Türkische Mafia und die Liebe

eternelle

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AW: Türkische Mafia und die Liebe

Im Soup-Shop waren wir wortkarg, aßen unsere Mahlzeit, bis es daran war, zu zahlen. Ali hatte die gesamte Zeche in dem Lokal davor bezahlt, Sedat hatte sowieso kein Geld und trank den ganzen Abend auf Alis Kosten. Ich selber hatte noch nicht die Gelegenheit Geld überhaupt zu wechseln, da ich ja erst am Vorabend ankam und den gesamten heutigen Tag im Bett verbracht hatte und die Euro in meiner Geldtasche reichten nicht aus.
Wir brauchten einen Bankomaten, ich war die einzige im Besitz einer Karte. Also bot Sedat an, mich zum nächsten Bankomaten zu fahren, Ali, der ja keinen Führerschein hatte, würde hier warten. Es regnete in Strömen, also befand Ali diesen Gedanken für richtig, er wollte mich nicht im Regen zum Bankomaten schicken, und wir willigten ein. Das Auto stand direkt vor der Tür des überdachten Gastgartens. Müde von den Ereignissen des Abends willigte ich also ein, diese Fahrt noch, dann würden wir endlich nach Hause gehen und ich würde Ali noch eindringlich zu den Vorkommnissen befragen. Sedat fuhr los, erschöpft und müde schnallte ich mich an, um zwei Ecken und wir würden da sein. Er fuhr eine eigenartige Strecke, er reversierte und fuhr in die entgegengesetzte Richtung. Noch sagte ich nichts, da ich annahm, dass in der anderen Richtung vielleicht ein nähergelegener Bankomat wäre. Wir fuhren die gesamte Hauptstraße entlang, an einem, zwei Bankomaten vorbei. Meinen Protest quittierte er mit einem Lächeln. Er fuhr einfach weiter, bog in die Straße, am Hafen entlang, in die kleinen, kurvenreichen Gässchen den Berg hinauf zur Burg von Alanya. Ich sprach auf Englisch auf ihn ein, er verstand kein Wort. Ich wurde wütend, schrie ihn auf Deutsch an, was das solle, er solle umgehend umdrehen! Weiter und weiter entfernten wir uns vom Soup shop und damit von meinem Ali, meiner Sicherheit in dieser fremden, unbekannten, gefährlichen Welt. Er parkte irgendwo im Dunkeln am Weg zur Burg, keine Straßenbeleuchtung, vor uns eine Klippe, hinter uns wildwachsendes Gestrüpp, meine geliebten Agaven, kurzum unwegsames Gelände.

Ich schrie ihn auf Englisch an, was das solle! Er zog die Handbremse, schnallte sich ab und stürzte sich auf mich. Er drückte mich in den Autositz, lag mit seinem ganzen Gewicht auf mir und versuchte mich zu küssen. Ich wehrte mich verzweifelt. Je mehr ich mich wehrte, um so grober und fester wurden seine Umklammerungen. Ich hatte keine Chance gegen seine Kraft. Er presste sein Gesicht auf meines, sein Kiefer drückte er mit solcher Wucht auf meinen Mund, welchen ich panisch zusammenpresste. Er übte solchen Druck aus, dass ich glaubte, mein Kiefer würde brechen, und meine Augen füllten sich vor Schmerz mit Tränen. Ich begann zu weinen. Er hielt meine Hände, saß auf mir, ich hatte keine Bewegungsmöglichkeit, während er seinen Mund immer fester auf mein Gesicht presste. Es waren derart körperliche Schmerzen, dass ich vermutete, jeden Moment würde mein Kiefer bersten, und die Tränen strömten nur so aus meinen Augen. Plötzlich hielt er inne, sah mich an, sprach besänftigend auf Türkisch auf mich ein, setzte sich wieder auf seinen Sitz.
Ich hatte keine Zeit zu denken, wollte nur fliehen und ergriff die Türschnalle. Ich wusste, ich müsse nur bergab laufen, irgendwann würde der Hafen vor mir liegen, wo wieder Häuser und Menschen waren, einfach nur abwärts laufen!

Er riss mich zurück, ich war schon halb aus dem Auto, aber er fasste mich an einem Arm und einem Bein und zog mich zurück ins Auto. Er saß wieder auf mir, schloss die Tür, schimpfte vor sich hin und redete auf mich ein. Ich weinte hysterisch, schlug um mich, konnte nicht glauben, was mir geschehen war.

In der Zwischenzeit wunderte sich Ali, was geschehen war. Er wartete auf uns und er schöpfte Verdacht, warum wir nicht zurückkamen. Was ich darüber berichten kann, sind alleinig Erzählungen von Ali, denen ich heute kaum mehr Glauben schenke. Ich weiß nicht, was da genau damals passiert ist, aber ich weiß, dass es so, wie Ali es erzählt hat, sich kaum zugetragen haben kann. Ali sprach also mit dem Lokalinhaber, dass er nicht bezahlen kann, wir zwei verschwunden sind. Angeblich kam es zu einem heftigen Streitgespräch, dennoch verließ Ali einfach das Lokal. Wie er später berichtete, bekommt man „im Casino“ Waffen und er besorgte sich eben dort solch eine. Er ging dann zur Polizei und verkündete meine Abgängigkeit. Ich frage mich allerdings bis heute, warum er sich nicht einfach ein Handy ausborgte und mich anrief….
Er erzählte also auf der Polizeiwache die Geschichte. Die jungen türkischen Polizisten machten wohl ihre Späße auf meine Kosten, dass ich, als europäische Schlampe, wohl nur auf eine nette Affäre aus wäre und er das verkraften müsse, dass wohl ein anderer interessanter war und sie den Streit um deutsche oder eben österreichische Frauen satt hätten und lächerlich finden. Alle europäischen Frauen wären so, billige Bettgenossinnen, und nicht mehr. Ali flippte aus. Er verteidigte mich angeblich, und es kam zu einem Handgemenge. Ali muss genug ausgeteilt haben, denn seine Lippe blutete und zwei Zähne wackelten, als ich ihn wiedersah.
 

eternelle

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In der Zwischenzeit war ich mit Sedat gefangen im Dunkeln auf der Burg. Ich versuchte Ali heimlich zu erreichen, nahm mein Handy aus der Tasche, tippte die Wiederwahl, wusste dennoch, dass Ali im Moment kein Handy besaß. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt durchkam, es war alles mehr oder weniger halbherzig zwischendurch, wenn Sedat beschäftigt war, zu erzählen. Ich weiß nicht, was er sprach, er redete lange und viel und meine einzige Chance war so zu tun, als würde ich verstehen. Wenn er mich fragend ansah, sagte ich „evet, anladim“, was so viel bedeutet wie „Ja, ich habe verstanden“. So gab ich ihm permanent das Gefühl auf seiner Seite zu sein und ihm zuzustimmen. Ich hatte keine Ahnung, was er sprach, aber die zwei Worte schienen ihn zu besänftigen.
Ich versuchte noch ein zweites Mal aus dem Auto zu fliehen, diesmal überrumpelte ich ihn und ich war außerhalb des Autos talwärts laufend. Er schnappte mich an beiden Handgelenken und zog mich schleppend zurück zum Auto, packte mich an den Hüften und dem Kopf und stieß mich auf den Autositz. Ich weinte wieder. Ich war so hilflos, verzweifelt, was ich immer und immer wieder sagte, war „Soup shop“ und „Ali“. Je mehr ich weinte, desto verständnisvoller wurde mein Entführer. Er sprach sanfter mit mir, wenn ich schluchzte, wenn ich auch den Inhalt nicht verstand. Er versuchte mir meine Tränen wegzuwischen, was ich als ekelhaft empfand, er tröstete mich, seiner Sprachmelodie nach, wenn ich verzweifelte. Aber er hatte mich in der Hand. Ich war in seiner Gewalt und das wusste er.

