der Politik brökeln sollte, dann sitzen die ganz schnell auf dem Trockenen. Es sind eben wirklich mehrheitlich flüchtige Werte auf dem Papier, in den meisten Fällen sogar Anleihen an die Zukunft...
 
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Pit 63

Guest
Ich sehe das anders. In diesen 100 Jahren hat sich sehr viel verändert, vor allem in den letzten 30 Jahren. Die Anteile dieser Schlüsselfirmen sind mittlerweile über die ganze Welt verteilt und stecken in irgendwelchen Fonds und Portfeuilles, das sind die Besitzer, weit weit weg von den realen Werten. Und diejenigen, die direkt an den realen Werten sitzen, haben zu diesen Unternehmen einen ungefähr so starken Bezug wie zu ihrem Lieblingshemd. Wenn tatsächlich einmal dieses Wertesystem und das Bündnis mit der Politik brökeln sollte, dann sitzen die ganz schnell auf dem Trockenen. Es sind eben wirklich mehrheitlich flüchtige Werte auf dem Papier, in den meisten Fällen sogar Anleihen an die Zukunft...
Die vermögenswerten Rechte sind alle verbrieft. Auch die Eigentumsrechte an Grund und Boden. So lange das bestehende Recht eingehalten wird, bestehen auch die etablierten Herrschaftsverhältnisse fort. Die Reichen werden sich bei Bedarf gegenseitig stützen und ihre Vermögensstände mit aller Macht und staatlicher Hilfe verteidigen. Dabei spielt es an sich auch keine Rolle, wo sich diese Werte befinden. Erst wenn der gesellschaftliche Zusammenbruch bzw. die gesellschaftliche Auflösung schon so fortgeschritten ist, dass selbst Ordnungskräfte oder Militär das Eigentum nicht mehr wirksam schützen können, kommt es zu realen Verlusten der Besitzenden. Dann ist die Gesellschaft aber über die Phase des "Bröckelns" längst hinaus. Dann befindet sie sich bereits in bürgerkriegsähnlichen oder entstaatlichten Verhältnissen wie in Mad Max. Okay, letzteres war ein übertrieben- das kommt später...
Ich glaube, solange die Bevölkerung keinen politischen Wechsel herbeiführt bzw. "erzwingt", wird alles bleiben wie bisher- bis der Kapitalismus ressourcenbedingt zerfällt.
 
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