Sollen Türken in Deutschland sich am Verfassungsreferendum beteiligen dürfen?

Soll die Bundesregierung die Durchführung des türkischen Verfassungs-Referendums erlauben?

  • Ja, natürlich. Eine Demokratie darf keine demokratische Abstimmung verhindern.

    Votes: 6 33,3%
  • Nein. Deutschland leistet keine Beihilfe zur Errichtung einer Tyrannei

    Votes: 12 66,7%

  • Total voters
    18
  • Poll closed .

Alubehütet

Well-Known Member
@NeoAslan+, Danke erst mal für den ruhigen und besonnenen Beitrag, da hätte ich gern mehr von :)
Weißt du...es ist kein Geheimnis, aber das deutsche Volk ist lange nicht so souverän, wie es ihm vorgegaukelt wird und es selbst glaubt...aus gutem Grund...wohlgemerkt.

Daher ist es verständlich, dass der Neid auf andere Völker, die von ihren Staaten das Recht auf Volksentscheide zugestanden bekommen sehr groß ist.
Das ist allerdings so. Allerdings nicht wegen Besatzungsrecht, blablabla.
Sondern schlicht aufgrund unserer geographischen Lage und wirtschaftlichen Position:

Wenn die Griechen aus dem Euro, aus der EU ausscheiden, dann juckt das keinen. Die halten wir uns aus kulturellen Gründen: Weil sie nun mal die schönste €uro-Münze haben.

Wenn die Engländer nicht am Euro teilnehmen, dann nehmen sie nicht am Euro teil. Wenn sie demnächst aus Europa aussteigen, dann ist das sehr mißlich und sehr schmerzlich. Weil sie ein wichtiger Euro-Nettoeinzahler sind z.B.

Wenn die Deutschen aus der EU aussteigen, dann findet die EU nicht statt. Wenn die Deutschen in einem Volksentscheid sich gegen den Euro und für den Beibehalt unserer geliebten harten DM entschieden hätten – und das hätten sie –, dann hätte der Euro nicht stattgefunden. Und allerdings gibt es inzwischen den Konsens, daß wir 80 Millionen Deutsche nicht Entscheidungen treffen können sollten über 500 Mill. Europäer.

Uns geht es allerdings gut. Verdammt gut in der EU. Und so große Lust, den europäischen Hegemon spielen zu sollen haben wir einerseits auch nicht. Andererseits geht in der EU ohne uns sowieso nichts. Auch wenn die Türkei in der EU wäre, wäre es immer noch Schäuble, der den Daumen über Griechenland hebt oder senkt. Insofern hält sich der Schmerz über bestimmte souveräne Rechte, die die Holländer etwa haben oder die Spanier, wir aber eben nicht, doch sehr in Grenzen.

Kurz: Wir sind nicht so souverän wie andere Nationen, weil wir viel wichtiger sind als sie. Viel mehr an Verantwortung tragen. Damit können wir sehr sehr gut leben. Wenn die Türken sich souverän entscheiden, ihr Land wieder in eine Diktatur zurückzubauen, dann ist das letztlich deren Sache. Wenn wir das morgen tun würden ... naja, wir haben es ja mal gemacht.

Noch viel unerträglicher ist diesen kleinen Wichten von Okkupations-Demokratiebeerbten, dass so etwas Grandioses auch den türkischen Staatsbürgern hierzulande vergönnt ist.

Türkei – Pfffff. Spielt erst mal in unserer Liga. Dann nehmen wir das wichtig, was bei euch passiert. Noch spielt Ihr in der zweiten, der Schwellenland-Liga. Wir haben wiederholt den Exportweltmeister-Worldchampionship-Pokal nach Hause geholt. Und wir haben entsprechendes politisches Gewicht in der Welt. Komm mal wieder auf den Teppich. Wen hier interessiert denn, wenn in der Türkei ein Sack Haselnüsse umfällt?