Ali war in der Zwischenzeit noch auf der Polizei, verletzt und blutend und verlangte nach einem „befreundeten“ Polizisten. Ali vertraute ihm die Geschichte an und berichtete, mit wem ich verschwunden sei. Er überredete Ali, die Waffe abzugeben, die er sich organisiert hatte. Der Polizist kannte Sedat und meinte, dass meine Überlebenschance bei 20 % liegt. Normale Vorgehensweise wäre, wie der Polizist erzählte, mich irgendwo „über die Klippen“ zu „entsorgen“, da würde mich lange niemand finden. Ali habe damit zu rechnen, dass Sedat wieder alleine zurück käme, und meine, ich wäre nach dem Bankomaten nicht mehr eingestiegen. Er hätte mich natürlich überall gesucht, aber wisse auch nicht, wo ich hingekommen sei. Wahrscheinlich hätte er Ali sogar scheinheilig dabei geholfen, mich zu suchen. Ein ganz normaler Kriminalfall in Alanya, Sedat könne man nichts vorwerfen. Mafiaverbindung niemals, die bedauernswerte Frau fand einfach nicht mehr vom Bankomaten zurück zum Auto und kam auf Abwege. Meine Wahrscheinlichkeit dies NICHT zu überleben lag also bei 80%, falls die Klippen in der Nähe waren.


Ich saß weiterhin mit Sedat im Auto. Wenn er versuchte, sich an mir zu vergreifen, ergriff ich seine Hand, versuchte ihn abzuwehren. Ich erduldete viel, versuchte Fassung zu bewahren und ihm respektvoll zu begegnen, soviel schauspielerisches Talent dies auch von mir abverlangte. Ich wollte ihn nicht provozieren. Er hatte so viel damit zu tun, zu reden, wahrscheinlich ging es ihm nicht gut und er brauchte nur jemanden zu reden. Eine gewagte Theorie, wenn man entführt und beinahe missbraucht wurde und noch dazu kein Wort verstand, was ich mir nicht anmerken ließ. „Evet, anladim“

Die Klippe gegenüber nahm ich wohl wahr, und ich hatte stets den Türgriff fest in der Hand. Seit drei Stunden saß ich nun in diesem Auto. Plötzlich, und ich weiß nicht, wo ich diese Stärke hernahm, beschloss ich, dass ich genug hatte. Ben eve gitmek istiyorum. Ich möchte nach Hause gehen. Punkt. Ohne Emotion, es war mehr eine Feststellung, als eine Bitte. Ich hatte genug, meine Sorgen kreisten selbstlos um Ali, wie er das Lokal und die fehlende Rechnung bewerkstelligen konnte, und ich hatte genug von diesem Abend. Ich möchte nach Hause gehen, ben eve gitmek istiyorum. Punkt.
Meine Therapeutin meinte im Nachhinein, das habe mir das Leben gerettet. Ich übernahm die Initiative, ich gab vor, was ich wollte, ich benahm mich untypisch für ein Opfer. Er hatte mich nicht mehr in der Hand, brauchte mich nicht mehr zu trösten. Es gefiel ihm ja sehr, einerseits Täter zu sein und gleichzeitig der Tröster. Ein Spiel, welches er so lange spielen konnte, wie er wollte, weil er dabei die Regie führte.
Egal, was Sedat sagte, meine Antwort war die gleiche: Ben eve gitmek istiyorum. Irgendetwas in mir wehrte sich plötzlich, keine Träne floss mehr über meine Wangen, ich war auch nicht mehr panisch. Ich saß ruhig neben ihm, nahm die Hand von dem Türgriff, legte die Hände in den Schoß und bestand einfach darauf. Ich möchte jetzt nach Hause. Das ist so und es gibt keine Diskussion. Er unterbrach immer wieder seinen Monolog, war verwirrt. Als er wieder versuchte, meinen „Ungehorsam“ zu brechen und sich über mich lehnte, grob mein Gesicht packte um mir seine Zunge in den Rachen zu stoßen, ließ ich ein lautes, klares, forderndes „Ben. Eve. Gitmek. Istiyorum!“ von mir. Ich war wirklich genervt, ich hatte so genug, ich wollte zu Ali und war wütend. Zu meiner Verwunderung drehte Sedat den Schlüssel um und startete.
Ich hatte wieder Angst, ich wusste nicht, wohin er mit mir fahren würde, es war bereits nach 6 Uhr morgens. Ich gab vor, auf die Toilette zu müssen, um Hilfe holen zu können. Er hielt tatsächlich bei der nächsten Tankstelle. Allerdings ließ er mich nicht alleine gehen, er wollte mitkommen. Am Weg durch den Geschäftsbereich sah ich den Tankwart hinter der Theke hilfesuchend an, er lächelte freundlich, die beiden sprachen irgendetwas miteinander, wohl, dass wir nur die Toilette benötigen und schon waren wir im abgetrennten Bereich der Sanitäranlagen. Es war Sonntag in der Früh, dementsprechend totenstill und menschenleer war es hier. Er wachte vor der Tür, wartete auf mich. Ich frage mich heute, wenn er ohnehin die Absicht hatte, mich nach Hause zu bringen, warum bewachte er mich dann dermaßen?
Wir fuhren weiter, ich dirigierte ihm den Weg. Er hielt sich sogar daran, bog schweigend ab, wenn ich es sagte. Als ich ihn einmal bat, rechts abzubiegen, antworte er irgendetwas für mich Unverständliches. Ich fragte nach, also bremste er, fuhr Schritt-Tempo auf der menschenleeren Straße und deutete mit der Hand auf ein „Einfahrt Verboten“- Schild. Ich nutzte augenblicklich diese Chance, öffnete die Türe, stieg aus dem rollenden Auto, sah einen alten Mann aus einem Hauseingang kommen und ging langsam dicht hinter dem alten Mann her. Ich wagte nicht, diesen anzusprechen, mein Türkisch reichte nicht und ich dachte, dass es mir nur schaden würde. Die beiden Männer würden sich wohl eher verstehen, eine Touristin und Nicht-Türkin, die nicht deren Sprache spricht und sich erklären kann, sei wahrscheinlich weniger glaubwürdig, als ein Landsmann, der ihm alles mögliche vorlügen könnte.
Sedat bog nun dennoch in diese Straße ein, er fuhr gegen die Einbahn, was ihm kurz zuvor zuwider war. Er fuhr im Schritt-Tempo neben mir her. Das zeigte mir, dass er keineswegs vorhatte mich nach Hause zu bringen, sonst wäre er zuvor auch abgebogen, wenn er jetzt keine Probleme damit hatte. Ich war ihm entwischt und er konnte es nicht fassen. Der alte Mann ging gemächlich, ich musste mich bemühen, ihn nicht zu überholen und nicht zu laufen, um in seiner Nähe zu bleiben. Ich sah kein einziges Mal nach links in das Auto von Sedat, ich hielt meinen Kopf gerade, wollte ihm nicht die Gelegenheit geben, mir irgendetwas zu gestikulieren oder mir Angst einzujagen. Simdi eve gitmek istiyorum. Ich gehe jetzt nach Hause. Arrogant, aufrecht und gemächlich setzte ich einen Schritt vor den anderen, hatte dabei Herzklopfen bis zum Halse, meine Hände zitterten so, dass ich sie in meine Jacke steckte. Die Straße war alles andere als belebt, es war eine kleine Seitengasse, aber dennoch erwachte langsam das verschlafene Leben eines Sonntag Morgens im Februar. Man spürte, dass hier irgendwo Menschen waren, es war taghell und Sedat machtlos. Plötzlich stieg er aufs Gas, fuhr mit quietschenden Reifen davon und bog um die nächste Ecke.
 

