Mendelssohn
Well-Known Member
Merz war der dritte oder vierte - je nach Zählweise - der die deutsche Leitkultur seit den späten neunziger Jahren thematisierte (wiki).Und natürlich hat Merz sich rassistisch geäußert. Wer kam denn mit der "deutschen Leitkultur?"
Ozdemirs richtige Antwort war darauf, dass es nicht um Assimilation, sondern um Integration gehen müsse.
D. h. diese Diskussion wurde sehr theoretisch geführt unter Ausschluss entwürdigender Bezeichnungen für den Diskurspartner und politischen Gegner. Die Zuwanderung auf ein bestimmtes Kontingent von Arbeitskräften in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zu begrenzen (die Aufnahme von Flüchtlingen ist davon zu unterscheiden, und das Asylrecht stand auch nie zur Disposition), ist himmelweit von der AfD-Forderung, an den Grenzen Waffengewalt einzusetzen, entfernt. Der Begriff "deutsche Leitkultur" bezog sich weder bei Merz noch seinen Vorgängern auf eine volksdeutsche Rasse, sondern auf eine deutschsprachige Kultur, die bei aller faktischen Multikulturalität erhaltenswert erschien. So hat Özdemir, Deutscher mit Migrationshintergrund, den Diskurs jedenfalls aufgenommen und mit Habermas und dem Grundgesetz die Rechte der Minderheiten als Teil deutscher (Erinnerungs-) Kultur zur Geltung gebracht.
Dass der Begriff der deutschen Leitkultur dann ins CDU-Programm Eingang fand, war gewiss ein Fehler, weil die AfD an diesem Punkt aufsatteln konnte und dann als "echte" Vertreter einer biodeutschen Leitkultur den Konservativen ("verkappte Demokraten und Liberale") ordentlich Stimmen abnehmen konnten. Rüttgers Parole im NRW-Wahlkampf 2000 "Kinder statt Inder" war hingegen rassistisch aufgeladen, auch wenn die eigentliche Botschaft war: mehr Geld in die technischen Universitäten stecken, statt Import von IT-Fachkräften.
All diese Diskussionen stellen im Unterschied zu Höcke und Co. aber nicht die Demokratie, nicht den Rechtsstaat und nicht das Recht auf Asyl oder die Menschenrechte insgesamt in Frage. Für solche Leute sollten wir entsprechende Begriffe reservieren, sonst machen wir uns mit den Antidemokraten am Punkt der Diskursverweigerung mit einem konservativen, aber immer noch demokratisch gesonnenen, Politiker gleich.
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