Also ehrlich gesagt – Wir wären nicht annähernd so interessiert an den Ereignissen in der Türkei, wenn deren Regierung nicht an unseren Parlamentsdebatten kleben würde wie Scheiße am Schuh. Wir haben das ganze letzte Jahr Riesendebatten geführt letztlich darüber, daß ein Herr Erdogan sich insultiert fühlt von einem kleinen, müden, lauen extra3-Filmchen, das bei uns bis dahin kein Mensch gesehen hatte. Merkel hat eine Demutsgeste nach der anderen vollzogen, damit angefangen, daß sie öffentlich vermelden läßt, sie habe dem türkischen Ministerpräsidenten am Telefon versichert, daß sie eine gewisse Satire für unglücklich hält, bis dahin, daß sie höchstamtlich erklärt hat, die Armenien-Resolution sei für die Bundesregierung nicht bindend (was sie ist). Wir haben eigentlich wichtigere Themen als die Befindlichkeit des türkischen Ministerpräsidenten. Und dieses Jahr flegelt der uns schon wieder an, obwohl es Holland sind und Österreich, die türkischen Politikern ein Auftrittsverbot erteilen. Ich bin es einfach leid. Die sind einfach lästig. Die sollen mal jemand anders nerven.
 
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Alubehütet

Well-Known Member
Interessante Betrachtung von Bülent Mumay in der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/feuillet...09526.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Ist Deutschland noch das Deutschland, wie wir Türken in der Türkei es einmal kannten? Für jene, die wie ich vor 1980 geboren worden sind und die nicht in Erdogans „neuer Türkei“ aufwuchsen, war Deutschland immer ein schönes Land. Für Leute wie mich war es lange ein gelber Mercedes, der jedes Jahr, wenn die Gastarbeiter Sommerurlaub machten, in die Kleinstadt rollte, in der ich zur Welt gekommen bin. Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung „Büffelkarosse“ auch in Deutschland existiert - wegen seiner Breite und seines Komforts nannten bei uns die Erwachsenen den Mercedes so. „Almanya“ - „Deutschland“, das war für mich auch die Frisur der Jungs, die hinter den Eltern aus dem funkelnden Mercedes stiegen. Ihr Haarschnitt machte mächtig Eindruck auf uns. Obwohl er längst aus der Mode gekommen ist, wird in der Türkei ein Kurzhaarschnitt mit bis in den Nacken reichenden Haaren noch immer „Deutschländerfrisur“ genannt. „Almanya“, das waren auch die Sportschuhe dieser Jungs. Es war auch die Nussschokolade, die sie bisweilen mit uns teilten. Und ihr Fußball von Adidas, mit dem wir zusammen kickten und den sie bei uns ließen, wenn sie am Ende der Ferien wieder nach Deutschland fuhren.

[...]

Für alle, die in den ersten Jahren der AKP-Regierung geboren wurden oder damals Kinder waren, bedeutet „Almanya“ heute nichts mehr von alledem. Es wird behauptet, hinter allem, was uns in den vergangenen Jahren Schlechtes widerfahren ist, stecke Deutschland. Immer ist es „Almanya“, das unsere Wirtschaft sabotieren und uns spalten will. Es sollen deutsche Stiftungen gewesen sein, die verhinderten, dass in der Türkei Cyanide im Bergbau eingesetzt werden. Hinter den Gezi-Protesten steckte angeblich der BND, der verhindern wollte, dass man in Istanbul einen dritten Flugplatz baut, der Frankfurt als Transitdrehkreuz Konkurrenz machen könnte. Dass Merkel beinahe alle drei Monate in die Türkei reist und auf Erdogans vergoldeten Sesseln Platz nimmt, ändert nichts an der Rhetorik. Ein ehemaliger Polizeichef hat im Fernsehen erklärt, Deutschland stecke hinter den in der Türkei verübten Terroranschlägen. Als unser Finanzminister deutsche Investoren in die Türkei einlud, erklärte Erdogans Wirtschaftsberater Yigit Bulut, Deutschland stecke hinter dem Putsch vom 15. Juli. Auch war in der Türkei zu lesen, der Selbstmordanschlag im Januar 2016 nahe der Blauen Moschee, bei dem zehn Deutsche getötet wurden, sei von deutscher Hand organisiert worden. Letztendlich geht es Deutschland wie dem Helden in Kafkas „Verwandlung“: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“
 

Hanni Heini

Well-Known Member
Interessant, kümmert sich aber keiner drum.

Eben:

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