eternelle

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Jetzt lief ich. Ich begann zu weinen, hysterisch zu weinen. Ich lief, rang um Luft und weinte. Mit zitternden Fingern schloss ich die Haustür auf, presste mich in eine Ecke des Lifts, öffnete die nächste verschlossene Türe auf einen kleinen Balkon, über den man dann endlich, nachdem ich diese Türe zweimal hinter mir verschlossen hatte, zur Wohnungstür von Ali gelangte.
Er hatte mir an diesem Abend den Schlüssel gegeben, er liebte es, in meiner Handtasche all seinen Krimskrams zu verstauen und sich nicht darum kümmern zu müssen. Also wusste ich, dass Ali noch nicht zu Hause sein konnte, er bis jetzt wahrscheinlich vor Sorge durchgedreht war und mich verzweifelt suchte und nicht einmal in seine Wohnung konnte.
Dort endlich angekommen, in scheinbarer Sicherheit, brach ich zusammen. Ich war angewidert, ich roch Sedats Speichel auf meinem Gesicht, spürte seine Hände auf meinem Körper und konnte gleichzeitig nicht fassen, wie gut diese Geschichte für mich ausgegangen war. Er hätte sich problemlos an mir vergehen können, die letzten Minuten waren so schnell vergangen, dass ich die Freude, dass ich frei war, noch gar nicht wirklich wahrnahm. Ich wählte Alis Nummer, erfolglos, er hatte ja nur seine Simkarte in der Hosentasche, kein Telefon. Am nächsten Tag fragte ich mich sehr wohl, warum ich nicht einen einzigen Anruf auf meinem Handy hatte, warum er es die ganze Nacht nicht geschafft hatte, sich ein Telefon zu borgen und mich anzurufen. Wäre das nicht die normale Verhaltensweise gewesen? Aber ich hatte keinen einzigen unbeantworteten Anruf. Gar nichts.

Ich warf mich aufs Bett, weinte vor Erschöpfung, ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht und fühlte mich so einsam und hilflos in dieser für mich fremden Welt. Alis Wohnung war mein einzig vertrauter Rückzugsort, hier fühlte ich mich sicher und von Ali beschützt.
Ich muss im Halbschlaf oder Dämmerzustand gewesen sein, denn schlafen war mir unmöglich, als nach 8 Uhr morgens mein Telefon läutete. Ali schrie verzweifelt hinein, wo ich sei, ich schluchzte, dass ich sicher in seiner Wohnung sei. Er legte sofort auf. Ich wusste, er war jetzt am Weg zu mir und würde mich in den Arm nehmen und trösten. Ich hatte es so nötig, umarmt zu werden, mich an seiner starken Schulter, die ich so sehr liebte, ausweinen zu können. Ich brauchte Schutz, Geborgenheit, tröstende Worte von dem einzigen Menschen, dem ich hier vertrauen konnte.
Es läutete. Als ich ihm voller Sehnsucht die Türe öffnete, erschrak ich. Er blutete aus dem Mund, seine Kleidung war verschmutzt, es wirkte, als hätte man ihn verprügelt und am Boden liegend getreten.

Er stürzte in die Wohnung, stieß mich gegen die Schulter und schrie mich an, wo ich war. Weinend taumelte ich ein paar Schritte zurück, ließ mich auf die Couch im Wohnzimmer fallen, und wimmerte, dass Sedat mich auf die Burg verschleppt hatte. Ali stand vor mir, schrie, gestikulierte wie ein Irrer und schrie mich an: „Did you f*ck him?“
Ich blickte ungläubig nach oben, ich saß auf der Couch, er stand vor mir aufgebäumt. Er wiederholte seine Frage. Ich war fassungslos.
Verzweifelt schrie ich: „NO!“

Im gleichen Moment spürte ich meine linke Gesichtshälfte nicht mehr. Er hatte mit der rechten Hand voller Wucht ausgeholt und mir ins Gesicht geschlagen. Ich kannte dieses Gefühl nicht, noch nie in meinem Leben hatte mich jemand geschlagen. Es ist kein momentaner Schmerz, den Augenblick bekommt man gar nicht mit. Was man erlebt, ist, dass der Kopf mit enormer Wucht auf die Seite geschleudert wird. Dann fühlt es sich an, als wäre die Gesichtshälfte eingeschlafen, sie wird taub und brennt ganz leicht. Ich hörte auf dem linken Ohr für einige Sekunden nichts und vor allem, man steht komplett unter Schock. Ich war unfähig zu handeln, denken oder zu sprechen. Ich war wie gelähmt.

