Österreich: Krise nach Strache-Video

Alubehütet

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Der mysteriöse Besucher, der nur ein paar Tage nach der Aufdeckung der Ibiza-Affäre in einem österreichischen Aktenentsorgungsbetrieb mit dem eingängigen Namen «Reisswolf» auftaucht, will ganz sicher sein: Fünf Festplatten lässt er schreddern, erst einmal, dann zweimal und dann noch ein drittes Mal. Und er will nicht nur dabei zusehen, sicher ist sicher, sondern die pulverisierten Reste auch wieder mitnehmen. Und so steht der stämmige junge Mann an einem Donnerstag Mitte Mai, um 11.05 Uhr, vor einer Schreddermaschine und überwacht die Zerstörung der Datenträger. In die Besucherliste trägt er den Namen «Walter Maisinger» ein, in einem Formular nennt er auch eine zum Namen passende E-Mail-Adresse – und in die Rubrik «Firma» schreibt der Mann: «privat».

Nichts davon stimmt.

Der Mann, der in der Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus so unbedingt Daten vernichten will, heisst in Wahrheit Arno M. – und er ist der Social-Media-Chef im österreichischen Kanzleramt unter Sebastian Kurz: jenem ÖVP-Kanzler, der fast zwei Jahre lang mit Strache Österreich regiert hat.



Tagesanzeiger.ch
 

Mendelssohn

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Die Engen in den Alpen sind jedenfalls weiter als das deutsche Rheintal.
https://www.swp.de/politik/inland/b...ua_-alle-warten-auf-deutschland-23692717.html
"Im Vertrag von Lugano hatten sich die Schweiz und Deutschland 1996 auf den Ausbau ihrer Schienenwege verständigt. Die Schweizer haben Wort gehalten, doch die deutschen Zulaufstrecken lassen auf sich warten."
Wir sprechen von Wählersegmenten und nicht von verkehrspolitischen Versäumnissen, die traditionsgemäß von der CSU zu verantworten sind und sich deshalb nun auch in Abwanderungsbewegungen niederschlagen, Richtung grün oder braun je nach dem Entwicklungsstand des demokratischen Bewußtsein. Dass es die Braunen in Gegenden leichter haben, die abgeschirmt von hohen Bergen abseits der großen Verkehrswege und Touristenströme leichter haben , auch weil in den Dörfern keine demokratische, sondern eine autoritär chauvinistische Kultur herrscht, verwundert nicht und wird allerorten, nicht nur in den Alpen, wo die Kreisstadt, also die Provinz, eine Fahrstunde entfernt liegt, festgestellt. Versuche nördlich von Turin in der französischen Schweiz abends um acht Benzin zu bekommen (ohne Fränkli, aber mit Euros und EC-card)? Die machen noch nicht mal das Fenster auf! Wo hat die Liga Nord ihre ersten Erfolge eingefahren? Südtirol? Wo begann die Radikalisierung der FPÖ? War es Tirol? Und in welchen Regionen hat Obergrenzen-Horst Stimmen fangen wollen? Offenbar nicht in den bayrischen Städten.
 

Bintje

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@Bintje „Bergtürken“ ist allerdings noch anders konnotiert. Da geht es nicht nur um Rückständigkeit wie bei „Schluchtenscheißern“.

Dem Begriff lag die Vorstellung zugrunde, dass Kurden keine eigenständige Ethnie bilden und türkischen Ursprungs (unter rassischen Aspekten Türk ırkı) seien.

Alles richtig, aber den Begriff darauf zu verengen, bedeutet auch, die klar negative Bedeutung im Sinne von Rückständigkeit auszublenden. Tatsächlich wird "Bergtürke" als Schimpfwort von Leuten verwendet, die sich qua Herkunft oder durch was auch immer überlegen fühlen und Dünkel gegenüber Menschen aus Ostanatolien haben.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Alles richtig, aber den Begriff darauf zu verengen, bedeutet auch, die klar negative Bedeutung im Sinne von Rückständigkeit auszublenden. Tatsächlich wird "Bergtürke" als Schimpfwort von Leuten verwendet, die sich qua Herkunft oder durch was auch immer überlegen fühlen und Dünkel gegenüber Menschen aus Ostanatolien haben.
Nur geht es im Fall der Alpenregion nicht nicht um Dünkel des Nordens gegenüber dem Süden, sondern um die Frage, warum es die Nationalisten und Antidemokraten in den Bergen so leicht haben (siehe Wahlergebnisse). Dafür gibt es Gründe, u. a. am Festhalten von prä- oder antidemokratischen Traditionen (sehr schön im Motto des FC Bayern auf den Begriff gebracht), begünstigt durch langsamen Informationsaustausch im direkten Gespräch (es gibt immer noch Regionen, die im Winter von der Außenwelt abgeschnitten sind, nur interessiert es keinen, weil keine Touristen einschneien - im doppelten Wortsinn).
Zum Thema des alpinen Abgeschnittenseins gibt es zahlreiche, zum Teil international ausgezeichnete Filme. z. B. Höhenfeuer (1985). Themen sind Inzest, Ehrenmorde und immer wieder väterliche Allgewalt. Mit Via Mala hat hat Mario Adorf doch seine internationale Karriere begründet- oder? (Remake von der Fröbeversion).
Literarisch auch noch interessant Therese Etienne von John Knittel aus den 1950iger Jahren.
 

