Wir sind in der Flüchtlingsfrage um ein Vielfaches stärker betroffen als Italien, und Deutschland unterstützt auch die solidarische Umverteilung von Flüchtlingen in der EU, von daher ist mir Belfins und deine Forderung Deutschland habe nach dem Wahlergebnis in Italien jetzt zu liefern nicht schlüssig.
Ihr müsst andere Länder meinen.
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Nein, nein, ich meinte es schon so, wie ich schrieb: die EU und Deutschland sind auch gefragt.
Es geht ja nicht nur um Flüchtlingsfragen.
Ich habe es eher so verstanden, daß die 5 Sterne und die PD jetzt liefern müssen!
Klar, in erster Linie müssen sie das, aber was ich auch meinte und sehr verkürzt rüberbrachte: Italien hat ähnlich wie Griechenland und Spanien ein massives Problem mit der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Deutschland liegt die Erwerbslosenquote bei den 15 - 24-Jährigen bei fünf oder maximal fünfeinhalb Prozent - in Italien ist offiziell jeder dritte Jugendliche ohne Arbeit und Ausbildung, im Süden sogar jeder zweite. Das ist ein Nährboden par exzellence für die 'Ndrangheta, die organisierte Bandenkriminalität, und natürlich auch für populistische Parteien, die ihren Wählern das Blaue vom Himmel herunter versprechen, ohne es einhalten zu können. Gewählt werden sie trotzdem, natürlich, schlicht aus Verzweiflung. Die EU fördert zwar auch die berufliche Mobilität von Jugendlichen, aber in einem, wie ich das sehe, eher bescheidenen Rahmen. Eine der Vorgängerregierungen, die des erfolglosen Enrico Letta, meine ich, hat sich zumindest bemüht, das Ausbildungssystem zu reformieren und die duale Ausbildung zu stärken, aber die spielt in Italien bis heute keine große Rolle. Dazu kommt, dass im Süden - Basilikata, Kalabrien, Apulien usw. - schlicht Arbeitsplätze fehlen.
Das liegt nicht an Geflüchteten, die in der Landwirtschaft die miserabel bezahlte Drecksarbeit machen, die kein Italiener machen würde, sondern an strukturellen Problemen. Da kann und müsste man m.E. ansetzen, die Regionen stärker fördern und vor allem die berufliche Ausbildung!
Um es nochmal anders zu verdeutlichen:
Das Beispiel der jungen Hebamme, die der Arbeit wegen nach Deutschland auswandert, ist doch eigentlich der Klassiker. Ich weiß nicht, ob es jemandem auffällt, aber für ihren Neustart an einer Klinik in Bremen erhält sie vom Job-Netzwerk der EU-Kommission 1000 Euro (wird ab 2'50'' erwähnt). Liebe Leute, Tausend Euro sind nicht zu verachten, aber das ist nichts, niente! Davon wird sie sich, wenn sie nicht in einem Schwesternwohnheim unterkommt, auf dem freien Markt gerade mal eben die Kaution für ein WG-Zimmer leisten können.
Als ausgebildete Fachkraft, die im Ausland ganz von vorn anfängt, bekommt sie damit genauso viel, wie an Kopf- bzw. Fangprämie für neue Azubis in Hotels und Gastronomie in einigen Hotels an der Ostseeküste gezahlt wird. Nur, dass die meist nicht den Nachteil haben, in einem völlig fremden Land neu durchstarten zu müssen.
Will sagen, vor diesem Hintergrund kommt das Modell der europäischen Arbeitsmigration und Flexibilität vermutlich vor allem für diejenigen in Frage, die auch ein familiäres Backup im Rücken haben. Eine Familie, die sie stützt und den Neustart - wenn auch zähneknirschend - mit ermöglichen kann. Ärmere Leute bleiben wahrscheinlich trotz aller Hochglanzkampagnen auf der Strecke, und dagegen sträubt sich mein Gerechtigkeitsempfinden. Vielleicht bin ich unzureichend informiert, kann sein, aber was tut die EU, was tut das vergleichsweise wohlhabende Deutschland in dieser Situation? Wir leben nun mal gemeinsam nicht nur in unserer, sondern in einer vernetzten Welt, auf einem zusammenwachsenden Kontinent, und was ich weiter oben in punkto Solidarität schrieb, war ernst gemeint.