Das ist nicht meine Partei, also habe ich mir nichts zu wünschen. Aber ich möchte wenigstens verstehen. Und Spahn verstünde ich, wie man auf den kommt. Das sind die, denen die Zumutungen Merkels wirklich zu weit oder zumindest zu schnell kamen. Abschaffung der Wehrpflicht, Kitas, Atomausstieg gehört für die ja auch dazu, Homoehe, Flüchtlinge. Die sagen: O.k., jetzt mal ein bißchen langsamer. Mehr Bestand, man kennt sich ja bald kaum mehr aus.
Aber Merz? Der steht ja nicht mal für Handwerker, mittelständische Industrie, Apotheker. Der steht wirklich nur für Großindustrie, Finanzindustrie. Irgendjemand der Meinung, das Land ist sozial noch nicht kalt genug, wir brauchen noch mehr Maßnahmen gegen die arbeitsscheuen Hartzler, Autobahn- und Schulausbau wird überschätzt, wir haben zu viele Studenten an zu großen Universitäten? Ich hatte ja gedacht, Merz will sich ins Spiel bringen, wird zugunsten Spahns zurücktreten und dann irgendwas mit Finanzen machen. Aber so wie es aussieht, hat Spahn gegen den wohl keine Chance. Ich versteh's nicht.
Vor allem hat Merz für mich nicht gezeigt, daß er politisch irgend was drauf hat. Irgend etwas. Stehvermögen, Rückgrat, Verhandlungsfähigkeit. Er hat nicht nur noch keine Wahl gewonnen, nicht nur nie regiert: Noch nicht mal Minister isser gewesen, nicht einmal irgendwo auf Landesebene. Schulz war immerhin Oberbürgermeister von Würselen. Wo er ein Spaßbad in den Teich gesetzt hat, aber immerhin. Hat es als erster geschafft, sich über Brüssel einen Namen zu machen, das bis dahin als Entsorgungspark galt („Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa“).
Merz wäre einer, dem man was zutraut, eine Wette; einer, dem man guten Willens eine Chance gibt, auf Abruf. Wie damals die Merkel, die sich dann als erstaunlich besser erwies,
als alle gedacht hatten. Nur ist Merz dafür zu alt. Ich hätte das von Seehofer projektierte zu-Guttenberg-Comeback für wahrscheinlicher und möglicher gehalten als Merz for Chancelor.