Das einzige, was wohl der pure Instinkt jedem in dieser Situation sagt, wenn er eindeutig unterlegen ist, ist die Flucht zu ergreifen. Ich wollte mich zusammenziehen, mich, wie ein Krebs, in seinen Panzer zurückziehen, mich unsichtbar machen. Ich sank in mich zusammen, weinte laut und bitterlich, versteckte mein Gesicht unter meinen schützenden Händen und flüchtete ins Schlafzimmer, setze mich aufs Bett, vergrub mein Gesicht und weinte verzweifelt. Ali ging mir nach, schreiend und wütend. Ich war nicht fähig zu sprechen. Er, mein einziger Schutz, schlug mich. Er gab mir keine ersehnte Geborgenheit, er bedrohte mich. Erneut. Zum zweiten Mal binnen weniger Stunden. Dies alles in einem mir fremden Land, ohne Freunde oder Sicherheit. Ich wusste nicht, wohin. Ich hatte hier doch nicht einmal Vertrauen in die Polizei.
Ali stand wieder vor mir im Schlafzimmer und schrie mich erneut mit derselben Frage an, die eher ein Vorwurf war: “Did you f*ck him?“ Verzweifelt schrie ich auf: „No!“


Diesmal trafen die Knöchel seiner Hand meine Nase, die Wange spürte ich schon nicht mehr. Ich dachte, meine Nase sei gebrochen, der Schmerz war unerträglich. Wieder ein Summen in den Ohren, diese Ohnmacht einige Sekunden lang, sich überhaupt zu bewegen. Meine linke Gesichtshälfte war taub, die Halswirbelsäule schmerzte, weil mich wieder ein unerwarteter Schlag traf, der meinen Kopf auf eine Seite schleuderte. Er schlug voller Emotion und Wucht zu.
Diesmal veranlasste mich mein Instinkt mich tot zu stellen. Die einzige Überlebenschance einer Beute in der freien Wildbahn und wohl ein angeborener Reflex. Ich dachte immer, würde mich ein Mann schlagen, würde ich groß ausholen und zurückschlagen und brüllen und einen Wutausbruch bekommen.

Dem ist nicht so.

Wenn man so dermaßen unterlegen ist, wäre das Selbstmord und so verhält sich niemand, der sich nicht eine Chance ausrechnet, den Kampf zu gewinnen. So saß ich da, in mich zusammengefallen, meinen Kopf mit Händen schützend, leblos, keine Angriffsfläche bietend. Ich war wirklich innerlich tot, emotional gestorben. Eine Hülle meiner Selbst saß auf dem Bettende und rührte sich nicht, weinte stille Tränen und verharrte abwartend. Jeden Moment könnte mich der nächste Schlag treffen.

Er wurde sich schnell meines starren Anblicks überdrüssig, fluchte vor sich hin, beschimpfte und beleidigte mich auf die primitivste Art, zog sich aus und legte sich ins Bett. Ich verharrte am Bettende ohne eine Regung. Als er einschlief und ich ihn leise schnarchen hörte, stand ich langsam auf, ging ins Wohnzimmer, ganz langsam, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich setzte mich auf die Couch und zündete mir eine Zigarette an. Ich wollte fliehen, in ein Hotel flüchten, jetzt hatte ich die Möglichkeit. Was würde ich mit meinem Gepäck machen, ich könne jetzt nicht packen, das würde er bemerken. In der Stadt könnte ich nicht bleiben, wenn, dann müsse ich mit einem Taxi weit weg fahren, mich dort auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Alles auf eigene Faust, irgendwie durchschlagen, wenn nötig, einen Flug früher buchen. Meine Gedanken rotierten, ich war nicht fähig klar zu denken. Immer und immer wieder zweifelte ich alles an, das konnte ich nicht alles erlebt haben. Was war zwischen gestern und heute geschehen, dass alles, aber komplett alles, plötzlich anders war. Ich schaffte es nicht, einen Entschluss zu fassen, zu viele Gedanken waren in meinem Kopf, ich war unfähig, etwas zu planen und durchzuführen! Kleinigkeiten, wie Lieblings T-Shirts, die ich nicht zurücklassen wollte, oder die Sorge um die finanzielle Belastung eines Hotels samt früheren Rückflugs, hatte Bedeutung. Ich fragte mich stetig, ob ich übertreibe, Selbstzweifel packten mich, ob nicht alles mit einem Gespräch aufgeklärt werden könnte. Kurzum, ich war unfähig zu handeln.
 

eternelle

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Heute verstehe ich meine Handlungsweise nicht mehr, ich frage mich, warum ich nicht einfach aufbrach und alles hinter mir ließ. Meine Therapeutin gab mir später die Antwort. Ich war traumatisiert. Ich war unfähig, klar zu denken. Ich war in einem Ausnahmezustand. Ich war wie betäubt und wie gelähmt. Mein Weltbild war erschüttert, man hatte mir alles genommen. Es gab in der dortigen Situation keine Sicherheit, keinen Anker, mir wurde jeglicher Boden unter den Füßen weggerissen. Ich war zweifach traumatisiert, in einem fremden Land, von einem Mann mit eindeutiger Mafia-Verbindung entführt und bedroht und vom eigenen Freund und „Beschützer“ daraufhin umgehend geschlagen worden.

Ich schaffte es in jener Nacht nicht, einen Entschluss zu fassen, ich war unfähig, etwas zu beschließen. Tausend Fragen und Gegenfragen waren in meinem Kopf und ich war so dermaßen erschöpft. Ich holte mir aus der Garderobe 3 Jacken, legte mich auf die Couch, unmittelbar unter das offenen Fenster ohne Glasscheibe, deckte mich mit den Jacken zu, fror unglaublich und fand keinen Schlaf. Plötzlich bäumte sich Ali am Couchende vor mir auf, und schrie mich an, was das solle, ich solle gefälligst ins Bett gehen, wo ich hingehöre. Ich hatte solche Angst, stand augenblicklich auf, ging mit ihm ins Schlafzimmer, legte mich ganz an die Wand, weit weg von ihm. Es war wohlig warm im Schlafzimmer und ich fand etwas Schlaf. Es muss bereits später Vormittag gewesen sein.

Irgendwann am Nachmittag erwachte ich sogleich, als er sich umdrehte und unruhig wurde. Ich lag am Bettende zusammengekauert. Mein Kopf dröhnte, ich hatte das Gefühl, als hätte man mich zusammengeschlagen. Meine Nase schmerzte und machte mir unmittelbar bewusst, was vorgefallen war. Ali sprang auf, meinte, wir müssen reden und ging ins Wohnzimmer.
Es folgte eine lange Unterhaltung, endlich hörte er sich an, was geschehen war. Das Reden fiel mir schwer, immer wieder brach ich in Tränen aus. Ich war so dermaßen geknickt und gebrochen, dass es mir in dem Gespräch an Selbstbewusstsein und Stärke fehlte. Ich war nicht ich, ich war ein Schatten, eine Hülle.
Ali entschuldigte sich in einem Nebensatz dafür, dass er mich geschlagen hatte. In meinem Inneren nahm ich die Entschuldigung nicht an, saß nur betäubt neben ihm. Er sinnte jetzt auf Rache. Er wollte umgehend zu Cem gehen, Verstärkung holen, sich eine Waffe besorgen und Sedat töten. Ich fiel wieder aus allen Wolken. Wovon sprach dieser Mensch? Er wollte ihn töten? Ali erklärte mir eindeutig, dass ihm dies wert wäre, er müsse seine Ehre wiederherstellen. Er wurde gedemütigt, jemand hätte seine Frau gestohlen. Er könne dies nicht so stehen lassen, er würde sein Gesicht verlieren. Er hätte keine andere Wahl, als ihn zu töten. Er erzählte mir weiters, dass in den Gefängnissen Mörder und Leute, die wegen Körperverletzung ihre Haftstrafe verbüßen würden, angesehen wären. Die hätten bestimmt ihren Grund, ihre Ehre verteidigen zu müssen. Hingegen Diebe wären das Letzte. Stiehlt jemand eines anderen Eigentums, wäre dies das größte Verbrechen. Diesen zu ermorden, wäre nur allzu verständlich. Im übertragenen Sinne hatte also auch Sedat das Eigentum von Ali gestohlen. Diebstahl sei schlimmer als Mord. In meinem Verständnis war es dies nicht. In meinem Kulturkreis versteht man unter Dieben nicht das Letzte der Kriminalität, da ist Mord und Totschlag weit schwerwiegender.

