(..)Das Problem liegt nicht darin, daß die Leute nicht mehr bereit sind, Qualitätsjournalismus zu bezahlen. Das Problem ist, daß die Medien nicht in der Lage sind, Internet zu monetarisieren, mir ein vernünftiges Angebot zu machen.
Internet nutze ich anders als Zeitung. (...)Ich nutze Welt-Online nicht so intensiv wie eine abonnierte Print-Zeitung.
Das sprichst du was Richtiges an; mir geht es ähnlich. Und ich wundere mich immer, dass ein Produkt wie beispielsweise Spiegel+ (19,99 €/mtl.) praktisch zum gleichen Preis wie die Print-Ausgabe vertrieben wird, obwohl die Distributionskosten weitaus niedriger sind. Um den Volltext eines Artikels zu lesen, werde ich als Leser praktisch genötigt, ein Abo abzuschließen. Das finde ich trotz des eingeräumten Gratismonats denkbar ungeschickt und würde mir wünschen, dass sie von der New York Times lernen, die das erheblich besser und vor allem günstiger hinbekommt: vier Euro/Monat für den unbegrenzten Zugang zu allen Texten, wenn man den richtigen Zeitpunkt abpasst. Geht doch!
Aber um den Bogen zum leidigen Thema Claas R. hinzukriegen: gestern hat's mich nochmal richtig angewidert und stinksauer gemacht, als ich las, dass der Typ bei Lesern einer seiner Tränendrüsen-Reportagen offenbar Geldspenden eingeworben hat. Die sollten auf sein Privatkonto gezahlt werden. Es ging um zwei syrische Kinder, angeblich Geschwister, angeblich Waisen, die sich angeblich mutterseelenallein in der Türkei durchschlagen mussten und die er nach eigenen Angaben in eine Adoptionsfamilie nach Niedersachsen vermittelt haben will oder soll. Völlig abenteuerliches, erlogenes Konstrukt, was aufflog, weil sich seit vergangenem Mittwoch Leser beim Spiegel meldeten, die davon berichteten. Darauf wurde nachrecherchiert und u.a. der türkische Fotograf befragt, der den Schreiberling, damals noch freier Mitarbeiter des Magazins, seinerzeit begleitet und die ursprüngliche und zwischenzeitlich mehrfach preisgekrönte Reportage ("Königskinder", Spiegel No. 28/2016) bis dahin noch gar nicht gelesen hatte.
Ergebnis: die Kinder gibt es, aber abgesehen davon, dass sie keine Geschwister sind, sind ihre Geschichte und Lebensumstände einmal mehr frei erfunden beziehungsweise als Collage aus verschiedenen anderen Schicksalen zusammenmontiert. Also Fiktion, kein Journalismus.
Und was mit den von Claas R. privat eingesammelten Spenden passiert ist, muss nun ein Gericht klären.
Der Spiegel hat Strafanzeige erstattet.
https://meedia.de/2018/12/22/auch-s...t-strafantrag-gegen-luegen-reporter-relotius/
Hoffentlich bekommt der Typ richtig einen drüber gebraten so wie seinerzeit Michael Born.
