Es wäre zu wünschen, dass sie diesen Zusammenhang erkannt und deshalb auf die Neuauflage eines vermutlich überflüssigen Buchs verzichtet hat.
Das einst so hochehrwürdige, phantastische, herausragende, inzwischen nur noch skandalöse deutsche Verlagswesen aufzumischen sind schon viel bessere Gelegenheiten verpaßt worden.
Ich erinnere mich, wie der Rektor der Bayreuther Universität, an der zu Guttenberg promoviert hatte, gebetsmühlenartig wiederholte: Wir hatten ja das Glück, daß zu Guttenberg hauptsächlich aus im Internet zugängliche Texten plagiierte. So war überhaupt Fischer-Lescano ihm drauf gekommen, und so konnte eine Guttenplag-Meute dann einfach Google anwerfen für den Rest der Arbeit. Niemand zog daraus die Konsequenz: Warum stellen wir nicht ALLES juristisch Relevante ins Internet? Damit man sowas einfach ergoogeln kann? – Ich meine, es war die Silvie Koch-Mehrin (FDP), die war schon schlauer war (oder war es doch Schavan?): Die hat aus nicht digitalisierten, analogen Büchern geklaut. Das erschwert die Stellensuche ungemein: Du mußt zumindest wissen, welche wissenschaftliche Standartliteratur es zu ihrem Thema gibt, aus der sie sich bedient haben könnte. Da kann sich nicht jeder Internet-Fuzzi dransetzen.
Es gibt ja die fundamentalistische Forderung aus Hacker- und Piratenkreisen: Alles, was z.B. via Universität öffentlich finanziert wird, ist öffentliches Eigentum und gehört unter einer
common license ins Netz gestellt. So radikal kann ich das nicht nachvollziehen. Es gibt Forschungsverbünde von Industrie und Universität, wo beide Institutionen von profitieren, und wo die Industrie aber die Ergebnisse zu Recht proprietarisiert. Für Wissenschaften, wo Du aber nur Papier, Bleistift und einen Benutzerausweis brauchst für die Unibibliothek, kann ich diese Forderung sehr wohl nachvollziehen, also etwa für Philosophie, Theologie, Germanistik und eben auch Jura. Die Doktorarbeit vom zu Guttenberg hat augenscheinlich keinerlei Betreuung vom Verlag erfahren (jedenfalls keine eines Lektoriats: Ich war damals Nerd und voll drin in dem Thema: Eine Leistung gab es allerdings, die, daß sie hochprofessionell gesetzt worden war. ConTeX, das ist schon eine Hausnummer. Mußte ich erst mal googeln, was das schon wieder ist. Aber letztlich ist es auch nur ein TeX; jede Rechenabteilung einer Universität hätte das aber in den Standart LaTeX setzen können mit dem selben Endergebnis). Warum hat das nicht die Universität Bayreuth im Eigenverlag herausgegeben und auf Papier über
bookondemand herausgebracht, und auf eigenen Rechenservern ins Internet gestellt? Auf diese Art und Weise hätte es jeder im Buchladen für vielleicht 20€ erwerben können; der Qualitätsverlag, der diesen Dreck herausbrachte, ließ sich dafür 90€ vergüten – FÜR WAS?
Ich habe mit wissenschaftlicher Literatur zu tun von etwa 1870 bis in die Gegenwart. Man glaubt nicht, was für unglaublich herausragende Bücher vor hundert Jahren gemacht, gefertigt, fabriziert wurden. Mit beweglichen Bleilettern haben Fachleute Bücher gesetzt etwa in Altsprachen oder mathematischen Gleichungen, von denen sie nichts, kein Wort, das sie setzten, verstanden. Relativitätstheorie ist gedruckt worden. Aufgrund handschriftlicher Manuskripte. – Ich sag nur mal für meine Bereiche: Altes und Neues Testament in Hebräisch und Altgriechisch mit allen Interpunktionen, und kein Jota ist falsch, und das von Setzern, die nur lateinische Schrift lesen und verstehen können. Das ist nichts. Hethitisch, sumerisch, altindische Schriften kommen dazu. Ich kann kein genaues Datum nennen; seit gefühlt 1990 kriege ich nur noch Dreck zu sehen. Ob philosophische Fachliteratur oder die deutsche Übersetzung von Harry Potter (ich habe eine spätere Auflage, als das Ding schon Geld wie Dreck abwarf, und ich habe ich weiß nicht wie viele Fehler drin entdeckt).
Das Übelste sind die Verunstaltungen der Bücher Hannah Arendts, deren Lektor ein Nazi war. Die bis heute, und zwar wissentlich unverändert übernommen werden. Der Piper-Verlag ist so ein shithole-Verlag –
Wenn also nicht einmal diese causa, die causa zu Guttenberg die herrschenden, inzwischen verbrecherisch gewordenen Verlagsmodelle wenigstens mal ins Zittern gebracht hat, dann hat Frau Baerbock mit ihrem Vorgehen auch nicht bezweckt, dahingehend etwas zu unternehmen. Ihr Vorwand, ihre aktuelle Arbeit ließe ihr keine Zeit mehr, das Buch zu überarbeiten, zählt allerdings auch nicht; sie hat längst einen Status, daß das auch Mitarbeiter für sie erledigen könnten, studentische Hilfskräfte, wo sie nur Supervision leisten müßte. Nein. Das ist einfach die einfachste Methode, die Diskussion ein für alle Male hinter sich zu lassen, das Kapitel zu beenden.
Als Referenz nur mal so, wie der Staat urteilt, wenn Du keine Frau Baerbock bist (geht jetzt nicht um Plagiate, bin zu faul,
Kraftwerk vs. Moses Pelham zu googeln, dafür ist es aktueller):
Sie habe keinen eigenen Computer und keine technischen Kenntnisse. Dennoch wurde eine Seniorin in letzter Instanz wegen Filesharing verurteilt. Das Urteil bedeutet einmal mehr Unsicherheit für alle, die gern ihr WLAN teilen.
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