Ali würde es in Kauf nehmen, wieder einmal ins Gefängnis zu gehen. Er würde es für mich tun, er sagte ja immer, er sei mein bis in den Tod. Seine Liebe glaubte ich ihm nicht mehr. Ich war sein Besitz. Es war ihm vollkommen gleichgültig, wie es mir ging, es ging um seine Ehre. Die war von Bedeutung. Wie ich die letzte Nacht verkraftet hatte, war ihm egal. Es ging darum, wie ER die Nacht verkraftete, wie es um seine Ehre stand, wie er wirkte, wie andere über ihn dachten. Er fragte mich nicht einmal, wie es mir ging. Er versank in Selbstmitleid, sein Gesicht war gezeichnet von Hass, Rache und Ehrenverletzung. Am gleichen Nachmittag verließ er mich, er wollte zu Cem und mit seiner Hilfe Sedat richten. Ich redete panisch auf Ali ein, soweit mein Geisteszustand dies möglich machte, was das solle. Ich war in einem falschen Film, ich war komplett neben mir und musste jetzt noch denjenigen, der mich geschlagen hatte, überreden, nicht jemanden umzubringen. Ich fürchtete um mein Leben. Ich hatte schon Ahnung über die verschiedenen Verzweigungen der Mafia, auch dass sich zum Beispiel die Frauenhandelmafia und die Schutzgeldmafia nicht vertragen würden und hatte solche Angst zwischen die Fronten zu gelangen. Würde Ali Sedat etwas antun, wozu sich Sedat auch immer zugehörig fühlte, wäre ich die Ursache und wohl Ziel der Rache der anderen kriminellen Verbindung. Ich wollte das nicht. Ali erzählte mir, dass er Sedat nicht kannte, alleinig vom Sehen von Cems Place.
Das wiederum wusste ich nicht. Als wir am Vorabend das Lokal betraten, ging ich natürlich davon aus, dass die beiden befreundet waren. Wir waren eine Nacht unterwegs, Ali zahlte ihm alle Getränke, woher hätte ich ahnen sollen, dass sich die beiden nicht mal annähernd kannten.
 

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Ali machte ernst, er würde jetzt gehen, er würde zu Cem gehen, nach Rücksprache und Rückhalt sich eine Waffe besorgen, Sedat suchen und ermorden. Ich, immer noch im Pyjama, drehte durch.
Ich konnte nicht fassen, was ich da hörte. Ich redete auf ihn ein, wie wahnsinnig er sich verhalten würde, gleichzeitig lag es mir fern, ihn zu schützen, weil er der Mann war, der mir Angst einjagte, viel mehr, als Sedat dies je getan hatte. Ich wollte nur jedes weitere Nachspiel dieser Nacht vermeiden. Ich wollte mich retten, nicht ihn.

Wie war mein Leben nur derart aus den Fugen geraten? Auf einmal hatte ich es mit einem potentiellen Mörder zu tun, der aggressiv und gewaltbereit schon am Vorabend auf mich eingeschlagen hatte und jetzt bereit war, zu töten. Wäre mir die letzte Nacht in Österreich passiert, hätte mich mein Freund im Arm gehalten, und wir hätten, wenn überhaupt, überlegt, Anzeige zu erstatten. Wahrscheinlich nicht einmal, weil eigentlich nicht allzu viel vorgefallen war, also keine Vergewaltigung, im herkömmlichen Sinn, statt fand. Dass ich dennoch komplett verängstigt war, die Ungewissheit, was mit mir passieren würde, das Ausgeliefert sein und nicht zuletzt die körperlichen Übergriffe mir zu schaffen machten, bemerkte Ali nicht. Dass ich litt, war ihm egal.

Hier war alles anders, es ging um ihn, es ging um Leben und Tod und Selbstjustiz. Hier nahm man das selbst in die Hand. Es ging darum, seine Ehre wieder herzustellen, nicht meine. Ich erlebte, nebensächlich zu sein. Ali, und nicht ich, wurde gedemütigt, er war es, der litt, nicht ich, er war der, der seine Ehre retten musste, nicht ich meine. Ich weiß nicht, ob es so was, wie die Ehre einer Frau überhaupt gibt, ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, aber ich war niemals Thema dieser Angelegenheit. Der Mann müsse das sühnen, es fiel alles auf ihn zurück, eine Frau, als eigenständiges Wesen, die sich selbstständig verteidigte, gab es in dieser Hinsicht nicht. Ich wünschte, er hätte den Film „Kill Bill“ gesehen…

Es ging alles so schnell, Ali wollte sich verabschieden, er war am Weg zu einem Mord. Ich weinte, sprach ständig davon, wie verrückt das wäre, er zurück ins Gefängnis müsste, er Sedat bei Gott nicht „umbringen“ musste. Er war davon nicht abzubringen, es wäre seine einzige Chance seinen Ruf wiederherzustellen. Er wolle nicht, aber müsse das, was die letzte Nacht passiert sei, würde verlangen, dass er das räche. Ansonsten würde er nicht mehr ernst genommen werden, er hasse es, aber er müsse das tun.
Er ging ins Schlafzimmer, zog sich um, ich stand verzweifelt weinend neben ihm. Ich hatte solche Angst, ich wollte nicht diesen Aufruhr um mich, ich hatte Angst um mein Leben, um meinen Verbleib. Es war Sonntag, mein Flug ging erst freitags. Ich hatte eine ganze Woche hier zu überstehen. Dadurch, dass er keineswegs auf mich einging, sich alles um seinen Rachefeldzug drehte, hatte ich keine Chance klar zu denken, er telefonierte pausenlos, sprach nicht mit mir.

Er zog sich ein frisches Hemd an, ich stand mit verheulten Augen neben ihm. Er packte mich grob an den Schultern, meinte, er müsse sofort los, er habe mit Cem telefoniert, an die vierzig Mann würden Sedat bereits suchen. Cem habe alles organisiert, ich würde in ein Hotel gehen, ich könne nicht hier blieben, „sie“ würden mich hier finden. Ali würde jetzt gehen, wahrscheinlich würde das nicht gut enden, aber er müsse dies tun. Er gehe davon aus, dass in der örtlichen Polizei jeder Bescheid wisse und er sowieso nach dem heutigen Abend ins Gefängnis gehen würde. UND es wäre ihm eine Ehre, es wäre seine Aufgabe, seine einzige Chance, aus dieser Situation zu entkommen. Jeder würde das verstehen. Mit erhobenem Haupte würde er wieder dorthin zurück, wo er im Sommer noch erklärte, nie wieder hin zu wollen. Er sprach eiskalt und emotionslos, während er sich nebenbei fertig machte, wirkte auf mich wie ein Roboter und hatte es sehr eilig.
Ich war überfordert mit der Situation, fragte ihn immer und immer wieder, in welches Hotel ich solle, was er da geplant hatte, ob ich den Rest der Woche alleine bewältigen sollte, was da, um alles in der Welt, rund um mich geplant wurde?

