AW: Wiesenthal-Zentrum: Kriegsverbrecher Csatáry in Ungarn entdeckt
Meine Meinung: Sollte man: Selbst wenn man weiß, das er nicht mehr lange macht, selbst wenn er Haftverschonung bekommt.
Die Gelegenheiten, halbwegs authentisch diese Zeit zu reflektieren, wird nicht mehr so häufig wiederkehren.
Gerade in Deutschland, aber nicht nur, sollte jeder durchdenken, wie er sich in dieser Zeit verhalten hätte.
Wichtig ist nicht die Verurteilung sondern die Stellung der Gesellschaft gegen diese Zeit!
Als ich dieses Thema begonnen habe, war ich nicht so sicher, ob er es wirklich ist. Stell Dir nur mal vor, man sperrt so einen alten Herrn ein, der stirbt vor Schreck und dann war er es gar nicht? Dann hat man ihm seinen letzten Tage versaut ... wenn dann noch rauskäme, dass er ein Nazi Opfer war - nicht auszudenken.
Nun scheint er es ja zu sein. Er ist jetzt übrigens schon verhaftet. Hat mich gewundert, dass das hier noch keiner angemerkt hat. Dann wird es jetzt zu einer Verhandlung kommen.
Ich finde nur, man sollte mit solchen banal oberflächlichen Vorverurteilungen vorsichtig sein. "Ey weißt Du Alder, scheiss Nazi, schickst Du den auch in Konzentrationslager und dann soll er verrecken - scheissen Mörder".
So einfach ist die Sache eben nicht.
Ich fand deswegen diesen Satz ganz interessant:
Gerade in Deutschland, aber nicht nur, sollte jeder durchdenken, wie er sich in dieser Zeit verhalten hätte.
Ich glaube das kann man gar nicht. Nazi sein war damals eine Mode, es war jugendlich, revolutionär. Gerade bei jungen Leuten konnten die Nazis landen.
Die ganzen jungen Mode-Zombies von heute, die gesellschaftlichen Mitläufer, die vermeindlichen Trendsetter ... wer hätte denn von uns damals den Weitblick und das Rückrat gehabt zu widerstehen?
Heute kann man das leicht sagen und mit dem Finger zeigen.
Keine Entschuldigung, nur ein Hinweis an die Fingerzeiger.
Was jetzt diesen Herrn angeht ... Ungarn hängte sich seit 1933 an den deutschen Rockzipfel, war aber ein eigenständiger Staat. Der Preis für die deutsche Unterstützung war hoch, so mussten die Ungarn 1941 ihre schlecht ausgerüsteten Soldaten nach Russland schicken zum erfrieren und erschossen werden. Bedeutende Kampfkraft hatten die ungarischen Einheiten jedenfalls nicht.
Mit Ausnahmen lebten die ungarischen Juden bis 1944 in relativer Sicherheit vor deutschem Zugriff (Abtransport und Mord im KZ). Noch im April 1943 beschwerte sich Hitler über "die ungarische Behandlung der „Judenfrage“".
Zur gleichen Zeit führte die Regierung in Ungarn bereits geheime Verhandlungen mit Engländern, Amerikanern und Russen.
Als die Sache aufflog, wurde die ungarische Regierung abgesetzt und eine Marionetten-Regierung eingesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war Csatáry einfach ein Polizist ... mir ist jedenfalls nichts anderes bekannt.
Jetzt gilt es zu klären, was genau seine Aufgabe danach war, wie er sie ausgeführt hat, wer die Befehle dazu gegeben hat und ob er sich anders hätte verhalten können. Dazu kam es im gleichen Jahr noch zu Massenmorden an Juden in ganz Ungarn. War er daran beteiligt?
Möglicherweise spielte das alles beim Todesurteil in der Tschecheslowakei 1948 noch keine Rolle.
Kein Vergleich mit irgendwelchen KZ Aufsehern die sich freiwillig gemeldet haben, wohlmöglich noch von Eicke in Dachau ausgebildet worden sind und sich dann bereitwillig über Jahre am entmenschlichten Abschlachten beteiligt haben. Kein deutscher Polizist, der in einer der Einsatzgruppen im Blut gelaufen ist und die nackten Opfer jeden Alters mit einem Schuss ins Genick getötet hat.
Von uns Deutschen können die wenigsten ausschließen, dass Opa / Uropa nicht an Morden beteiligt war, Absperrdienst geleistet hat, bei Hinrichtungen lächelnd zugesehen hat und ein paar Erinnerungsfotos geschossen hat.
Darum finde ich, sollte wir nicht so sehr mit Fingern zeigen, wenn andere Länder ihre Verbrechen jener Zeit aufarbeiten. Das hat so etwas von dickbäuchiger, besserwisserischer Badelatschenmentalität.
Grautöne. Darum geht es in diesem Fall.