Und Schlesien und Ostpreußen wollen wir auch wiederhaben?
Ich glaube nicht, dass man das ganze dort mit Schlesien und Ostpreußen vergleichen kann. Und wenn man die Palästinenser verstehen will, dann muss man nicht beim Jahr 1967, sondern früher, vor 1948, anfangen. In der Zwischenkriegszeit haben sich die Zionisten auf eine Landnahme und ethnische Säuberung vorbereitet, Spezialisten in den arabischen Dörfern geschickt, um sie zu erforschen und zu richtige Dossiers zu machen: Boden, Wasser, Hügel, Leute, insbesondere diejenigen, die gegen die Briten 1936 gekämpft haben. Man hat Listen mit all diesen Leuten gemacht und dabei die Gastfreundschaft der Araber genossen. Dann 1947-48 kamen dieselben Spezialisten mit verhüllten Gesichter wieder in den Dörfern und erschossen diejenigen die auf den Listen standen. Es war schon alles geplant, schon vor 1940.
"Ben-Zion Luria, der damals Angestellter der Bildungsabteilung der Jewish Agency war... wies darauf hin, wie nützlich ein detailliertes Register aller arabischen Dörfer wäre...
Die Arbeit der Topografen und Orientalisten lieferte detaillierte Unterlagen, die die zionistischen Experten nach und nach für jedes palästinensische Dorf zusammenstellten. Bis Ende der 1930er Jahre war dieses »Archiv« so gut wie komplett. Es enthielt präzise Angaben über die topografische Lage eines jeden Dorfes, über Zufahrtsstraßen, Bodenqualität, Wasservorkommen, Haupteinkommensquellen, soziopolitische Zusammensetzung, Religionszugehörigkeit, Namen der Muchtars (Ortsvorsteher), die Beziehungen zu anderen Dörfern, das Alter der männlichen Einwohner (zwischen 16 und 50) und vieles mehr. Eine wichtige Kategorie war ein Index der »Feindseligkeit« (gegen das zionistische Projekt), gemessen am Beteiligungsgrad des Dorfes an der Revolte von 1936. Es gab eine Liste mit den Namen aller, die sich an der Revolte beteiligt hatten, und sämtlicher Familien, die im Kampf gegen die Briten einen Angehörigen verloren hatten...
Die Aufgabe lautete, das Dorf zu erkunden und gewisse Informationen herauszufinden, etwa wo der Muchtar wohnte, wo sich die Moschee befand, wo die Reichen des Dorfes wohnten und wer sich aktiv an der Revolte 1936 beteiligt hatte. Es war kein sonderlich gefährlicher Einsatz, da die Infiltranten wussten, dass sie die traditionelle arabische Gastfreundschaft nutzen konnten, und sogar im Haus des Muchtars zu Gast waren. Als es ihnen nicht gelang, an einem Tag alle Informationen zu bekommen, die sie brauchten, ließen sie sich ein weiteres Mal einladen. Bei ihrem zweiten Besuch hatten sie den Auftrag, Informationen über die Fruchtbarkeit des Bodens zu sammeln, dessen Qualität sie offenbar stark beeindruckte. Umm al-Zinat wurde 1948 zerstört und sämtliche Einwohner wurden vertrieben, ohne dass von ihnen irgendwelche Provokationen ausgegangen wären. Die letzte Aktualisierung der Dorfdossiers geschah 1947. Sie konzentrierte sich auf Listen »gesuchter« Personen in jedem Dorf. Diese Listen nutzten jüdische Truppen 1948 für Durchsuchungen und Verhaftungen, die durchgeführt wurden, sobald sie ein Dorf besetzt hatten. Dabei ließen sie die Männer des Dorfes in einer Reihe antreten und alle identifizieren,
die auf den Listen standen, oft von derselben Person, die ihnen diese Informationen ursprünglich zugespielt hatte und die nun einen Sack mit zwei Augenlöchern über dem Kopf trug, um nicht erkannt zu werden. Die ausgesuchten Männer wurden oft auf der Stelle erschossen...
Am 29. November 1947 wurde die Teilungsresolution verabschiedet. Anfang Dezember 1947 begann die ethnische Säuberung Palästinas mit einer Serie jüdischer Angriffe auf palästinensische Dörfer und Stadtviertel als Vergeltung für die bei den palästinensischen Protesten gegen die UN-Resolution in den ersten Tagen nach deren Annahme zerstörten und verwüsteten Busse und Läden.1 Diese ersten jüdischen Angriffe waren zwar sporadisch, aber schwer genug, um den Exodus einer beträchtlichen Zahl von Menschen zu bewirken (fast 75000)...
Bereits im Februar 1948 war die amerikanische Regierung zu dem Schluss gekommen, dass die UN-Teilungsresolution keineswegs ein Friedensplan war, sondern dass anhaltendes Blutvergießen und Feindseligkeiten darin vorprogrammiert waren. Daher machte sie, um einer Eskalation des Konflikts vorzubeugen, zwei Alternativvorschläge: und zwar im Februar 1948 einen Plan für eine fünfjährige Treuhandverwaltung und am 12. Mai eine dreimonatige Waffenruhe. Beide Friedensvorschläge lehnte die zionistische Führung rundweg ab...
Bis März 1948 ließen sich die Aktivitäten, die die zionistische Führung zur Verwirklichung ihrer Vision unternahm, noch als Vergeltung für feindselige Aktionen der Palästinenser oder Araber darstellen. Ab März 1948 war das jedoch nicht mehr der Fall: Unumwunden erklärte die zionistische Führung – zwei Monate vor Beendigung des Mandats – ihr Bestreben, das Land zu übernehmen und die heimische Bevölkerung gewaltsam zu vertreiben, und zwar in Plan Dalet.
Quelle: Pappe, Ilan. Die ethnische Säuberung Palästinas (German Edition) . Haffmans & Tolkemitt. Kindle-Version.
Also, wer hat von wem Gebiete erobert?
PS. Ich glaube die Utopie der Zweistaatenlösung wird sich nicht durchsetzen können. Eher ein einziger Staat für alle, mit gleichen Rechte. Aber bis man dazu kommen wird, wird noch viel Blut fließen.