Er sprach nicht mit mir, es ging ja alleinig um ihn, er packte mich und schrie mir ins Gesicht : “Wenn ich ins Gefängnis gehe, wirst du auf mich warten?“ Ich weinte und konnte nur wieder ein verzweifeltes, die allgemeine unglaubliche Situation umfassendes, weinerliches „No!“ von mir geben, das eigentlich nicht auf seine Frage bezogen war, sonder vielmehr auf den Umstand, der sich jetzt ergab. Ich wollte das alles nicht glauben, kannte mich nicht mehr aus. Mein „Nein“ war bezogen auf das alles, eine Rebellion, das nicht gutzuheißen, ich wollte mit ihm vernünftig reden, was komplett unmöglich war.
Er deutete mein „Nein!“ falsch, packte mich und warf mich auf das Bett. Er schrie mich an, dass ich also nicht auf ihn warten würde. Ich konnte vor lauter Tränen, die sich ungefragt über meine Wangen ergossen, kaum sprechen, widerlegte es und meinte nur, dass ich solche Angst hätte. Und natürlich auf ihn warten würde. Ich meinte es im Herzen nicht so, ich wusste, es war vorbei. Er riss mir wortlos meine Hose herunter, stürzte sich auf mich und drang in mich ein. Brutal und ohne Emotionen, es war eine Markierung des Besitzes, seines Reviers. Ich schrie auf, weinte bereits seit Stunden, meine Schreie, er solle aufhören, ignorierte er. Ich war so dermaßen gebrochen durch mein Erlebnis mit Sedat, ich war sexuell tot, hätte eine langsame Annäherung gebraucht, die in mir wieder Vertrauen aufgebaut hätte.

Jetzt wahrhaftig missbraucht zu werden, war unfassbar.

Ich lag auf dem Rücken und er lag wütend, voller Zorn auf mir. Je mehr ich weinte und mich teilnahmslos gab, desto mehr forderte er an Zuwendung. „It could be the last time! Tomorrow I´m in jail…!“
Er packte mich gewalttätig, wahrscheinlich meines weinendes Gesichtes überdrüssig, drehte mich auf den Bauch und drang erneut in mich ein. Grob und brutal, während mein Gesicht auf das Laken gepresst wurde und meine schmerzende Nase bei jedem Stoß für weitere, stechende Schmerzen sorgte.

Ich hatte dieses Gefühl noch nie in meinem Leben. Ich war ein Gegenstand, den man herumdrehte, ich war nichts wert, er verlangte bedingungslose Liebe, aber ich war unmündig. Ich war sein Besitz, dessen beraubt, er sich wehren musste. Ich war ein Gegenstand, dessen Gefühle unwichtig waren. Es ging alleinig um seine Macht über diesen Gegenstand, den er benutzen konnte, wann er wollte, da er der alleinige Herrscher darüber zu sein glaubte.
Als er zu seiner Befriedigung gelangte, und ich benutzt und gebraucht auf dem Bett lag, ging er wortlos.
 

eternelle

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AW: Türkische Mafia und die Liebe

Ich war alleine in seiner Wohnung und hatte eine allumfassende Angst in mir. Ich zitterte am ganzen Körper. Und ich fror so dermaßen! Rückblickend gesehen fror und zitterte ich bis zur Ankunft in meiner Wohnung in Österreich. Ich traute niemandem mehr und wusste dennoch nicht, wohin. Mein einziger rettender Gedanke war die Botschaft. Eine deutschsprachige Institution, ein Anker im Ausland. Ich hatte nicht die Kraft zu packen und mich in ein Taxi zu setzen, so verrückt sich das auch anhören mag! Ich war mehrfach traumatisiert, war gelähmt und handlungsunfähig. Aus eigenem Antrieb schaffte ich nichts. Ich saß in Alis Wohnung, sah schweigend auf den Boden, stundenlang. Ich rührte mich nicht, alleine meine Hände zitterten.
Bis ich entschloss meine beste Freundin in Österreich zu kontaktieren, dass sie mir die Telefonnummer des österreichischen oder deutschen Konsulats oder einer Botschaft in ummittelbarer Nähe im Internet suchen sollte. Zur Sicherheit, falls sich die Lage zuspitzte. Worauf ich noch gedachte, zu warten, weiß ich nicht, auch nicht wie weit sich die Lage noch mehr zuspitzen hätte sollen, bis ich endlich handlungsfähig gewesen wäre. Zu Hause ein paar Klicks im Internet, irgendwo in einer Wohnung ohne Internet, Heizung, Fernseher oder Radio (dem ich ihm aber im Jänner mitbrachte, weil ich die Stille nicht ertrug), ein Ding der Unmöglichkeit. Ich hätte den Weg zu einem Internet-Cafe nicht geschafft. Ich schrieb ihr also ein sms, was mich enorme Kraft kostete.

Nina rief mich Sekunden später zurück. Ich sprach teilnahmslos mit ihr, erzählte ihr monoton, was mit Sedat vorgefallen war, als wäre ich nicht dabei gewesen. Ich war mir dessen keineswegs bewusst, was ich da erzählte, war komplett emotionslos. Ich verschwieg ihr allerdings das Verhalten Alis mir gegenüber. Es war kein bewusstes Verheimlichen, ich glaube, ich wollte es selber nicht glauben und konnte es einfach nicht erzählen. Es war so unreal und unfassbar, dass ich es nicht über meine Lippen brachte. Würde ich es aussprechen, würde es existent sein. Spricht man nicht darüber, ist es vielleicht gar nicht wirklich geschehen und nicht so greifbar. Nina wusste aber von meinen Mafia Vermutungen, ich hatte ja mit ihr nach meinem Besuch im Jänner ausgiebig darüber diskutiert und sie wusste vom jetzigen Racheplan Alis.
Sie fiel aus allen Wolken. Nina verlangte von mir, sofort das Land zu verlassen, einen Flug zu buchen und umgehend nach Hause zu kommen. Das alles rund um mich sei zu gefährlich. Ich fand, in meiner Lethargie, ihre Bedenken für übertrieben. Ich war nicht bereit zu handeln. Heute so dermaßen unbegreiflich, war ich komplett unbeweglich, ich stellte mich wohl immer noch tot.
Nina machte mir die Hölle heiß, sie gab mir eine Nummer, bei der ich mich sofort zu melden hätte, sie verlangte die Adresse von Ali, die ich nicht mal wusste. Wir legten auf mit der Abmachung, dass ich sofort bei der Botschaft anrufen würde und dafür sorgen müsste, einen Flug zu bekommen. Am besten heute noch.
Ich wählte ferngesteuert die Nummer, ich weiß bis heute nicht, wo ich da genau landete, aber ein Mann meldete sich am Apparat. Ich kann mich heute kaum mehr erinnern, was ich sprach, der ganze Rest der Woche ist in einen grauen Schleier gehüllt, ich habe Erinnerungslücken, kann mich nur dunkel erinnern. Ich war nicht mehr bei mir.