Alubehütet

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Eine viel simplere These wäre – aber die eine Erklärung muß die andere ja nicht ausschließen: Die sind später bis gar nicht erreicht von der Industrialisierung, bzw. nur indirekt (Traktoren, aber keine Fabrikarbeit). Haben also weder ein liberales Bürgertum ausgebildet, noch eine linke Arbeiterklasse. Sind zudem naturverbundener, heißt: Verhaftet in diesem Amalgam aus Bauernregelweisheiten, Volks(aber)glauben und beides überwölbenden wie absegnenden Katholizismus.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Eine viel simplere These wäre – aber die eine Erklärung muß die andere ja nicht ausschließen: Die sind später bis gar nicht erreicht von der Industrialisierung, bzw. nur indirekt (Traktoren, aber keine Fabrikarbeit). Haben also weder ein liberales Bürgertum ausgebildet, noch eine linke Arbeiterklasse. Sind zudem naturverbundener, heißt: Verhaftet in diesem Amalgam aus Bauernregelweisheiten, Volks(aber)glauben und beides überwölbenden wie absegnenden Katholizismus.
Wir sprechen über das Gleiche.
Noch etwas, bei Ski alpin schön zu beobachten: Egal, wo sie herkommen und egal was der Sprachforscher zu den unterschiedlichen Dialekten in der Alpenregion sagt: untereinander verstehen sie sich sehr gut, also Bayern, Italiener, Österreicher, Schweizer und Franzosen. Wir Nordlichter rätseln manchmal über die präzise Aussage.
 

Alubehütet

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Das ist mir mal wirklich passiert an der grünen Grenze zu den Niederlanden. Unfreiwillig ein Gespräch belauscht. Erst nach fünf Minuten dechiffriert, daß der eine Deutsch, der andere Niederländisch sprach. :)
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Das ist mir mal wirklich passiert an der grünen Grenze zu den Niederlanden. Unfreiwillig ein Gespräch belauscht. Erst nach fünf Minuten dechiffriert, daß der eine Deutsch, der andere Niederländisch sprach. :)
Die abgeschiedenen Siegerländer sprechen Deutsch wie eingemeindete GI's oder Holländer. :) Ein sehr gutturales Westfälisch. Selbstredend nur in den ganz abgelegenen Ortschaften. Da fragte ich als Spielerin einen Vereinsfunktionär, seit wann er denn in Deutschland sei. Seine Antwort war interssant: das würde er öfter gefragt, aber die Wahrheit sei, dass er von hier sei, also nur etwas weiter weg von der Turnhalle.
Was anderes als CDU hat dieser Siegerländer wohl nie gewählt, aber gewiß keine AfD. Lebte er in Kärnten oder Tirol, wäre die FPÖ vielleicht möglich, allerdings auch nicht zwingend.
Die FPÖ ist breiter aufgestellt als die AfD, die sich immer mehr zur Stimme des Ostens aufschwingt. Dies begrenzt ihr Wachstum (im Unterschied zur FPÖ), bündelt unter ihrer rechtsextremen Agenda aber alles von der Demokratieskepsis bis zur Befürwortung eines politischen Totalitarismus. Die FPÖ bündelt Traditionalisten, Kapitalisten, Nationalisten, die AfD bündelt Prekariat im Westen und Rentner im Osten und packt sie mit der Sündenbockpsychologie: Nicht ihr seid die Versager, sondern die hochsubventionierten Flüchtlinge/Migranten, die von der jüdischen Lobby zur Vernichtung Deutschlands ins Land geschickt werden, um euch erstens arm zu machen und um zweitens den Genpool aufzumischen. So weit ist die FPÖ noch nie gegangen. Sie hat keinen Höcke in ihren Reihen, nur einen korrupten, obergeilen Vizekanzler oder was er war. Jetzt ist er weg. Das Land steht immer noch.
Ob die Bundesrepublik Deutschland eine Vizekanzler Höcke überstehen würde, ist m. E. nicht gesichert.
Das sind die Unterschiede. Von außen betrachtet.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Passend zum Thema gabe es gestern auf 3sat den mehrfach ausgezeichneten Film Das finstere Tal von 2014 als alpine Koproduktion:
Thematisiert wird ein erbarmungsloses Patriarchat kombiniert mit Gier, das keinen übergeordneten Gerichtshof anerkennt, weshalb jeder Fremde als Okkupator der hergebrachten Ordnung eine Bedrohung darstellt (ein altes Western-Motiv, das sich von hier aus historisch wunderbar rekonstruieren lässt, war es doch vorwiegend die verarmte und entrechtete Landbevölkerung des mittleren Europas, die sich im 19. Jahrhundert in den amerikanischen Westen aufmachte).
Anders gesagt: Nur weil die Patriarchen inzwischen keine Waldbauern, sondern Hotel-, Hütten- und Liftbesitzer geworden sind, ist noch keine Weltoffenheit oder Demokratiefreude an der Tagesordnung. Lässt sich auch in KircheTV studieren. Dort werden immer noch in oberbayrischen Kirchen Messen nach alter Liturgie zelberiert, die vom Vatikan seit dem 2. Vat. Konzil außer Kraft gesetzt, also verboten worden ist (in KircheTV bin ich sogar schon einmal Zeuge einer Teufelsaustreibung geworden).
In Bayern und Österreich hat Hitler seine ersten und glühendsten Verehrer gefunden. Nicht umsonst wurden Dirndl und Lederhose zur germanischen Freizeitkleidung erkoren und eroberte von dort Preußen-Deutschland (Golo Mann).
Kurz ist zu jung, um diese ganze Komplexität zu durchschauen, Seehofer zu ungebildet.
 
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