Ich fürchte, so ganz allmählich bricht wieder eine recht gute Zeit für Verschwörungstheoretiker und Populisten an und so ganz unbegründet scheint mir das nicht zu sein.
Nahezu alle Fernsehprogramme stürzen sich auf das Corona-Thema und berichten gefühlt acht bis sechzehn Stunden am Tag darüber. Bei den herkömmlichen Nachrichten ist es sowieso das Leitthema, dann gibt es noch die Sondersendung dazu und nahezu alle Magazin-, Lifestyle-, Unterhaltungs-, Kinder- und Reportageformate kennen kaum etwas anderes. Ausgenommen sind eigentlich nur die Serien und Filme, wahrscheinlich auch nur, weil sie vor Corona produziert wurden.
Im Grunde ist das ja auch bis zu einem gewissen Punkt berechtigt, vor allem angesichts der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Maßnahmen, die in jüngster Zeit getroffen wurden, neben der Gesundheit sind nun auch zahlreiche Existenzen betroffen, Zukunftsängste machen sich breit und die Leute interessiert es eben.
Was mich allerdings stutzig macht ist, dass dieser gewaltige Raum, den das Thema in der öffentliche Debatte einnimmt, nun schon seit mehreren Tagen in keinem Verhältnis mehr zu stehen scheint mit dem Informationsgehalt und Informationsgewinn aus dieser Debatte. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass sich alles nur im Kreise dreht und einige wenige Punkte gebetsmühlenhaft wiederholt werden, eine große einheitliche Lobhudelei vollführt wird und kritische Fragen in dieser jetzt-müssen-wir-zusammen-halten-Haltung völlig unter die Räder kommen. Quasi wie im Kriegszustand, wo nun alle gefälligst ihren Soldaten zu stehen und in Reih und Glied zu marschieren haben.
Ich finde das prinzipiell problematisch und würde es vorziehen, wenn mehr kritisch und kontrovers debattiert werden würde. Ich habe hier vor ein paar Tagen zBsp die Frage nach den aktuellen Infektionsherden gestellt und seitdem auch viele der Beiträge, Artikel und Sendungen im öffentlichen Raum verfolgt. Aber genauso wie hier scheint sich auch in den Fernsehprogrammen oder den Zeitungen niemand für diese Frage zu interessieren. Vor einiger Zeit gab es etwa diese relativierenden Beiträge von Wodarg, von dessen nachlässiger Haltung zum Thema ich nach wie vor nichts halte, aber er spricht da schon einige Punkte an, über die ich gerne etwas genauer informiert werden würde, wofür sich allerdings außer diesem
correctiv-Artikel sonst niemand eingehender zu interessieren scheint. He, ich wüsste gerne etwas genauer, was diesen neuartigen Coronavirus nun von den offenbar immer schon vorhandenen oder auch den viel wandlungsfähigeren Grippeviren unterscheidet. Oder ich wüsste gerne, warum die vielen Gelder, die jetzt in die Entwicklung von Medikamenten oder Tests oder Impfstoffen in rpivate Firmen gesteckt wird, offenbar an keinerlei Bedingungen geknüpft wird, diese im Erfolgsfall auch möglichst vielen Menschen bezahlbar zugänglich zu machen. Oder auch die hier angesprochene Frage nach der unterschiedlichen Lethalität der Krankheit in verschiedenen Ländern, die sicher mehr und vielschichtigere Gründe als die hier genannten hat.
Dann werden gerade im Eilverfahren Ausgaben von hunderten Milliarden Euro beschlossen und man hört nur Applaus darüber, wie schnell und unbürokratisch und einvernehmlich die Politik das durchgebracht hat, hunderte Milliarden, die wir alle gemeinsam erarbeitet haben, gerade noch erarbeiten und vermutlich die nächsten Jahre noch aufbringen werden müssen. Lohnt es sich nicht, auch darüber etwas kontrovers zu debattieren, wo wir doch gerade acht bis sechzehn Stunden pro Kanal und Tag dazu Gelegenheit hätten. Ich persönlich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass ein gewisser Anteil dieser Riesensummen in den Prozess fließen wird, den wir schon seit über drei Jahrzehnten kennen, nämlich die gewaltige Umverteilung von unten nach oben.
Es gibt etliche weiterer solcher Fragen, über die die Menschen gerade besser und umfassender informiert werden könnten. Aber stattdessen scheint alle Welt sich nur dafür zu interessieren, wann wir wieder loslegen können mit dem Irrsinn, den wir gerade unterbrechen oder zumindest verlangsamen mussten. Und diese Einheit und Einheitlichkeit hat einen zutiefst antidemokratischen antiaufklärerischen Kern, der der beste Nährboden für alle möglichen Verschwörungstheorien und populistische Parolen ist.