Wahrscheinlich hab ich wirres Zeug am Telefon geredet, was sich aber in meine Erinnerung eingebrannt hat, war, dass er mir riet, mich an die örtliche Polizei zu wenden und vor Ort Anzeige zu erstatten. Ein Standard Spruch. Ich sagte nichts, wo hätte ich auch anfangen sollen. Dass ich viel mehr Angst um mein Leben habe, der „örtlichen“ Polizei sicher nicht traue, die Sedat und Ali sehr wohl kennen. Ich hätte alleinig gebraucht, dass jemand zu mir sagt „Wo bist du, wir holen dich.“, zu mehr Eigeninitiative war ich nicht fähig. Der Anruf war das Höchste, was ich an Kraft aufwenden konnte.
Ich beruhigte meine Freundin, versprach mich regelmäßig zu melden, was ich auch bis zu meiner Abreise tat. Mehrmals täglich vergewisserte sie sich per sms, zu ausgemachten Zeiten meldete ich mich bei ihr. Sie kam beinahe um vor Sorge und überlegte schon Schritte aus Österreich einzuleiten oder meine Familie zu informieren. Sie war mein Anker, mein kleines Stück Sicherheit und vor allem ein kleines bisschen Normalität in dieser entrückten Welt, in der ich mich momentan befand. Dabei hatte sie keine Ahnung, in welcher Hölle ich mich tatsächlich befand und ich war fleißig daran zu leugnen und zu verdrängen.
All unsere Sms Korrespondenz löschte ich umgehend fein säuberlich, ich wollte Ali in keiner Weise reizen.


Ich blieb die restlichen fünf Tage in Alanya. Sedat war untergetaucht und unauffindbar. Ali hatte nach zwei Tagen beschlossen, ihn nicht zu töten, sondern lediglich ins Bein zu schießen. Ich hoffte inständig, Sedat würde sich bis zu meiner Abreise nicht mehr blicken lassen, was er auch nicht tat. Ich versteckte mich in Alis Wohnung, zog tagelang meinen Pyjama nicht aus, selbst Körperhygiene war mir zu viel Kraftaufwand. Ali ließ mich viel alleine in der Wohnung, er hatte seinen Rachefeldzug zu planen und zu organisieren und ignorierte mich eigentlich. Ich hatte Angst vor ihm, er war ein anderer Mann geworden. Aber ich unterwarf mich für den Rest der Woche aus Angst, er würde mir wieder irgendetwas antun. Ich sagte ihm, was er hören wollte, versprach ihm alles, was er wollte und war ihm sexuell zu Diensten. Noch lange danach war mein Körper von blauen Flecken übersät. Mir ekelte vor ihm und ich war ein eingeschüchtertes, lebloses, apathisches Häufchen Elend. Ich traute ihm auf einmal alles zu. Darum wagte ich auch nicht zu fliehen, er hätte mich überall gefunden und ich hätte mich auch zu Hause noch nicht sicher gefühlt. Ich wagte auch nicht, die Beziehung vor Ort zu beenden. Ich weiß nicht, wozu er fähig gewesen wäre, wenn sein Eigentum ihn verlässt. Jedem Streit versuchte ich aus dem Weg zu gehen, aus Angst geschlagen zu werden. Ich ordnete mich unter, tat alles, was er verlangte, wagte nicht einmal zu widersprechen. Alles was ich tat, war die Tage und Stunden zu meinem Abflug zu zählen. Ich weiß nicht, wie ich diese fünf Tage überstanden habe. Meist saß ich stundenlang mit Jacke am Küchentisch und löste mit klammen Fingern meine geliebten Rätsel in Form von Logiktrainern. Ich hatte dann keine Zeit nachzudenken, war gezwungen in logischen Mustern zu denken, was mir Halt gab. Kam Ali bei der Tür herein, zuckte ich zusammen, verließ er die Wohnung, machte sich Erleichterung breit. Ich zählte die Stunden jedes Tages. Gleichzeitig schwor ich ihm unehrlich meine unendliche Liebe und „wir“ planten meine erneute Ankunft zu Ostern. Jeden Tag vergewisserte er sich, ob ich auch wirklich im März/April wiederkommen würde, packte mich dabei meist grob und sah mich drohend an. Ich musste mitspielen. Ich traute ihm zu, dass er mir meinen Pass wegnehmen würde oder mir sonst etwas zuleide tun würde.
 

eternelle

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AW: Türkische Mafia und die Liebe

Zweimal verließ ich mit ihm die Wohnung, aber ich vermutete hinter jedem Schatten, hinter jedem Geräusch eine Gefahr. Ali hielt mich fest an der Hand, wenn wir auf der meist menschenleeren Straße gingen. Mitte Februar bei strömendem Regen gleicht Alanya einer Geisterstadt. Einmal hupte ein Auto hinter uns, ich erschrak so sehr, dass mein ganzer Körper zusammenzuckte und ich beinahe stürzte. Ali zischte mich an, ich solle mich zusammenreißen. Er empfände es als Beleidigung, dass ich mich an seiner Seite nicht sicher fühle. Ich war den Tränen nahe, aber musste mich zusammenreißen. Ich durfte mir meine Abscheu ihm gegenüber nicht anmerken lassen.
Cems Place hab ich nie wieder gesehen, geschweige denn all die anderen Bekannten von ihm.
Einmal ließ er mich wieder abends allein und ich saß wieder über meinen Logiktrainern. Meine Haare waren all die Tage ungewaschen, ich fühlte mich einfach nur elend. Also ging ich ins Bad, beugte mich über die Badewanne (die nicht funktionierte), holte mir von der Duscharmatur gegenüber einen Kübel eiskaltes Wasser und schüttete ihn mir, über die Wanne gebeugt, über den Kopf. In diesem Moment ging plötzlich in der ganzen Wohnung das Licht aus. Ich erstarrte. Das Radio verstummte, es war stockdunkel und totenstill. Alleinig mein Herz hörte ich bis zum Halse klopfen. In dem Moment war mein einziger Gedanke: “Jetzt bringen sie mich um…ich bin tot.“ Sie machen sich am Sicherungskasten zu schaffen, werden gleich die Türe aufbrechen und die Wohnung stürmen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen und jedes noch so kleine Geräusch versetzte mich noch mehr in Panik. Leise ging ich ins Wohnzimmer, ich wollte zu meinem Handy. Dann sah ich durchs Wohzimmerfenster im Haus gegenüber Kerzen angehen. Es war nur ein Stromausfall, der wohl die ganze Straße betraf. Ich rief sofort Ali an, ob es in der Wohnung wo Kerzen gäbe, aber er verneinte. Also saß ich unendliche Minuten alleine im Stockdunkeln, mit eiskalten, nassen Haaren, fror und kämpfte mit dennoch immer wieder kehrenden Panikattacken. Ich war nervlich am Ende und das Dunkel um mich machte mich fertig.

