Mendelssohn

Well-Known Member
@Bintje
Danke fürs interessante Thema.
Jetzt endlich, nach ungefähr 30 Jahren des Nachdenkens ist mir die rechtliche Logik der deutschen Kirchensteuer aufgegangen. Sie macht die Kirchen unabhängig von privaten Geldgebern und verpflichtet sie zugleich auf das bürgerliche Recht, da der Staat die Verteilung und Verwendung der Kirchensteuer kontrolliert.
DITIB ist auch eine staatliche Religionsbehörde, durch die der Staat die Kontrolle über die Finanzen und die Verwendung der finanziellen Mittel behält.
Genau diese Kontrolle durch den türkischen Staat soll nun durch die Kontrolle des deutschen Staats ersetzt werden.
Die ganze Nummer ist natürlich mit heißer Nadel gestrickt. Aus der Kirche kann man austreten, aus der DITIB wohl nicht, weil man gar nicht in sie eingetreten ist, auch nicht durch Geburt (Taufe). Mitgliedschaft in einem (Moschee-)-Verein zu besteuern geht gar nicht, weil e.V. ans non-profit Gebot gebunden ist.
Als nächstes müsste dann eine Synagogen- und Tempelsteuer erhoben werden.
Wie sieht es mit Scientology, Neuapostolen, Orthodoxen u. a. religiösen Minderheiten aus?

Integrationstechnisch ist eine Moscheesteuer natürlich attraktiv: Kirchensteuer auch für Muslime. Spätestens dann gehören nicht nur Muslime, sondern auch der Islam zu Deutschland.
Super Debatte.
 

EnRetard

Well-Known Member
Ich halte die Idee einer Moschee- oder Muslimsteuer für völlig unausgegoren.
Wer soll sie denn bezahlen? Jeder Muslim? Wer ist ein Muslim? Wer definiert das? Jeder in Deutschland lebende Bürger der Türkei, der Muslim im Perso stehen hat? Was ist mit den Deutschen mit Wurzeln in der Türkei? Was ist mit Aleviten, von denen sich viele nicht als Muslime identifizieren, sei es aus theologischen Gründen, oder weil sie mit Tayyip Erdogan und seinem Diyanet/Ditib-Amt nichts zu tun haben wollen? Was ist mit Sunniten, die mit Ditib und den anderen Vereinen nichts zu tun haben wollen? Was ist mit gar nicht praktizierenden Muslimen? Solche gibt nicht nur unter Türkeistämmigen, sondern auch unter Albanern und nicht selten unter Iranern, die vor dem Mullah-Islam geflohen sind. Sollen die jetzt für ihre Abstammung mit einer Steuer bestraft werden? Bekanntlich kann man aus dem Islam nicht austreten. Wer einen muslimischen Vater hat, ist Muslim, ohne eigenes oder elterliches Zutun.
Sollen die Kommunalverwaltungen die Muslime erfassen? Was für Ärger gäbe das dann in Familien, wenn jemand aus der Familie nicht glaubt und nicht zahlen will und vor allem nicht will, dass Ditib oder Milli Görüs die Kohle kriegen?

Finger weg von diesem Minenfeld!!! Wenn der deutsche Staat nicht will, dass islamische Organisationen Geld aus dem Ausland bekommen, dann soll er das eben begrenzen oder ganz verbieten. Wenn er nicht will, dass Prediger aus der Türkei geholt werden, dann soll er das über das Ausländerrecht regeln. Und notfalls kann er über das Vereinsrecht Ditib auch gleich ganz zumachen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, sie handele verfassungswidrig oder gefährde die innere Sicherheit.
 

Bintje

Well-Known Member
Integrationstechnisch ist eine Moscheesteuer natürlich attraktiv: Kirchensteuer auch für Muslime. Spätestens dann gehören nicht nur Muslime, sondern auch der Islam zu Deutschland.
Super Debatte.

Das wäre der einzige echte Vorteil, den ich sehe. Ansonsten hat @EnRetard m.E. völlig recht mit seiner Kritik, wobei ich die Frage des Umgangs mit Ditib als einigermaßen heikel betrachte. Alles, was sich gegen Ditib bzw. die Diyanet richtet, würde mit Sicherheit von der Türkei beziehungsweise Erdoğan propagandistisch ausgeschlachtet und als Beleg für die mangelnde Integrationsbereitschaft der deutschen Gesellschaft/Politik usw. betrachtet. Erst recht, wenn es nicht zugleich auch FID als Vereinsorganisation der Gülen-Bewegung beträfe.

Sollen die Kommunalverwaltungen die Muslime erfassen? Was für Ärger gäbe das dann in Familien, wenn jemand aus der Familie nicht glaubt und nicht zahlen will und vor allem nicht will, dass Ditib oder Milli Görüs die Kohle kriegen?

Ich sehe da noch ein Problem. Lass mal selbsternannte Abendlandretter*innen im Zuge ihres Marschs durch die Institutionen an Posten gelangen, auf denen sie Einblick haben/hätten, zu welchem Glauben sich jemand bekennt.
Nein danke!
 
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EnRetard

Well-Known Member
Lass mal selbsternannte Abendlandretter*innen im Zuge ihres Marschs durch die Institutionen an Posten gelangen, auf denen sie Einblick haben/hätten, zu welchem Glauben sich jemand bekennt.
Nein danke!
In den Einwohnermeldeämtern und Finanzämtern, ebenso wie in den Schulen, weiß jetzt schon jede/r Bedienstete, ob ein Bürger einer und welcher der Religionskörperschaften angehört oder ob nicht.
 

Skeptiker

Well-Known Member
Ich finde es gehört auch die Kirchensteuer abgeschafft, denn wie kann sich ein Staat zur Trennung von Staat und Kirche bekennen und dennoch für einen solchen Filz eine Steuer eintreiben und dann noch bei Vergehen gegen die Menschlichkeit nicht hart gegen diese Institution vorgehen?
 
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