Alis Verhalten mir gegenüber veränderte sich nicht mehr. Er war grob, rücksichtslos, behandelte mich als sein Eigentum, verfügte über mich. Niemals erkundigte er sich, wie ich mich fühle. Er verlangte dennoch meine bedingungslose Liebe, schwor ich ihm diese und trug ich besonders dick auf, war er besänftigt. Rückblickend sind diese Tage in meiner Erinnerung sehr verschwommen. Ich weiß nicht, wann Tag und wann Nacht war, ich schlief kaum mehr.

Am Weg zum Flughafen spielte ich ihm große Traurigkeit vor, innerlich musste ich mich in Geduld üben, den Fahrer nicht anzufeuern, schneller zu fahren. Ich drehte mich um. Die Burg von Alanya erschien. Ich betrachtete sie und wusste in diesem Moment, dass ich sie nie wieder sehen wollen würde. Der Abschied am Flughafen war kurz. Ein letzter Kuss voll Ekel und Abscheu und ein letztes Vergewissern, dass ich zu Ostern wieder hier sein würde. Mein Abschied war anders, als seiner. Ich wusste, ich würde ihn nie wieder sehen. „Bis Ostern! I love you!“ sagte ich traurig, „Bis nie wieder! Verschwinde endlich!“ sagte mein Herz. Ich sah ihm lange nach. Sein Gang, sein Gehabe, sein Lachen, alles widerte mich an. Ich hatte immer noch Angst, saß alleine am Flughafen.
Das Gefühl, als die Maschine endlich startete und ich Antalya unter mir immer kleiner werden sah, werde ich nie vergessen. Ich wollte weinen und lachen gleichzeitig. Als mir in München ein Zollbeamter ein gemütlich bayrisches „Grüß Gott!“ entgegen rief, wäre ich ihm am liebsten um den Hals gefallen. Ich vertraute diesem wildfremden Menschen mehr als jedem einzelnen, mit dem ich eine ganze Woche zu tun hatte.

Das Wochenende verbrachte ich eingeigelt in meiner Wohnung in Österreich. Am Montag sollte ich wieder in die Arbeit. Da ich regelmäßig zu weinen begann und es nach wie vor nicht schaffte, mich anzuziehen oder irgendetwas anderes zu tun, außer Rätsel zu lösen, gab ich eine Grippe vor und ging in Krankenstand. Nina war es, die mir wieder das Messer ansetzte, ich müsse eine Therapeutin aufsuchen. Der Weg zum Hausarzt war schwierig. Ich saß im Wartezimmer und weinte. Ich schämte mich vor den anderen Wartenden, aber konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Der Arzt diagnostizierte umgehend eine posttraumatische Belastungsstörung und empfahl eine Psychotherapie. Sieben Monate lang besuchte ich diese, bevor wir in beidseitigem Einverständnis die Therapie beendeten. Obwohl mir ein Langzeitkrankenstand oder ein Kuraufenthalt dringend nahegelegt wurde, lehnte ich diesen ab. Ich wünschte mir so viel Normalität wie möglich und wollte täglich in die Arbeit gehen. Am Tag nach einer Therapiesitzung fiel es mir schwer. Ich begann unkontrolliert und ohne Anlass zu weinen und musste meine Arbeit unterbrechen. Es gab Tage, an denen ich um kurz nach acht bereits wieder weinend im Auto saß und nach Hause fuhr. Also vertraute ich mich meinem Vorgesetzten an und wir einigten uns darauf, dass ich einmal in der Woche, am Tag nach der Therapiesitzung, in Krankenstand gehen würde. Diese Lösung war optimal. Ich hatte meinen Alltag, die Routine und zwischendurch kurze Auszeiten zur Erholung und Verarbeiten der Therapie.
Der Umgang mit Ali war weit schwieriger. Erstmalig, in sicherer Entfernung, sprach ich an, dass ich ihm nicht verzeihen kann und will, wie er mit mir umging. Er drehte durch, schrie mich erneut an, beschimpfte mich und wollte mich durch Autorität und Befehle zurück. Er machte Telefonterror, rief über mein Festnetz auch mitten in der Nacht an. Ich legte mir ein zweites Handy zu und steckte mein Festnetz aus. Die zweite Telefonnummer gab ich den engsten Freunden, die eigentliche schaltete ich aus um sie nur abends zu kontrollieren, ob andere wichtige Anrufe darauf waren um zurückzurufen. Nach einem Monat waren seine Anrufintervalle auf ein normales Maß geschrumpft und ich aktivierte wieder meine alte Nummer. Nach drei Monaten wurde er wieder hartnäckiger, der Sommer stand bevor und er bettelte mich an, zu ihm zu kommen. Er würde alles bezahlen wollen, ich solle nicht einmal Geld mitnehmen. Er versuchte mit allen Mitteln mich zu locken. Tausendfach entschuldigte er sich, es würde jetzt alles anders sein, er würde ein anderer Mensch sein.
Bis heute, 12 Monate danach, erreichen mich immer wieder sms von ihm, in denen er mir seine Liebe in den blumigsten Farben darlegt. Es war anfangs sehr schwer, nicht darauf einzugehen und ihm nicht zu glauben, aber heute ist es so, dass jeglicher Annäherungsversuch von seiner Seite an mir abprallt.
Es war eine harte Zeit, aber erst dadurch habe ich erleben dürfen, wie viel Stärke und Mut in mir steckt. So grausam auch die Gedanken an diese Woche in Alanya sind, so gehören sie mittlerweile zu meinem Leben. Ich habe vielen Menschen davon erzählt, versuche sehr offen damit umzugehen, wollte mich nie damit verstecken. Ich war ein Opfer, und Opfer neigen oft dazu, sich zu schämen und zu schweigen, obwohl es dafür keinen Grund gibt.
Das Niederschreiben meines Erlebten war für mich Teil meiner Therapie. Ich kann es kaum erwarten, endlich auch dieses Projekt ad acta legen zu können. Während ich jetzt meinen letzten Satz hier tippe, beginnen in mir schon die Sektkorken zu knallen, dass ich jetzt, nach ziemlich genau einem Jahr Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Thema, dieses Kapitel meines Lebens nun endlich abschließen und endgültig zur Seite legen kann.
 

ege35

Well-Known Member
AW: Türkische Mafia und die Liebe

Uuuuufffffffffffff!!! Jetzt bin ich erst mal sprachlos, das muss erst verdaut werden!
Ich wünsch dir alles Gute.
LG
 

ege35

Well-Known Member
AW: Türkische Mafia und die Liebe

Dankeschön :) Das Ende hab ich recht knapp gehalten, ich könnte alleine über die Zeit danach noch ein Buch schreiben...aber das Wesentlichste hab ich erwähnt.
lg

Warum machst du das nicht? Im Ernst! Dein Schreibstil übertrifft bei weitem den vieler Möchtegern-Autoren. Ich denke, das ginge weg wie warme Semmeln.
Da hättest du wenigstens eine kleine Entschädigung für das Erlittene.
LG
 
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